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Islamismus und GesellschaftDer religiöse Faschismus

Das Buch des französischen Intellektuellen Pascal Bruckner über den politischen Islam könnte aktueller kaum sein. Gerade ist es auf Deutsch erschienen.

Frauen fordern vor der französischen Botschaft in London die Einführung des Schariagerichts, 2011 Foto: Peter Macdiarmid/getty images

Es ist eine Streitschrift. Hochaktuell. Eine Essaysammlung und in ihrer Analyse eine eindeutige Haltung zur Debatte nach den islamistisch motivierten Morden in Frankreich. „Der eingebildete Rassismus. Islamophobie und Schuld“, so der provokante Titel des Buches von Pascal Bruckner, der so manchen Antirassisten hierzulande aufschrecken mag.

Der französische Schriftsteller und Essayist Pascal Bruckner, ein Verfechter des Laizismus, der universellen Menschenrechte und der Aufklärung, setzt sich mit dem radikalen Islam auseinander. Seine Leitlinien in säkularer Tradition: republikanische Religionsneutralität, die Respektierung kultureller Eigenheiten und das Recht auf kollektive Selbstdarstellung.

Sein Anliegen: „Den Ausdruck Islamophobie madig zu machen, ihn zu delegitimieren, Zweifel und Unbehagen an ihm zu verbreiten, ihn quasi in Anführungszeichen zu setzen und dadurch zu schwächen ist das Vorhaben dieses Essays“, schreibt er.

Pascal Bruckner: „Der eingebildete Rassismus“. Aus dem Französischen von A. Carstiuc, Mark Feldon und Christoph Hesse. Edition Tiamat, Berlin 2020, 240 Seiten, 24 Euro

Nach dem Mord an Samuel Paty wird in Frankreich, auch in Deutschland, über Sympathie oder zumindest Schonhaltung in der Linken für die Bewegung des Islamismus diskutiert. Für Bruckner ist die Antwort eindeutig: „Was für einem eigenartigen Spektakel wohnen wir bei?“, schreibt er. „Man kann beobachten, wie frühere Priesterfresser vor dem Hintern der Islamisten in die Knie gehen.“ Die Linksradikalen im Westen und der politische Islam seien vom gleichen Geiste der Abrechnung mit dem bestehenden System beseelt, behauptet er.

Der Islam-Gauchismus

In einem Interview in der FAZ sagt er: „Islam-Gauchismus“ ist eine Art Schleimspur, auf welcher Antirassismus, Toleranz, Gerechtigkeitssinn, humanistisches Engagement durch naives oder gezieltes Wegschauen in ihr Gegenteil abgleiten.“ Im postkolonialen Diskurs sei der Westen mit seiner kolonialistischen Vergangenheit ohnehin der ewige Schuldner der islamischen Welt.

Diese „Ethnifizierung der Religion“ mache den Glauben zur Identität, die gleichzeig anerkannt und geschützt werden möchte. Der herrschende Antirassismusdiskurs – so seine Hiebe gegen die linksidentitäre Bewegung – entwickle sich zur Zivilreligion der (Post-)Moderne, die mit anklagender Rhetorik permant Feindseligkeit aller gegen alle schürt.

Jegliche Kritik werde so zur Beleidung, jedes kritische Wort zum Islam wird unter Rassismusverdacht gestellt: „Wir stigmatisieren, sobald wir ein Problem ansprechen … Überall etabliert sich die abscheuliche Gewohnheit, sich selbst über seine Herkunft, seine Identität, seinen Glauben zu definieren.“

Der Ausdruck „Islamophobie“ sei Teil eines globalen Wortschatzes geworden. Ein Sieg für die Islamisten, denn der Begriff vermenge die Verfolgung von Gläubigen, die ganz klar verdammenswert sei, und die Kritik an Religion, wie sie in aufgeklärten Gesellschaften praktiziert wird.

Religionskritik im Abseits

Religionskritik ist in aktuellen politischen Debatten ohnehin schon ins Abseits geraten. Die Debattenkultur, die durch Zweifel, Skeptizismus, Hadern und Fragen gekennzeichnet ist, geht verloren, wo das Dogma den Diskurs ersetzt, wo das Verketzern zu einem Mittel der politischen Auseinandersetzung geworden ist.

