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Koalitionskrach in Sachsen-AnhaltFunksignale in der 86-Cent-Frage

Die Magdeburger Krise beschäftigt die Bundespolitik. Paul Ziemiak (CDU) verteidigt den Kurs des Landesverbands. Von SPD und Grünen kommt Kritik.

Da stand sie noch stabil, die Kenia-Koalition bei der Unterzeichnung 2016 Foto: Jens Wolf/dpa

Berlin taz | Die Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt erreicht die Bundespolitik. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak wies am Sonntag Vorwürfe gegen die CDU in Sachsen-Anhalt zurück. „In den letzten Tagen haben manche bewusst versucht, die CDU-Landtagsfraktion in die Ecke der AfD zu schieben, nur weil sie am Koalitionsvertrag festhält“, sagte Ziemiak der Magdeburger Volksstimme. „Das weise ich entschieden zurück! Für die CDU gilt ganz klar, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt.“

Ziemiak forderte SPD und Grüne auf, sich zu bewegen. In Sachsen-Anhalt gehe es um staatspolitische Verantwortung und den Erhalt einer Regierung unter einem beliebten Ministerpräsidenten, betonte er. „Es ist jetzt auch an SPD und Grünen, dass in Sachsen-Anhalt eine tragfähige Lösung gefunden wird.“

Annegret Kramp-­Kar­ren­bau­er, CDU-Chefin, hatte bereits am Freitag gesagt: „Ich hoffe, dass in Sachsen-Anhalt alle verantwortlichen Kräfte gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten für politische Stabilität sorgen.“ Von Grünen und SPD kam scharfe Kritik am Kurs der CDU. „Es gibt Punkte, an denen man sich klar entscheiden muss“, schrieb Grünen-Chefin Annalena Baerbock am Sonntag auf Twitter. „Dass die Spitze der Bundes-CDU bei so einer zentralen Frage nicht mit Inbrunst hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Beschluss aller MPs steht, erschreckt mich sehr.“

Auch die Vorsitzende der Länder-Rundfunkkommission, Malu Dreyer (SPD), warnte vor einem gemeinsamen Veto von CDU und AfD gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. „Darüber sind wir in der Länder-Familie sehr einig, wenn CDU und AfD den Medienstaatsvertrag verhindern würden, wäre das ein politischer Dammbruch“, sagte Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ist. In Sachsen-Anhalt werde aktuell nicht nur um eine Anpassung des Beitrags gerungen, „sondern um eine vielfältige Medienlandschaft, zu der der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazugehört“.

Ich hoffe, dass in Sachsen-Anhalt alle verantwortlichen Kräfte gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten für politische Stabilität sorgen

CDU-Chefin Annegret Kramp-­Kar­ren­bau­er

Beitragsstabilität im Koalitionsvertrag vereinbart

Seit Tagen tobt in Magdeburg ein Streit über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Im Koalitionsvertrag ist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Beitragsstabilität vereinbart. SPD und Grüne wollen der zwischen den Landesregierungen abgestimmten Beitragserhöhung zustimmen, die CDU nicht. Auch die oppositionelle AfD ist dagegen. Zusammen hätten CDU und AfD eine Mehrheit – SPD und Grüne drohen für den Fall das Ende der Koalition an. Wegen der Krise debattieren alle Parteien erneut über den richtigen Umgang mit der AfD.

CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte seinen Innenminister Holger Stahlknecht am Freitag entlassen und damit die Konsequenz aus einem nicht abgesprochenen Interview Stahlknechts gezogen. In dem Interview hatte Stahlknecht eine CDU-Minderheitsregierung für den Fall angekündigt, dass die Koalition mit SPD und Grünen im Streit über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags platzen sollte. Eine solche hatte Haseloff stets ausgeschlossen.

