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Energiewende in OstdeutschlandGrüne Kraftstoffe aus der Lausitz

In der früheren Kohleregion beginnt der Strukturwandel. Es entsteht ein Zentrum für grünen Wasserstoff und sauberen Sprit für Flieger und Schiffe.

Windräder hinter dem Braunkohlebagger: Strukturwandel in der Lausitz Foto: Rainer Weisflog/imago

Berlin taz | Der Strukturwandel in der Lausitz kommt einen Schritt voran: Wo bislang schmutzige Kohleindustrie die Wirtschaft der ostdeutschen Region in Brandenburg und Sachsen dominierte, soll ein Zentrum für ökologisch hergestellten Wasserstoff und saubere Treibstoffe entstehen. Am Dienstag hat das neue PtX Lab Lausitz in Cottbus die Arbeit aufgenommen. Mit der Einrichtung will Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die industrielle Produktion für umweltfreundliche Grund- und Kraftstoffe auf den Weg bringen.

Im Cottbusser PtX Lab sollen Wis­sen­schaft­ und Industrie die Technologie gemeinsam voranbringen und erfolgversprechende Geschäftsmodelle entwickeln. Zu den rund einem Dutzend beteiligten Unternehmen gehört nach Angaben von Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach der Chemiekonzern BASF. Das Kompetenzzentrum soll Anlaufstelle für Unternehmen aus der ganzen Welt werden.

Die PtX-Techologie als Stromspeicher oder Kraftstoff ist Hoffnungsträger für energieintensive Branchen und den Verkehr. Dabei wird mit Hilfe von Strom („Power“) zunächst Wasserstoff und anschließend gasförmiger oder flüssiger Kraftstoff hergestellt – mit den Verfahren Power-to-Gas (PtG) oder Power-to-Liquid (PtL). Kommt der Strom aus erneuerbaren Energien, handelt es sich um „grünen“ Wasserstoff – nur dann ist er ein Beitrag zum Klimaschutz. Brandenburg ist unter den Bundesländern bei der Erzeugung erneuerbarer Energie pro Ein­woh­ne­r:in führend. Das spielte bereits bei der Ansiedlung des E-Auto-Herstellers Tesla im brandenburgischen Grünheide eine wichtige Rolle.

Vor allem Ver­tre­te­r:in­nen der Autoindustrie setzen auf synthetische Kraftstoffe für Pkws, weil sie so trotz Klimakrise an der Verbrennertechnik festhalten können. Auf dem Markt setzen sich aber zunehmend elektrisch betriebene Pkws durch – die weitaus energieeffzienter sind als mit synthetischen Kraftstoffen fahrende. Deshalb konzentriere sich das PtX Lab neben Grundstoffen für die Industrie auf Kraftstoffe für den Luft- und Schiffsverkehr, sagte Umweltministerin Svenja Schulze am Dienstag. In Flugzeugen und Schiffen sind elektrische Antriebe wegen der benötigten Batteriegröße nur sehr begrenzt einsetzbar.

Eine Same für postfossile Industrieregion

„Wir wollen, dass die PtX-Technik den Weg aus dem Labor in den Markt findet“, sagte Schulze. Dabei geht es nicht um kleine Mengen, sondern die Produktion in industriellen Größenordnungen. „Unternehmen wollen grünen Wasserstoff in großem Maßstab einsetzen oder daraus Kraftstoffe herstellen“, betonte sie. In Deutschland gebe es genug Know-how und interessierte Unternehmen, die weltweit Leitanbieter werden wollen.

Das PtX Lab sei ein „Samen, aus dem eine postfossile Industrieregion wachsen kann“, hofft auch der Leiter der Einrichtung, Harry Lehmann. Für Praxistests soll eine Demonstrationsanlage entstehen, deren genauer Standort allerdings noch nicht feststeht. Die neue Einrichtung ist Teil des Strukturwandels in der Lausitz, deren Wirtschaft bislang von der Kohle geprägt ist. Bis 2023 werden im PtX Lab 60 Arbeitsplätze entstehen, diese Zahl soll perspektivisch verdoppelt werden. Dabei besteht die Hoffnung, dass durch Projekte mit der Industrie weitere Jobs geschaffen werden. Projektträgerin ist die „Zukunft – Umwelt – Gesellschaft“ (ZUG), eine bundeseigene Dienstleistungs-gGmbH zur Förderung von Umwelt-, Natur- und Klimaschutz. Die Betreiber erhalten bis 2024 aus den Mitteln für den Kohleausstieg 180 Millionen Euro.

Das PtX Lab ist nicht die einzige Einrichtung, die Svenja Schulzes Haus mit Mitteln aus dem Kohleausstieg in der Region aufbaut. Unter anderem hat das Ministerium das Kompetenzzentrum für Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) sowie das Kompetenzzentrum für elektromagnetische Felder (KEMF) hier angesiedelt. Ebenfalls in der Lausitz will das Bundesumweltministerium ein Innovationsfeld für innovative Wasser- und Abwassertechnik einrichten.

