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Linkspartei bricht in NRW einSozial, öko oder beides zusammen

Die Linke sucht nach den Kommunalwahlen in NRW nach einem Profil als Partei für Klimagerechtigkeit. Denn bei jungen Wähler:innen kam sie kaum an.

Nur 3,8 Prozent der WählerInnen in NRW haben sich davon locken lassen Foto: Rene Traut/imago

Berlin taz | Schlechtes Klima in der Linkspartei: Nach dem mauen Abschneiden bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen steht das Thema in der Partei erneut auf der Tagesordnung. „Wir machen beim Thema Klimagerechtigkeit zu wenig“, sagt die Landessprecherin Inge Höger der taz. „Es gibt immer wieder Genoss:innen, die sagen, wir müssen uns auf die soziale Frage konzentrieren.“ Dabei sei beides wichtig, so Höger: Der Kampf gegen den Klimawandel und soziale Gerechtigkeit. Sie erwarte beim Landesparteitag am nächsten Wochenende harte Diskussionen.

Die Themen Umwelt, Klima und Verkehr waren die bestimmenden bei den NRW-Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende. Für die Linkspartei gingen diese enttäuschend aus. Bei Stammwähler:innen hatte die Partei verloren und bei jungen Wähler:innen kaum gepunktet. Nur 6 Prozent der 16 bis 24-jährigen gaben der Partei ihre Stimme, die Grünen heimsten dagegen jede dritte Stimme der U24-Wähler:innen ein.

Mit insgesamt 3,8 Prozent blieb die Linkspartei fast einen Prozentpunkt unter den Ergebnissen von 2014 und hat die Fünf-Prozent-Hürde anders als bei der Landtagswahl 2017 nicht nur knapp verfehlt.

Ein Grund für das miese Abschneiden, auf den Jules El-Khatib vom Landesvorstand verweist, ist die spärliche Verankerung vor Ort. Lediglich 8.700 von 18 Millionen Einwohner:innen NRWs sind Mitglieder der Linken. „Wir müssen uns jetzt um den Parteiaufbau in der Fläche kümmern“, schlussfolgert El-Khatib. Doch auch er erwartet Diskussionen über das Profil der Partei und die Frage, wie man Klima und soziale Gerechtigkeit stärker zusammenbringen könne.

Mit Gerhard Schröder fürs Klima?

Denn auch in den Uni-Städten, wo die Linkspartei traditionell besser abschneidet, stagnierten die Ergebnisse im besten Fall. In Essen, wo Daniel Kerekes für die Linke als Bürgermeisterkandidat antrat, verlor die Linke im Vergleich zu 2014 sogar über 2.000 Wählerinnen und erreichte nur 3,9 Prozent. Der 33-Jährige hatte im Wahlkampf eigentlich ein gutes Gefühl gehabt, die 400 Mitglieder des Kreisverbandes hätten sich richtig reingehängt. Leider habe es beim ausschlaggebenden Thema Klimagerechtigkeit auch ein paar Irrlichter in der Partei gegeben, sagt er.

Kerekes verweist auch auf die Bundestagsfraktion. Die müsse sich stärker um das Thema Klimagerechtigkeit kümmern und vor allem mit einer Stimme sprechen. „Was sollen die Leute schon davon halten, wenn Klaus Ernst zu Nordstream 2 Gerhard Schröder in den Wirtschaftsausschuss einlädt.“ Der Ex-Bundeskanzler ist der deutsche Lobbyist für die Gaspipeline und Präsident des Verwaltungsrats.

Auch in der Bundestagsfraktion lieferten sich Abgeordnete und Mitarbeiter am Tag nach der Wahl einen Schlagabtausch über die Ursachen des Wahldebakels. „Auf Bundesebene geben wir ehrlich gesagt (nicht nur gerade) ein wenig konsistentes Bild ab, um es vorsichtig zu sagen“, schreibt der Klimaexperte der Fraktion Lorenz Gösta Beutin auf Twitter. „Im Gespräch mit Klimabewegung bekomme ich häufig Antwort: Ja, Ihr habt gute Inhalte, die von einigen auch vertreten werden.“

Die Linke müsse ihre Hausaufgaben machen und die Themen Klima und Soziales besser zusammenbinden, meint der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. In seinem Wahlkreis, der ehemaligen Zechenstadt Oberhausen im Ruhrgebiet, verlor die Linke sogar fast drei Prozentpunkte. „Wenn wir Klima und soziale Gerechtigkeit gegeneinander stellen verlieren wir.“

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger bescheinigt seiner Partei vor allem ein Imageproblem. Die Linke müsse deutlicher machen, „dass wir bei Verkehr und Klima kompetent sind.“ Er selbst bemühte sich auch am Montagabend wieder darum. In der taz diskutierte er mit Luisa Neubauer von Fridays for Future über einen linken Green New Deal.

