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Tarifabschluss im öffentlichen DienstBoni und Leid

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Gut so: Beschäftigte in der Pflege erhalten Zulagen. Allerdings sind die Angestellten von Bund und Kommunen diejenigen, die für die Krise bezahlen.

Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter präsentieren den Vertrag Foto: dpa/Christoph Soeder

D ie zweite Coronawelle wird hart genug. Gut, dass jetzt nicht noch ein endloser Tarifkonflikt obendrauf kommt. Ganz ohne Schuldzuweisung an die Gewerkschaften: Auf Streiks mit geschlossenen Kitas, Ausfall von Krankenhausterminen und überquellenden Mülltonnen können wir in den nächsten Wochen alle gut verzichten.

Dass sich Verdi und Co am Sonntag mit Bund und Kommunen auf einen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst einigen konnten, ist aber auch für die Gewerkschaften und deren Mitglieder eine gute Nachricht. Ihre Verhandlungsposition war nicht optimal und hätte sich in den nächsten Tagen weiter verschlechtert.

Die Pandemie hat die öffentlichen Kassen geleert und die öffentliche Meinung gegen Arbeitskämpfe gedreht. Im Worst Case wird sie auch noch dafür sorgen, dass öffentliche Einrichtungen noch mal über Wochen dicht bleiben. Bestreiken könnte man sie dann eh nicht mehr. Unter diesen Bedingungen kann sich der Tarifvertrag sehen lassen.

Es ist eine komplexe Einigung. Die Erfolge der Gewerkschaften stecken in den Details. Dazu gehören die Zulagen für Beschäftigte in der Pflege und der Intensivmedizin. Sie spiegeln die Anerkennung wider, die diese Berufsgruppe in der Coronakrise gewonnen hat – und könnten gleichzeitig der Personalnot in den Kliniken abhelfen. Dass die Arbeitszeit im Osten in den nächsten Jahren an die im Westen angeglichen wird, ist auch ein Fortschritt. Dass das Gehalt für Schlechtverdiener*innen prozentual am stärksten steigt, ist in puncto Verteilungsgerechtigkeit ebenfalls erfreulich.

Für das Gros der Beschäftigten bleibt die Einigung trotzdem weit hinter den ursprünglichen Forderungen. 4,8 Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres wollte Verdi erreichen, nur 3,2 Prozent über die nächsten 28 Monate sind es für manche Gehaltsgruppen am Ende geworden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurde ein neuer Tarifvertrag für die Angestellten der Bundesländer geschlossen. Sie schnitten deutlich besser ab als jetzt der Großteil ihrer Kolleg*innen in Bund und Kommunen. Über eine ähnliche Vertragslaufzeit bekommen sie 8 Prozent mehr Gehalt.

Weniger Lohnplus durch Corona

Wäre Corona nicht dazwischengekommen, hätten die Arbeitnehmer*innen jetzt womöglich einen ähnlichen Erfolg feiern können – auch diejenigen, die keine erhöhte Zulage wie in der Pflege erhalten werden. Kurzfristig gehören sie jetzt also zu denen, die für die Krisen bezahlen.

Und langfristig? 2023 steht die nächste Tarifrunde an. Aus welcher Verhandlungsposition die Gewerkschaften dann starten, hängt zum einen vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, zum anderen aber auch von finanzpolitischen Entscheidungen. Je schneller die neue Bundesregierung zur schwarzen Null zurückkehrt und je schneller sie die ­coronabedingte Schulden tilgen möchte, desto weniger Spielraum bleibt für höhere Gehälter.

Wer will, dass systemrelevante Arbeit in Zukunft endlich angemessen bezahlt wird, kann dazu also nächstes Jahr im September seinen ganz konkreten Beitrag leisten: an der Wahlurne.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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19 Kommentare

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  • Hui jui jui. .. als Sparkassler, muss ich sagen dass es natürlich eine schwierige Zeit ist aber eine Tarifverhandlung bei der z.B bei mir in Vollzeit arbeitend im gesamten Jahr 2021 (durch diverse Regelungen) insgesamt 87,11 EUR Brutto mehr raus kommt, da fällt es mir schon schwer den Erfolg zu erkennen. In Anbetracht der Kollateralschäden eines Streiks für die Wirtschaft wäre es vielleicht einfacher und ehrlicher gewesen gleich 0% zu vereinbaren. Entweder hatten die Arbeitgeber ordentliches Erpressungspotenzial oder Verdi hat die Sparkassler für die anderen Berufsgruppen über die Klinge springen lassen. Okay, das kann man machen, aber sich jetzt dafür selbst zu feiern ist schon dreist. Und bevor jetzt einer anfängt. Nein Sparkassler werden nicht mit Steuergeldern bezahlt. Und nein die Sparkassen machen sich mit Kontoführungsgebühren von 8EUR im Monat nicht die Taschen voll.

  • Das Ende von Verdi naht. Sie haben ihre Mitglieder an die Politik verkauft! Hoffe die Bundesversammlung lehnt noch ab und schickt Werneke in die Wüste....Ohne Wasser.

    • @Ludwig Lang:

      Populistischer Unfug. Der Abschluss ist keine Sensation, das ist wahr. Aber man sollte schon zur Kenntnis nehmen, dass die Tarifrunde unter erschwerten Bedingungen und unter erheblichem medialem/öffentlichem Druck stattgefunden hat.