Energieexperte Oliver Po­walla vom Naturschutzverband BUND hält es für richtig, die PtX-Technologie in die Lausitz zu bringen. Aber er warnt vor zu großer Euphorie. „Mittlerweile hat jedes Bundesland seine eigene Wasserstoffstrategie, und auch Demonstrationsanlagen gibt es viele“, sagte er. Entscheidend sei, ob es tatsächlich gelingt, Kooperationen mit Unternehmen zu schließen, etwa mit Flughafenbetreibern, die einen Teil des Kerosins durch umweltfreundlichere Treibstoffe ersetzen. Allerdings müsse auch mehr erneuerbarer Strom erzeugt werden, um den grünen Wasserstoff herstellen zu können „Allein mehr Nachfrage zu schaffen reicht nicht“, warnte Powalla. Das könne Brandenburg aufgrund der verfügbaren Flächen aber durchaus schaffen.

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14 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Auf dem Mars wird alles besser!

  • Ich freue mich ja für die Lausitz, eine Region die seit der Wende (und auch schon davor) viel erleiden musste. Dieses Wasserstoffdings ist wahrscheinlich Quatsch. Andererseits haben wir bisher beispielsweise für Frachtschiffe und Flugzeuge tatsächlich keine regenerative Alternative. Wasserstoff zu nutzen ist da energetisch natürlich sehr ineffizient. Insgesamt sehe ich das nur als sinnvolle Lösung wenn wir auf Dauer Schiff und Flugverkehr massiv senken und dann für den übrigen Verkehr der unbedingt notwendig ist dann energetisch teuer hergestellten Wasserstoff verheizen.

  • Es stehen ja alle wichtigen "wenns" und "abers" im Artikel, die auf die ökologisch sehr bescheidenen Möglichkeiten der Wasserstoffstrategie hinwiesen.

    Nur mal als Idee: alle e-Autofahrer und e-Tankstellen zwingen nur grünen Strom einzusetzen. Ich wage mal die steile These, dass der Zubau an regenerativem Strom dann geringer ist als der Anstieg des Verbrauchs durch den Verkehr bei der derzeitigen Absatzentwicklung bei e-Autos und aktuellen Plänen der Autoindustrie.







    Dann bräuchten wir uns gar keine Sorgen mehr um den grünen "Überschussstrom" zu machen und diese im Artikel erwähnten Strategien hätten kein Basis.



    Aber der ökologische Schaden durch unsere Fortbewegung wäre deutlich reduziert!

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Heiner Petersen:

      Wenn doch mal einer ein Gesamtrechnung aufmachen würde und dieses Modell ins Netz stellen täte. Als App. Dann könnte jeder auf seinem Smartphone das mal selber durchsimulieren. So viel Daten können das nicht sein und so komplex ist es auch nicht.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Wäre vielleicht was für den VCD...

        Leider ist meine Erfahrung dass einfache Logik gegen komplexe Förderprogramme, die ein politisches oder gesellschaftliches Klientel bedient, keine wirkliche Chance hat. Und unter Paradigmenwechsel versteht auch jede(r) was ihm/ihr nützt.



        Las gerade in einer Zeitung, dass in Laos zwei grosse Kohlekraftwerke mir Unterstützung Chinas und ungenannter Investoren gebaut werden sollen. Der Strom soll dann für 7,4 ct zu grossen Teilen an Kambodscha verkauft werden..... Logisch ist das im Jahr 2021 auch nicht wirklich....;-)

  • Solange Wasserstoff großindustriell vorallem aus Methan hergestellt wird, ist da nicht viel Grünes dran, denn das Abfallprodukt ist CO2.



    Und wenn die Produktion auf Wasser umgestellt werden sollte verstärken wir den bereits vorhanden Trend bezüglich Trockenheit und sinkenden Grundwasserspiegeln.



    Das Grün zu nennen ist eine echte Frechheit.

    • @Hulle:

      welche Alternativen schlagen Sie vor ?



      Fossil gespeichertes CO2 zu verbraten zählt nicht.

      • @Opossum:

        auf Whataboutismus gehe ich nicht weiter ein, im Artikel geht es um angeblich grünen Wasserstoff, den es aber nicht gibt

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Hulle:

      Auch sollte man nicht vergessen, dass die Elektrolyse ineffizient ist und zum Schluss der Wirkungsgrad der Brennstoff Zelle bei 30%liegt

      • @4813 (Profil gelöscht):

        ja richtig, das kommt noch in der Gesamtbilanz dazu

    • @Hulle:

      Also der Wasser“verbrauch“ ist kein Problem: Das Wasser wird ja zurückgewonnen wenn der grüne Wasserstoff dann verbraucht wird.

      • @Saile:

        Lokal Wasser entnehmen und den Wasserdampf global verteilen ist "kein Problem" für die Dürreregion? Der Wasserdampf regnet nur über der Lausitz ab? Wie auch das CO2 aus der Lausitz-Braunkohle nur das Klima in der Region Lausitz verändert?

  • 2G
    27814 (Profil gelöscht)

    Gibt es irgendwelche Infoa woher der Kohlenstoff für das PtX kommen soll. Wir DirectAirCapture eingesetzt oder etwas anderes? Vielleicht kann die Tag da mal nachhaken.

  • Ähm, was wird zur Wasserstoffherstellung benötigt, neben noch nicht ausreichend vorhandenen erneuerbaren Energien? Es wird doch wohl nicht Wasser sein? Falls doch, dann ignorieren wir einfach, dass in der Lausitz bereits ein dramatischer Wassermangel besteht. Nur so lassen sich Illusion von einem klimaneutralen "Weiter-so" vermarkten!