Über die Formulierung im sachsen-anhaltischen Koalitionsvertrag kann man streiten. Die Partner hielten „am Ziel der Beitragsstabilität fest“, heißt es darin. Aber ist damit eine Erhöhung ausgeschlossen? Oder lässt sich ein Aufschlag von 86 Cent, der erste seit 2009, der nicht mal die Inflation ausgleicht, damit vereinbaren?

Auch die unterschiedlichen Koalitionen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Meck­lenburg-Vorpommern be­ken­nen sich mit gering voneinander abweichenden Formulierungen zur Beitragsstabilität, tragen die geplante Erhöhung aber dennoch mit.

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9 Kommentare

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  • Ach: an alle, die hier um die 86 Cent jammern, die so eine Belastung für die Prekären ist: ja, einkommensabhängig wäre eleganter, vielleicht auch steuerfinanziert.

    Das Problem mit den Staats- (und somit letztlich Regierungsmedien) wäre dann noch zu lösen. Nicht einfach.

    Wenn's um die Prekären geht:

    Sorgen wir stattdessen lieber dafür, dass die Mieten runtergehen!

    • @tomás zerolo:

      Wenn sie das Problem ausschließlich darauf fokussieren ob 86ct oder auch knapp 20€/mtl. auch für diejenigen knapp über Hartz IV verkraftbar sind blenden sie Relevantes aus, nämlich die Frage ob die Gebühren auch sinnvoll und zielführend eingesetzt werden. Die ÖR sind weder Unterhaltungsprogramm noch staatlch verordneter Luxus, sondern sollen über Information, Bildung und Kultur zum Fortbestand der Demokratie beitragen. Den ÖR deshalb so zu konstruieren, dass eine politische Einflussnahme nicht möglich ist, ist daher auch grundsätzlich eine gute Idee. Eine Folge dieser Unabhängigkeit ist aber auch, dass im Laufe der Jahre immer mehr Sender entstanden, dass der Begriff davon was unter Bildung und Kultur fällt immer weiter gefasst wurde und dass sich massiv redundante Strukturen verfestigt haben ohne dass es effektiv möglich wäre politisch gegen diese Wildwuchs anzusteuern weil das ja ein Eingriff in die Unabhängigkeit wäre. Die Sender selbst haben aber naheliegenderweise kein Interesse daran von sich aus Kürzungen vorzunhemen. Also werden weiter neue Sender gegründet und Platformen erschlossen und der KEF bleibt dann nur den erneut erhöhten Bedarf festzustellen und maximal ein paar kritische Worte dazu fallen zu lassen.



      Es geht also mitnichten um 86 ct, sondern um die Frage wie man den ÖR zu Strukturreformen bewegen könnte. Wenn ich als Beitragzahler nicht den Eindruck hätte, dass der gezahlte Betrag in der Aufrechterhaltung von mehrfach-redundanten Strukturen verbrannt sondern für sinnvolle und notwendige Zwecke verwendet wird wäre es mir fast egal ob es sich um 5, 20 oder 50 € im Monat handelt.

      • @Ingo Bernable:

        Ferner sollte man bedenken, dass die Gründe für die Einrichtung der ÖR auch darin bestanden, dass die Eintrittshürden für den Rundfunk bei seiner Gründung sehr hoch waren, einerseits durch die notwendige Technik, andererseits durch die nur begrenzt vorhandenen Sendefrequenzen, bei gleichzeitig sehr hoher Reichweite, so dass dort eine erhöhte Gefahr von Monopolbildung und Manipulation der Massen bestand. Zeitungen waren einfacher zu produzieren und hatten auch keine so massive Reichweite, so dass man diese problemlos der Marktwirtschaft überlassen konnte ohne die Diversität der Publikationen zu riskieren. Überträgt man diese Logik auf das Internet in dem ebenfalls jeder sehr einfach zum Sender und Inhalstsanbieter werden kann wäre auch hier die Frage zu stellen ob die gebührenfinanzierte Präsenz der ÖR im Netz gerechtfertigt ist.

    • RS
      Ria Sauter
      @tomás zerolo:

      Worauf warten Sie dann noch! Runter mit den Mieten!



