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Body-Positivity und Rapperin LizzoHer Body, Her Choice

Liebe deinen Körper, fordert die Body-Positivity-Bewegung fast schon zwanghaft. Dabei kritisiert sie die Sängerin Lizzo, weil sie eine Saftkur gemacht hat.

Lizzo bei den Brit Awards 2020 im Februar in London Foto: Matt Crossick/imago

2012 schien die Revolution gescheitert. Drei Jahre lang hatte die Brigitte keine Models, sondern nur noch „normale“ Menschen in ihrem Magazin abgedruckt. Doch nachdem das Frauenmagazin in finanziellen Schwierigkeiten steckte, engagierte es wieder professionelle Models.

Seit 2012 ist viel passiert. „Body Positivity“ ist in aller Munde. Das Konzept, dessen Anhänger:innen – in seiner radikalsten Form – für die Akzeptanz aller Körperformen und -größen kämpfen, ist zwar schon einige Jahrzehnte alt, doch in den vergangenen Jahren vor allem bei Instagram zu einem großen Erfolg geworden. Unter dem Hashtag #Bodypositivity posten (hauptsächlich) Frauen Fotos von ihren Dehnungsstreifen, ihrem Doppelkinn oder Pickelnarben und halten ihre mal mehr oder weniger dicken Pos und Bäuche in die Kamera.

Eine, die zum Aushängeschild der Bewegung geworden ist, ist Lizzo. Die US-amerikanische Sängerin und Rapperin kämpft mit ihren Songs, aber auch in sozialen Medien gegen Bodyshaming und ist so zu einem Idol der Selbstliebe geworden. Doch aktuell werden die Kommentarspalten der Sängerin bei Tiktok, Twitter und Instagram mit hasserfüllten Kommentaren zugespammt. Denn Lizzo hat eine Saft-Detox-Kur gemacht. Zehn Tage lang ernährte sie sich nur von grünen Smoothies, Nüssen, veganen Protein-Riegeln und alkalischem Wasser.

Diese Diät zeigte sie ihren Follower:innen ebenso wie Vorher-nachher-Videos ihres Körpers. Viele Fans reagierten mit Kritik:. „Ein Schlag ins Gesicht für dicke Leute“, „das ist Verrat“ oder „So viel zu Body Positivity. Ich bin enttäuscht von Dir“, kommentierten sie.

Auch Adele traf solche Kritik

Lizzo ist nicht die erste Prominente, die sich mit Kritik dieser Art auseinandersetzen muss. Nachdem Adele im Mai nach langer Zeit ein Foto von sich veröffentlichte, titelte The Curvy Magazine: „Warum wir von Adeles Gewichtsabnahme enttäuscht sind“. Die Schauspielerin Danielle Brooks („Orange Is the New Black“) sagte kürzlich, dass sie sich zeitweise von sozialen Medien fernhielt, um nicht für ihre Abnehmversuche nach der Geburt ihres ersten Kindes kritisiert und beleidigt zu ­werden.

Diese Reaktionen zeigen, dass die Body-Positivity-Bewegung, zumindest teilweise, zu einem Selbstverantwortungsdiskurs verkommen ist. Anstatt für eine Befreiung von bestehenden gesellschaftlichen Zwängen zu kämpfen, werden neue aufgestellt und wird Verantwortung auf Individuen abgewälzt. Statt aufzubegehren, wird propagiert: Liebe deinen Körper so, wie er ist. Wer das nicht kann oder will, wird dafür angefeindet. So leiden dicke Menschen unter einer Doppelbelastung.

In der Mehrheitsgesellschaft ist Dicksein noch immer kein akzeptabler Zustand. Wer dick oder adipös ist, wird in fast allen Lebenslagen systematisch benachteiligt – sei es im Arbeitsalltag, mit abschätzigen Blicken auf der Straße, beleidigenden und bedrohenden Kommentaren im Netz oder durch höhere Kosten für Gesundheit und bei Kleidung. Und der Versuch, die Norm zu erreichen, kann zu physischen und psychischen Erkrankungen führen.