Bruckner sieht den politischen Islam auf dem Vormarsch: „37 Jahre nach der iranischen Revolution hisst er überall seine Fahnen, verbreitet seine Sitten und erobert die Herzen einer Mehrheit der Gläubigen.“ Dabei zerstörten die selbsternannten Gotteskrieger all das, was an der islamischen Zivilisation bewundernswert war. Eine politische Strömung, die nicht nur nach außen gegen Nichtmuslime oder liberale Muslime, sondern auch nach innen und vor allem gegenüber Frauen und Mädchen extrem repressiv ist.

Den Schleier als Fahne der Emanzipation der muslimischen Frau zu bezeichnen ist für Bruckner ein Irrweg auch des intersektionalen Feminismus. Mittlerweile sei daraus die Suche nach dem multiplen Opfer geworden, das man jetzt in der Kopftuch tragenden Muslimin entdeckt haben will, die „rassifizierten“ Stigmatisierungen ausgesetzt sei.

Wie also umgehen mit einem politischen Islam, der sich wild, tödlich, unberechenbar gebärdet? Vor allem: den liberalen Muslimen die Hand reichen, sie unterstützen, meint Bruckner. Und Aufklärung über die islamistischen Netzwerke, ihre Verflechtung mit „Wohltätigkeitsorganisationen“ und die Geldflüsse aus dem Ausland. All das bedürfe eines unbeirrbaren politischen Willens, der sich nicht von der juristischen Guerilla und den Attentaten einschüchtern lasse.

Damit dies kein frommer Wunsch bleibt, braucht es auch hierzulande eine kompromisslose Haltung gegenüber den Netzwerken des politischen Islams, vor allem auch eine selbstbewusste Verteidigung der eigenen Werte.

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29 Kommentare

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  • Bruckner hielt den Kriegsverbrechern Bush und Blair treu die Stange. Ein Abendlandser, dessen gepriesene westliche Werte eindrucksvoll in Abu Ghraib oder Guantanamo zu besichtigen waren. Impulsiv wehrt er den gesellschaftlich längst etablierten Begriff der Islamophobie ab - und bestätigt ihn damit umso mehr. Aufschlussreich: Zu seinen Kumpels gehört Le Pen-Sympathisant Alain Finkielkraut.

    • @Linksman:

      Gibt’s auch noch inhaltliche Argumente zu dem, was hier steht? Ist Abu Ghuraib ein Freifahrtsschein für einen Islamo-Faschismus?

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Grad bestellt. Da sag noch einer, die taz bewirke nix.

  • "Ein Weltbild bröckelt – die Linke und der Islamismus

    Nach den Morden in Frankreich wird darüber diskutiert, ob Teile der Linken den Islamismus verharmlosten. Die Frage ist jedoch nicht, ob sie das tun, sondern, warum."



    Lucien Scherrer, Anna Schneider

    www.nzz.ch/feuille...amismus-ld.1584248

  • taz: "Damit dies kein frommer Wunsch bleibt, braucht es auch hierzulande eine kompromisslose Haltung gegenüber den Netzwerken des politischen Islams, vor allem auch eine selbstbewusste Verteidigung der eigenen Werte."

    Bin ich hier tatsächlich noch in der taz? Nun ja, anscheinend hat die taz sich endlich mal mit 'Islam' und 'Islamismus' auseinandergesetzt. "Islamismus ist die Politisierung des Islams und steht für das Bestreben, eine islamische Ordnung zu etablieren. Aspekte der islamistischen Ideologie sind unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie die Verfassung in Deutschland garantiert." [Quelle: Landesamt für Verfassungsschutz BW]

    taz: "Nach dem Mord an Samuel Paty wird in Frankreich, auch in Deutschland, über Sympathie oder zumindest Schonhaltung in der Linken für die Bewegung des Islamismus diskutiert."

    Wenn aus Religion ein religiöser Fanatismus wird, der dann in religiösen Faschismus entartet, dann sollte jeder vernünftig denkende Mensch endlich mal die Notbremse ziehen - auch die Linken, die sich seit Jahren damit schwertun, wenn das Wort 'Islam' auftaucht.

