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Antikörper-Studie des RKI zu CoronaHohe Dunkelziffer bei Infektionen

Am Corona-Hotspot Kupferzell bildeten 8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Abwehrstoffe gegen das Virus. Für eine Herdenimmunität sind mehr nötig.

Die Legende der Herdenimmunität: Nur wenige Infizierte bilden Antikörper Foto: Marijan Murat/Pool/reuters

Berlin taz | Die kleine Gemeinde Kupferzell in Baden-Württemberg hatte im März in Folge zahlreicher Ansteckungen nach einem Kirchenkonzert Schlagzeilen als sogenannter „Corona-Hotspot“ gemacht. Forscher des Robert-Koch-Instituts (RKI) konnten nun durch Untersuchungen des Bluts einer repräsentativen Stichprobe der dortigen Bevölkerung zeigen: Knapp 8 Prozent der Erwachsenen bildeten Antikörper, also Abwehrstoffe gegen das Virus.

Doch selbst ein solcher im Bundesvergleich relativ hoher Wert reiche nicht aus, um eine befürchtete „zweite Welle“ an Infektionen zu verhindern, sagte der Vizepräsident des RKI, Lars Schade, am Freitag bei der Vorstellung von Teilergebnissen einer breit angelegten, bundesweiten Antikörper-Studie.

Dieses „Corona Monitoring lokal“ führt das RKI derzeit in vier verschiedenen Gemeinden Deutschlands durch, in denen es im Frühjahr jeweils größere Corona-Ausbrüche gegeben hatte. Für eine sogenannte Herdenimmunität, die die Bevölkerung vor der Infektion schütze, seien Werte zwischen 60 und 70 Prozent erforderlich.

In Kupferzell zeigte sich zudem, dass bald jeder sechste positiv Getestete (16,8 Prozent) gar keine typischen Krankheitssymptome zeigte. Viele machten die Infektion also unerkannt durch und erfuhren erst durch den Antikörpertest, dass sie sich in der Vergangenheit offenbar infiziert haben mussten.

83,2 Prozent litten an mindestens einem Symptom

Dies seien deutlich weniger Menschen, als in der Bevölkerung vielfach angenommen werde, sagte Schaade. Die übrigen 83,2 Prozent der Infizierten litten nach Angaben des RKI unter mindestens einem der Symptome Fieber, Atemnot, Lungenentzündung, Schnupfen, Husten, Schmerzen beim Atmen, Halsschmerzen, Geruchs- oder Geschmacksstörungen.

Zugleich ermittelten die Wissenschaftler in der 6.000-Einwohner-Gemeinde eine hohe Dunkelziffer bislang nicht erfasster Infektionen. Den Antikörpertests zufolge gab es fast viermal so viele Infizierte wie bislang bekannt gewesen war.

Im Verlauf der Studie, die zwischen dem 20. Mai und dem 9. Juni an 2.203 erwachsenen Testpersonen durchgeführt wurde, also mehr als zwei Monate nach dem Ausbruch Anfang März, wurden in Kupferzell keine akuten Infektionen festgestellt. Dies zeige, dass die Gesundheitsämter wirksame Arbeit geleistet hätten, lobte Schaade. Trotz einer zunächst hohen Infektionszahl sei es gelungen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Auch während des Ausbruchs im März sei immer nur ein Teil der Bevölkerung infiziert gewesen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Variante des Textes stand im Vorspann, dass 8 Prozent der Infizierten Antikörper entwickelten. Das war falsch. Richtig ist, wie es immer im Text stand: 8 Prozent der Bevölkerung in der Stichprobe entwickelten Antikörper. Wir entschuldigen uns für den Fehler bei den LeserInnen und der Autorin.

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11 Kommentare

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  • Die IGG-Globoli = Antikörper sind gut erforscht und sind ziemliche Kavenzfrauen, die im Blut gut zentrifugierbar sind. Habe ich erhalten gegen Tropenkrankheiten, leider damals mit Aids vermischt (nicht erkrankt). Also, eine Nachweismöglichkeit für Covid, weil gut erforscht. Immer erst, wenn die Krankheit in der Regel längst überstanden ist, also akademisches Interesse. Wenn positiv, ist man wahrscheinlich immun. Mit ca 8% kann man statistisch sehr wohl etwas anfangen.



    Nach wie vor ist die Selbstbeobachtung das schnellste Nachweisverfahren. Schnell, aber in der Regel auch zu spät, dann ist man, meist unbemerkt, wieder gesund und hat nichts bemerkt.Trotzdem, Nachdenken bringt viel!