Besser: Body Neutrality

Um diesen Zuständen etwas entgegenzusetzen, hilft es nicht, den Diskriminierten neue Dogmen aufzuerlegen. Natürlich dürfen alle ihren Körper lieben – aber niemand muss es tun. Denn wenn in unserem Alltag Äußerlichkeiten ein so hoher Stellenwert beigemessen wird, ist es nicht einfach, einen von der Gesellschaft verabscheuten Körper zu lieben. Auch deswegen bevorzugen andere Aktivist:innen mittlerweile das Konzept „Body Neu­trality“ – in dem der Körper einen nicht mehr definieren soll.

Abgesehen davon, ob eine zehntägige Detox nun gesund ist oder nicht, steht es Lizzos Fans nicht zu, darüber zu urteilen. Denn gerade in einer Bewegung, in der sich weiße Frauen, die optisch nur bedingt vom Schönheitsideal abweichen, in den Vordergrund gedrängt haben und Schwarze Frauen unsichtbar gemacht werden, ist Lizzo das falsche Beispiel für Kritik am Schönheitswahn.

Lizzo reagierte auf die negativen Kommentare, indem sie erzählte, ihr sei es gar nicht ums Abnehmen gegangen, sondern dass ihr die Kur geholfen habe, sich nach schlechter Ernährung der vergangenen Monate wieder gut zu fühlen. „Ich bin immer noch dick und immer noch wunderschön“, fügte sie hinzu. Und selbst wenn nicht: Es ist ihr Körper und ihre Entscheidung.

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7 Kommentare

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  • Mit 130 Kilo sage ich: Dick ist nicht schön. Übrigens natürlich auch nicht gesund. Wer etwas anderes sagt, der lügt. Statt krampfhaft den Körper lieben zu wollen sollte man lieber seine Seele lieben lernen.

  • Was geht einem durch den Kopf, wenn man solche Sätze schreibt: "Wer dick oder adipös ist, wird in fast allen Lebenslagen systematisch benachteiligt (...) oder durch höhere Kosten für Gesundheit (...).



    Das ist ungefähr so, als würde man schreiben, dass Raucher benachteiligt sind, weil sie häufiger an Lungenkrebs erkranken. Es gibt viele Ursachen für eine Adipositas, aber es ist ja nicht bei allen der Fall, dass die Ursache genetisch oder krankheitsbedingt ist, sondern vielmehr auch das eigene Verhalten zu gesundheitlichen Problemen führt.

    • @unbedeutend:

      Es scheint dringend geboten die hegemoniale Norm des krebsfreien Körpers in Frage zu stellen und Empowerment zu predigen damit die Leute ihr Karzinom endlich ebenso lieben wie ihre Grad III-Adipositas.

    • @unbedeutend:

      Stichwort "Vielfach".

      Und abgesehen davon...

      Natürlich ist jeder für sich selbst verantowortlich,

      Aber Raucher und Menschen mit Übergewicht zu vergleichen ist auf vielen Ebenen zu kurz gegriffen.

      Alleine schon was das allgemeine Wissen über gesunde Ernährung geht und das gesunde Ernährung auch viel mit Einkommen zu tuhn hat.

      • @Obscuritas:

        Den gleichen Sachverhalt wie Sie ihn für das Wissen über Ernährung anbringen, trifft auch auf das Rauchen zu. Je höher der Schulabschluss oder das Einkommen, desto geringer ist der Anteil der Raucher. Wo ist also der Unterschied zu Übergewicht?

        • @unbedeutend:

          Ich finde auch, dass er zu kurz gegriffen ist, sehe den Unterschied aber woanders.

          Rauchen beginnt man irgendwann sehr bewusst, weil man es cool findet.

          Die ersten Zigaretten schmecken nicht, man muss es sich typischerweise gewollt antrainieren.

          Der Grundstein für Ernährungsfehler wird meist bereits in der Kindheit gelegt, wenn die Kinder noch so gar kein Bewusstsein für gesunde Ernährung besitzen.

          Niemand will bewusst fett werden, weil es cool ist.

          Vererbung spielt auch noch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

  • Aktivisten, die sich gegen die gesellschaftliche Be- und Verurteilung von menschlichen Körpern engagieren, kritisieren Menschen für den Umgang mit ihrem Körper. Kannste dir nicht ausdenken.....