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17 Kommentare

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  • NRW hat 17 Mio. Einwohner, 14 Mio. Wahlberechtigte! Wer App kann, sollte auch Zahlen können.

    • Anna Lehmann , Autorin des Artikels, Leiterin Parlamentsbüro
      @AbendRot:

      Völlig korrekt. Habe ich korrigieren lassen. Keine Ahnung, warum 10 Mio verschwunden sind.

  • Zerstritten aus Tradition

    Es gibt bei der Linken stets zuviel Leute,



    die immer so gerne mit dem Schwert durch die eigenen Reihen gehen.



    Das hat lange Tradion...



    Wer ist der linkeste Vogel im Land?

  • Wenn alle vom Klima reden, profitieren nun mal die Grünen und nicht die Linkspartei. Die Linkspartei ist bisher nicht als Umweltpartei aufgefallen, sondern als Partei der sozialen Gerechtigkeit. Wenn die Linkspartei jetzt den Klimawandel zu ihrem Hauptthema macht, dann sieht das für die Wählerschaft, die zumeist keine langen Parteiprogramme liest, so aus, als wolle die Linkspartei jetzt auch noch auf den Zug aufspringen und das Modethema "Klima" besetzen. Dann wählen die Leute lieber gleich das (vermeintliche) Original. Wer von seiner Klassenlage her zur potentiellen Wählerschaft der Linkspartei gehört, und das sind viele, hat meist andere Sorgen als den voraussichtlichen Stand des Meeresspiegels im Jahre 2050.

  • In diesem Beitrag zähle ich auf die Schnelle 12 mal das Wort "Linke" und 14 mal das Wort "Klima"? Da fragt man sich schon ob die Linke eigentlich noch andere Inhalte hat, aber eigentlich nicht mehr, ob der Autorin noch andere Rezepte für ein Comeback der Linkspartei einfallen. Scheinbar nicht.



    Wieso eigentlich wird hier ein Ergebnis von Kommunalwahlen in NRW zum Anlass genommen, der Linken die sogenannte Klimagerechtigkeit als Allheilmittel zu verkaufen? Die Grünen mögen ja Defizite haben wenn es darum geht Klimapolitik sozialverträglich zu gestalten, nur wird die Linke alleine mit diesem Thema nur noch bedeutungsloser. Eine Kommunalwahl in einem Westland ist aber ohnehin kein Beleg für irgendetwas und die sogenannte Klimagerechtigkeit wäre ansonsten allenfalls dann ausschlaggebend, wenn man ehrlich davon sprechen würde, dass und wie man das Autofahren und Heizen für Ärmere weiterhin gut bezahlbar halten will. Klimagerechtigkeit ist nur ein Wort, ein fragwürdiger Tarnbegriff und vor allem ein Begriff der benutzt wird um die Funktion und Stellung der Linken in einer erträumten grün- rot- roten Koalition zu definieren. Indem der Begriff aber so durchschaubar von den Protagonisten einer solchen Koalition in Stellung gebracht wird, wird er gleichzeitig schon wieder entwertet und diskreditiert. Dergleichen ist nicht genug und nicht glaubwürdig genug.

  • Die Linke könnte vermutlich gut punkten, wenn sie bei der Kombination soziale Gerechtigkeit/Umweltschutz/Verkehr/Gleichberechtigung konzeptionell die Fehler weg lässt, die die Grünen und SPD so machen, um dafür überzeugende Szenarien zu präsentieren.



    Neben Die PARTEI ist eigentlich nur noch die Linke halbwegs überzeugend in Sachen weniger Lobbyismus und mehr soziale Gerechtigkeit. Daraus muss doch was zu machen sein.

  • "Dabei sei beides wichtig, so Höger: Der Kampf gegen den Klimawandel und soziale Gerechtigkeit." Ich werde Höger keinesfalls beim Kampf gegen soziale Gerechtigkeit unterstützen.

  • Das Mobbing gegen Sahra Wagenknecht hat sich also als böser Bumerang erwiesen.