  • Das grenzt ja fast an ein Erweckungserlebnis der Linken...

  • Ich bin an jedem sonnigen und warmen Tag in diesem Jahr mit einem T-Shirt durch unsere City gegangen auf dem stand:



    Der Hijab ist nicht Allahs Wille, mancher Muslim braucht ne Schweißerbrille.

    Allen denen eine Religion zu aufdringlich wird, können was tun. Sie müssen es aber auch nach außen zeigen.

    Solidarität von Links vermisse ich sehr.

    • @APO Pluto:

      schön, gut. kannte ich noch nicht!



      Ich kenne aber Linke, die berichten, dass sich mehrmals Leute (aus Syrien) auf ihre Aufkleber erfreut meldeten mit der Aufschrift "Kein Gott kein Staat kein Kaliphat"

  • "Der religiöse Faschismus"



    Hätte nicht für möglich gehalten, so eine Überschrift mal in der Taz zu lesen.



    Danke und Asche auf mein vorurteilsbeladenes Haupt.

  • Ein lohnenswertes Buch denke ich -



    und danke für die Vorstellung hier!

  • Scheuklappen ablegen, Mut zeigen, wissenschaftlich arbeiten und anfangen damit wie es kürzlich in einem Aufruf von der Imanin Seyran Ates, Prof. Dr. Ruud Koopmans, Abteilungsleiter am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität,



    Ahmad Mansour, Diplom-Psychologe und Autor, Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Islamwissenschaftlerin, Universität Bonn und Leuven, 2. Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der BpB, Prof. Dr. Susanne Schröter, Leiterin Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam



    Prof. Dr. jur. Kyrill-A. Schwarz, Universitätsprofessor Würzburg



    Ali Ertan Toprak, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland, gefordert wurde:

    1. Wissenschaftliche Grundlagenforschung zum politischen Islam, darunter eine Schulstudie über die Erfahrungen und Probleme von Lehrern mit islamistischen Einflüssen

    2. Die Einrichtung einer Dokumentationsstelle „Politischer Islam“ nach österreichischem Vorbild, in welcher die Strukturen, Strategien und Finanzierungen des Politischen Islams analysiert und offengelegt werden

    3. Die Errichtung von zehn Lehrstühlen zur Erforschung der Strukturen des politischen Islam in Deutschland

    4. Die Beendigung von Kooperationen und Vertragsbeziehungen staatlicher und politischer Institutionen mit Vertretern und Organisationen des politischen Islam

    5. Die Einrichtung eines Expertenkreises „Politischer Islam“ im Bundesinnenministerium, der auf Grundlage der Erkenntnisse von Wissenschaft und Verfassungsschutzämtern Empfehlungen im Kampf gegen den politischen Islam erarbeitet und der Bundesregierung regelmäßig berichtet.

    Und nicht wieder einschlafen bis die nächsten Menschen sterben müssen.

  • Ein sehr lesenswerter Artikel über Islamischen Lobbyismus findet sich hier:

    fowid.de/meldung/islamischer-lobbyismus

    Lang, aber wie immer bei Carsten Frerk, faktenreich.

    • @Toto Barig:

      Danke für den lesenswerten Hinweis!

  • dass Pascal Bruckner für den irak-krieg und für den krieg gegen serbien geworben hat verschweigt der artikel



    die leser*innen sollten sich dessen aber bewusst sein

    • @satgurupseudologos:

      Was hat das mit dem Artikel zu tun?



      Whataboutism vom Feinsten. Sie sind ein Musterbeispiel von dem Problem, dass dieser Artikel bzw. das Buch anspricht!

    • @satgurupseudologos:

      Hat das denn irgendetwas mit dem Inhalt seines Buches bzw. dieses Artikels zu tun?

    • @satgurupseudologos:

      Das stimmt. Dieser Artikel befasst sich mit den Ansichten von Herrn Bruckner und vor allem seinen Thesem in dem soeben erschienenen Buch. Es gibt sicher noch viel mehr zu sagen über ihn, aber es ist eben nur ein Artikel und keine Biografie. Dass so ein Artikel per se "verschweigt", was er nicht sagt, ist eine etwas böswillige Auslegung.