  • Erschreckend, wie positiv insbesondere die ÖR diesen Tarifabschluss feiern. Der ist eine einzige Missachtung der Leistungen der Menschen in den Gesundheits- und Pflegediensten oder Kitas. Auch dann, wenn die vielen unterbezahlten Hilfskräfte etwas besser davonkommen.

    Die Propaganda gegen Streikende hat noch einmal deutlich gemacht, dass Politik, einige Gewerkschaften und viele Medien Hand in Hand gegen die Interessen der Menschen agieren.

  • 9G
    97075 (Profil gelöscht)

    Das war im April /Mai schon klar, dass die Beteuerungen, jetzt endlich mal die "systemrelevanten Berufe" besser ( eigentlich nur angemessen) zu entlohnen mit Verweis auf die darbende Wirtschaft und Kosten hier und da, und.. und... reine Sonntagsreden und Lippenbekenntnisse sein würden.



    Das Ergebnis der Verhandlungen gleicht gerade mal die Inflation aus.



    Aber jetzt wird es wieder früher dunkel. Da gibt es wieder super Bilder mit Kerzen und klatschen am Balkon wenn wir Idioten zu Hochrisikiobehandlungen in die Klinik gehen.

  • Mir ist schon klar, dass ein Journalist, wenn überhaupt, in der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union unter dem Dach von ver.di organisiert ist und sein Herz entsprechend für diese Gewerkschaft schlägt. Dies darf aber seine Reportagen nicht beeinflussen; das verstößt gegen den Pressekodex. Entsprechend heißt die andere Gewerkschaft, die am Verhandlungstisch saß, nicht "und Co" ("...Dass sich Verdi und Co am Sonntag mit Bund und Kommunen..."), sondern "dbb beamtenbund und tarifunion" mit seiner Fachgewerkschaft komba. Die komba ist die einzige deutsche Fachgewerkschaft für Beamt*innen und Beschäftigte der Kommunen, ihrer privatisierten Dienstleistungsunternehmen und der entsprechend im Landesdienst Tätigen. Ist doch nicht so schwer.

  • Warum stellt sich die TAZ nicht an die Seite des Pflegepersonals? Langfristig ist von der Bundesbank eine Inflationsrate von knapp unter 2 % angestrebt. Jeder Tarifabschluss darunter bringt den Beschäftigten nichts. Im Gegensatz zur Meinung des Autors wird dieser Tarifabschluss auch niemanden zusätzlich zu einem Beruf im öffentlichen Dienst bewegen.



    Es ist Sache des Gesetzgebers für volle Kassen zu sorgen. Dazu müssen die notwendigen Steuern von den finanziell besser Gestellten eingetrieben werden. Solange unsere gewählten Vertreter in Politik und Gewerkschaft sich mehr für die Wohlhabenden als für die Bedürftigen einsetzen, wird sich wohl nichts ändern.

  • Hmm ich lese hier im Artikel fast nur das Thema der Bezahlung. Aber es wird garnicht auf das Thema der Arbeitszeit eingegangen? Weil was bringen tolle Tariferhöhungen, wenn man dank Loopholes in Gesetzen bis zu 12 hintereinander sehr lange Schichten schieben muss?

  • Prozentrechnung ist schwer.



    1,4% plus 1,8 % ein Jahr später sind auf 28 Monate gerechnet nicht 3,2%.

    im Schnitt eher 2,44%.



    Gibt es keine Mathematiker in den Redaktionen?

  • Ein paar Gedanken dazu ...



    * Nur 1,3 Prozent statt 4,8 Prozent pro Jahr. Auf die jetzige ausgehandelte Laufzeit Jahren von 2,5 Jahren gerechnet beträgt die Differenz zur ursprünglichen Forderung also 8,5 Prozent.



    * Die Angabe von Vergleichszahlen bzw. Durchschnittseinkommen sowie Beispielgehälter nach dieser Neuaushandlung wären interessant, um das Ergebnis einordnen zu können.



    * Kann der ausgehandelte Tarif ein Anreiz für Leute darstellen, eine Arbeitsstelle in Kitas und Krankenhäusern aufzunehmen? Wie wollen Träger so dem Personalmangel begegnen?



    * Wieviele Millionen erhielten bspw. die BMW-Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt eigentlich so die letzten Jahre ...

    • @Uranus:

      Was haben sie bmw tantiemen damit zu tun?

      • @Kenni303:

        Hab ich auch gedacht.

        Die beiden dienen aber glaube ich "nur" der Aufwiegelung der Leser.

        • @Kriebs:

          "Aufwiegelung der Leser*innen"? :-D



          Die Nennung der enormen Dividendenausschüttungen ist ein symbolischer Verweis auf das andere Ende der Einkommensskala und damit auf die ungleiche Verteilung in der Gesellschaft. 1,6 Milliarden (!) wurden bei BMW an Dividenden zusammen ausgeschüttet, 2020, in Zeiten der Pandemie und Belastungen durch die Maßnahmen. Davon erhielten Stefan Quandt 425 Millionen Euro und seine Schwester Susanne Klatten 344 Millionen Euro. ]1] Das beispielhaft mal in verglichen mit den Tarifabschlüssen und vielen anderen niedrigen Löhnen ...



          [1] www.merkur.de/poli...t-zr-13764054.html

          • @Uranus:

            *Das beispielhaft mal vergleichen mit ...