    Klassisch linke Essentials sind immer noch Brot-und-Butter-Themen. Ökoliberaler Lifestyle kann als Beiwerk ergänzend wirken, darf die Essentials aber nicht ersetzen.



    Wahrscheinlich muss es aber für die Linke in genau einem Jahr erst noch schlimmer werden, bevor es - mit deutlicher Programmkorrektur - besser werden kann.

  • Die Linken haben es geschafft ihr Zugpferd Wagenknecht zu schassen und dann tritt noch die andere Seite zurück. Was erwarten die Linken? Im Westen wird das so überhaupt nichts...

  • wenn wenieger fleisch konsumiert werden soll bleibt für die unterste gruppe nichts mehr übrig.der gemeine grünen wähler stört sich nicht am handgestreichelten ökosteak für 50€ +.lässt sich auf jeden beliebigen bereich übertragen kreuzfahrten flüge autos......... die wohlhabenden werden wohl kaum abstriche haben eher den luxus das es nicht mehr so voll ist wenn der pöpel weg ist.......

    • @Sinulog:

      Leider vermischen Leute wie Sie immer 2 oder Mehr Probleme. Umwelt, Nachhaltige Produktion, etc... könnte sich jeder leisten würden in diesem Land faire Löhne bezahlt werden. Jeder könne sich sein Ökosteak am Wochenende auf den Grill werfen.

      Zu sagen wir müssen den Planten gegen die Wand fahren das die Reichen reicher werden ohne das die Arbeitssklaven den Aufstand proben... ist einfach nur zynisch - und die Bankrotterklärung der Politik und unseres Gesellschaftsystems

  • Daniel Kerekes (Die Linke): "Was sollen die Leute schon davon halten, wenn Klaus Ernst zu Nordstream 2 Gerhard Schröder in den Wirtschaftsausschuss einlädt. Der Ex-Bundeskanzler ist der deutsche Lobbyist für die Gaspipeline und Präsident des Verwaltungsrats."

    Die Linke lädt also den "Hartz-IV-Kanzler" ein. Gerhard Schröder (SPD) ist der Mann, der aus Deutschland das Niedriglohnland Nummer 1 gemacht hat, damit Deutschland Exportweltmeister in Europa werden konnte, und Schröder ist seit 2006 Aufsichtsratsvorsitzender des Pipeline-Konsortiums NEGP-Company, später bekannt als Nordstream AG (Teil von Gazprom). Gerhard Schröder (SPD), die Bertelsmann-Stiftung und Peter Hartz haben sich damals die Hartz Reformen ausgedacht und jetzt wird Putins oberster Gasableser von Klaus Ernst (Die Linke) eingeladen?

    Vor ein paar Tagen ist übrigens Inge Hannemann - Deutschlands bekannteste Hartz-IV-Kritikerin - aus der Linkspartei ausgetreten, weil 5 Millionen Hartz IV Empfänger für 'Die Linke' wohl nicht mehr so wichtig sind. Merkt 'Die Linke' eigentlich gar nicht wie verrückt sich das alles für Linkswähler anhört, wenn man Inge Hannemann einfach so aus der Partei gehen lässt, man aber mit Gerhard Schröder bei einer Tasse Kaffee über Wirtschaft plaudert, obwohl das ausufernde Wirtschaftswachstum doch verantwortlich für den Klimawandel ist?

    Wenn 'Die Linke' bei jungen Wähler:innen mit den Themen Klima und Soziales punkten will, dann sollte sie Luisa Neubauer von Fridays for Future einladen, aber keinen alten Ex-SPD-Kanzler, der 2005 auf dem World Economic Forum in Davos sagte "Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." und heute Lobbyist für die Gaspipeline und Präsident des Verwaltungsrats ist.

    • @Ricky-13:

      Was Sie in Bezug auf die Einladung Schröders durch Klaus Ernst sagen, stimmt zwar alles, aber daran lag´s bestimmt nicht. Die Anzahl der Wahlberechtigten, die wissen, wen die Linksfraktion in den Wirtschaftsausschuss eingeladen hat, dürfte ebenso überschaubar sein wie die Anzahl der Personen außerhalb der Partei, die sich für sowas interessieren.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Sehr gut 👍

  • Ich weiß nicht, ob es so erfolgversprechend ist, wenn alle linke Parteien Deutschlands um die gleiche Klientel buhlen. Öko-Linksliberal-offene-Grenzen-Gendersternchen-etc ist eine legitime Position, damit schnappen sich Die Linke, Grüne und eine linkere SPD dann einfach gegenseitig die Stimmen weg.