      An Ihrem Posting fällt jedenfalls auf, dass es sich mit dem, wovon der Artikel und Bruckners Essay handeln, rein garnicht befasst. Wenn einem der Inhalt einer Aussage nicht gefällt, ist die ausschließliche Attacke auf die Person des Aussagenden eher ein Zeichen von Schwäche.

    • @satgurupseudologos:

      Ja und? Soll das jetzt seine Thesen delegitimieren?

      • @charly_paganini:

        Hola. Wie kommse denn auf das schmale Brett. Mal davon ab - daß sojet Hiweis nun sicher keine These ist. Würde doch nie soetwas delegitimieren.



        Schon von berufswegen nicht - 😂 -

        Hatte lediglich - da ich auf die Schnelle nix finden konnte - wie üblich - eine eine Frage gestellt. Schlicht - weils mich interessiert. Newahr.



        Normal Schonn - 🤫 -

        kurz - ne Paganini ist noch keine Garantie für gekonntes Spiel.



        & btw entre nous only



        “Charly“ - hieß ich nie - 🥳 -



        (Selbst in Mbg/Lahn nicht. Gelle.;))

        • @Lowandorder:

          Uppsalatata - Asche auf mein Haupt.

          Dachte - Sie hätten mir geantwortet.



          Sorry. Ihr Einwand ist naturellement berechtigt - hab aber davon ab immer gern Feld&Umfeldinformation.



          Die gerade bei so einem öh öffentlichen Philosophen mehr als hilfreich sind.

  • Danke für Ihren Mut, Frau Kresta!

    Die deutsche identitäre Linke, die nicht in der Lage ist, auch nur ein kleines Zeichen der Solidarität an Frankreich zu senden: "French Lives Matter", geschweige denn Rückgrat zu zeigen und auf einer Demonstration aller Welt klar und sichtbar zu zeigen, daß ihnen das Grundrecht der Meinungsfreiheit eine Herzensangelegenheit, das sie verteidigen werden: -"Free Speech Matters" & "Enlightenment Matters" - eine deutsche Linke, die dazu nicht in der Lage ist - ist erbärmlich. Punkt.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Weber:

      Wer einen Satz wie " French Lives Matter " benutzt ,hat " Black Lives Matter " nicht verstanden.

  • Ich denke wir brauchen mehr Diskussionen über die Widersprüche und Unverträglichkeiten in den verschiedenen Weltsichten - und ab wann Gesellschaften dabei an ihre Grenze kommen.

    Der Artikel wird sicher nicht auf einhellige Zustimmung in der taz Redaktion stoßen. Es wäre interessant nicht nur eine Gegenposition, sondern mehr Einblicke in die sicher interessanten Diskussionen in der Breite zu bekommen.

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Hoffentlich wacht unsere Gesellschaft auf und nimmt den Kampf gegen die neuen/alten Feinde der Menschheit auf!

    Wo sind die Karikaturen in der dt. Presse!

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Wer ist überhaupt das 'wir' in 'uns'?

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Können Sie mir erklären was ein 'Feind der Menschheit' sein soll? Und wie solche Rhetorik auch nur irgendein Problem lösen soll?

  • "Vor allem: den liberalen Muslimen die Hand reichen, sie unterstützen." Genau das. Es ist das gemeinsame Ziel der Islamisten und der Islamhasser, den Islam mit dem Islamismus gleichzusetzen. Da muss man gemeinsam klare Kante zeigen. Das erwarte ich dann auch von dem Moslems.

    • @Wondraschek:

      Das erwartest du, das geschieht aber kaum.



      Wenn ich an die rechtsradikalen Brandanschläge von Mölln und Solingen denke und es damals Aufrufe gab, 'gegen rechts' zu demonstrieren, damals beteiligten sich Millionen Menschen an den Demonstrationen. Darunter waren nicht wenige, die bekannten, dass dies ihre erste Demonstration sei. Unpolitische Menschen also, die dennoch den Schritt auf die Straße schafften.

      So ein öffentliches Bekenntnis würde ich mir auch von den vielen Muslimen wünschen, vor allem von ihren Imamen, den religiösen Vorstehern. Doch leider, den Wunsch habe ich mindestens schon seit 8 Jahren und es geschieht fast nichts.