      86 Cent sind für viele, wie ich schon schrieb, viel Geld. Das weiss ich aufgrund meiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Wenn im nächsten jähr die Krankenkassenbeiträge erhöht werden, ist noch weniger in der Tasche.



      Dann kämpfen Sie bitte auch dagegen!

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an:

    “ "Über die Formulierung im sachsen-anhaltischen Koalitionsvertrag kann man streiten. Die Partner hielten „am Ziel der Beitragsstabilität fest“, heißt es darin. Aber ist damit eine Erhöhung ausgeschlossen? Oder lässt sich ein Aufschlag von 86 Cent, der erste seit 2009, der nicht mal die Inflation ausgleicht, damit vereinbaren?"



    Vielleicht hilft ja Wikipedia: de.wikipedia.org/w...niveaustabilitätät



    Die grundätzliche Diskussion über den Rundfunkbeitrag und die soziale Komponente des selbigen kann Herr Ziemiak dann gern im Bundestagswahlkampf vom Zaun brechen. Mal schaun, ob er redlich genug ist, auch die Art und Weise, wie sich die Konkurrenz finanziert, zu thematisieren.“

  • Die Kommentare lasse alle außer Acht, dass sich ALLE Bundesländer auf diese Erhöhung geeinigt haben. Auch der MP Hase...



    Wenn der das nun im eigenen Haus nicht durchkriegt, dann ist es nicht an anderen Parteien, sich zu bewegen.



    Dann muss der Hase... gegenüber den anderen Ländern ankriechen und Farbe bekennen.



    Eigentlich wäre sein Rücktritt das einzig vertretbare.



    Hat sein Kronprinz wohl auch gedacht.



    War aber zu offensichtlich.



    Jetzt ist der vorher schon ex.



    Ohne Nachfolgelösung geht aber der Rücktritt nicht.



    Da liegt der Hase im Pfeffer...

  • Man kann über alles (in der Politik) streiten. Aber wenn die Gegenargumente damit vom Tisch gewischt werden, weil (zufällig oder nicht) auch die AfD der gleichen Meinung ist, ist schon ziemlich unverfroren.

    Die Frage ist doch: Wer lässt eine Landes-Regierung wegen 86 Cent im Monat platzen, CDU oder Grüne und SPD? Der Koalitionsvertrag lässt eigentlich wenig Interpretationsspielraum. Am besten alle kehren zur eigentlichen Sachfrage zurück und unterlassen die Wiederbelebung der im Sterben befindlichen AfD. Die kann ihr Glück ob solcher Diskussionen gar nicht fassen.

  • Spätestens jetzt dürfte die AfD begriffen haben, wie sie die jede Koalition ihrer Gegner von außen ins Schleudern bringen kann: Sie muss nur für die Vorlage stimmen, die auch der stärkste Partner in der Koalition vertritt.



    Der wird schließlich von seiner Vorlage abrücken müssen – er will sich ja nicht nachsagen lassen, er stecke mit der AfD unter einer Decke. Der Vorlage seiner Partner wird er aber aus Gründen der Selbstachtung auch nicht zustimmen wollen. Somit ist die Koalition neutralisiert. Die AfD kann nun belustigt dem Koalitionskrach zusehen – wir erleben es gerade.



    Ich vermute: In allen Parlamenten, in denen die AfD vertreten ist, wird sie künftig diese Taktik praktizieren. Man sollte darauf gefasst sein!

  • RS
    Ria Sauter

    Barrbock hat sich erschreckt. So watt!



    Wie wäre es denn, wenn rot und grün.mit der CDU gegen die Ethöhung stimmen würden!



    86 Cent sind viel von wenig!



    Kann sich der gutbezahlte Politiker oderBeamte, Angestellte nicht vorstellen.



    Genau da liegt das Dilemma. Es liegt nicht daran, dass die braunen Vollpfosten auch keine Erhöhung möchten.