  • Ich selbst habe 1985 eine Antikörperimpfung aus einer HIV-verseuchten Charge erhalten, die von der Gesundheitsministerin Rita Süßmuth persönlich freigegeben wurde. In diesem Zusammenhang kam es zum Sturz von Frau Süßmuth, auf Betreiben von Horst Seehofer. Wir bangten jahrelang, ob auch bei uns die Krankheit ausbrach. Das geschah nicht und es ist nicht so, dass die Gammagloboline alleine die Gesundheitspolizei darstellen. Bei Covid19 wird es genau so sein. Dass nicht mehr sterben, liegt daran, dass der Körper nicht alleine auf die gesuchten Gammaglobuline = Antikörper angewiesen ist.



    Also, das Vorhandensein Covid19-spezifischer Antikörper ist schon ein sehr starker Hinweis darauf, dass man immun ist. Deren Studium kann den Weg zu einem effektiven Impfmittel ebnen, mehr nicht.

  • Schon wieder dieses unqualifizierte 'Herdenimmunitäts' Geschwafel.

    Da werden Tests angewandt ohne zu brücksichtigen, wie hoch der Anteil der Kreuzreaktiven ist. Denn diese Antikörpertests sind mitunter nicht sonderlich spezifisch. Vielleicht waren von den 7,7% schlichtweg 6% mal erkältet?

    Weiterhin liegen genug Belege vor, daß es keine ausreichende, langanhaltende Immunität gibt.

    Jedenfalls ist die Anwesenheit von Antikörpern kein Beleg für irgendeine Immunität. Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, bei denen sogar lebenslang Antikörper nachweisbar sind, aber keine Immunität besteht! Bei Corona ist sogar bekannt, daß die Antikörper relativ schnell wieder verschwinden.

    Dabei dann von einer 'schützenden Herdenimmunität' zu träumen, ist schlichtweg unwissenschaftlich.

    Diese Herren verwechseln schlichtweg Immunität mit Selektion.



    Wir z.B. sind Nachfahren der Pest-Überlebenden und deshalb auf Grund genetischer Anpassungen möglicherweise weniger empfindlich.

    Kommentar bearbeitet. Bitte bleiben Sie sachlich.



    Die Moderation

  • "Knapp 8 Prozent der Erwachsenen, die sich nachweislich mit dem Virus infiziert hatten, bildeten Antikörper,"



    Das wäre furchtbar! Sind aber 100%, sonst würde niemand die Krankheit überleben..

  • Wie wird die Immunabwehr durch Lymphozyten festgestellt? Wird sie das überhaupt? Antikörper sind doch nur ein Teil des Ganzen, oder?

  • Kann mir das mal bitte jemand erklären:



    ... Kupferzell bildeten 8 Prozent der Infizierten Abwehrstoffe gegen das Virus...

    Wenn doch der Test auf den Antikörpern beruht (wie es oben steht) - wie kann man dann festellten dass jemand infiziert ist ohne die Antikörper?

  • Wenn nur 8% aller Infizierten Antikörper bilden, wie soll dann eine Impfung funktionieren?

    • @mowgli:

      Tja, aktueller Stand der Forschung ist, es gibt deutlich mehr Fragen, als Antworten.



      Keine nachweisbaren Antikörper zu haben, heißt auch nicht unbedingt, nicht immun zu sein.



      Ich weiß auch von Leuten, die waren beim Abstrichtest eindeutig positiv, haben aber jetzt keine Antikörper.



      Kann am Test liegen, muss aber auch nicht.



      Könnte auch sein, es hat mit einem leichten Krankheitsverlauf zu tun.

    • @mowgli:

      Die im Text verlinkte Zusammenfassung des RKI spricht von 7,7% der KupferzellerInnen. Nicht von 7,7% der bereits positiv getesteten.

      • @Helmut Fuchs:

        Und was ist an den Kupferzellern so besonders, dass sie nicht als allgemeingültiges Beispiel herangezogen werden können?

      • @Helmut Fuchs:

        Und statt der "8%" hatte da EHER "71,8%" stehen sollen, denn:

        "Antikörper: Bei 28,2 Prozent der Erwachsenen mit positiven SARS-CoV-2-Test (Eigenangaben im Fragebogen) konnten keine Antikörper nachgewiesen werden;"

        Aber auch das ist noch keine exakte Zahle, denn:

        "... dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass keine Immunität besteht."

        ups?

        (selber klicken hilft :) ).