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Gericht kippt ParitätsgesetzQuotenregel in Thüringen ungültig

Die Landeslisten der Parteien sollten in Thüringen künftig zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Doch der Verfassungsgerichthof kippt das Gesetz.

Bleibt bis auf weiteres unquotiert: der Landtag in Thüringen Foto: Martin Schutt/dpa

Weimar dpa | Parteien müssen in Thüringen ihre Kandidatenlisten für Landtagswahlen nicht abwechselnd mit Männern und Frauen besetzen. Das hat der Verfassungsgerichtshof in Weimar am Mittwoch entschieden und eine sogenannte Paritätsregelung im Landeswahlgesetz gekippt. Damit war eine Klage der AfD erfolgreich. Die Entscheidung könnte eine Signalwirkung auf eine ähnliche Regelung in Brandenburg entfalten, wo das Verfassungsgericht im August über das dort beschlossene Paritätsgesetz entscheidet.

Die Freiheit der Wahl verlange, dass Wahlen nicht durch Zwang und Druck des Staates durchgeführt würden, sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Stefan Kaufmann, zur Begründung

Der Thüringer Landtag hatte die Quotierung der Landeslisten im vergangenen Jahr mit den Stimmen von Linke, SPD und Grünen beschlossen. Ziel der Gesetzesnovelle war es, den Anteil von Frauen im Parlament perspektivisch zu erhöhen. Auch in anderen Bundesländern fordern Politiker solche Regelungen.

Als erstes Bundesland hatte Brandenburg noch vor Thüringen im Januar 2019 ein Paritätsgesetz auf den Weg gebracht. In beiden Fällen gab es von Anfang an verfassungsrechtliche Bedenken.

In Thüringen argumentierte die AfD, dass durch die festgeschriebene Quotierung das Recht der Parteien beschränkt werde, selbst zu bestimmen, welche Kandidaten sie für die Landtagswahlen aufstellen.

In den deutschen Länderparlamenten sind teils deutlich mehr Männer als Frauen vertreten. Spitzenreiter in Sachen Parität ist Hamburg, wo 43,9 Prozent der Abgeordneten Frauen sind, wie eine Übersicht der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg zeigt. In Sachsen-Anhalt – dem Schlusslicht – sind dagegen nur 21,8 Prozent der Abgeordneten weiblich.

Auf Bundesebene hatten Frauenministerin Franziska Giffey und die damalige Justizministerin Katarina Barley (beide SPD) im vergangenen Jahr dafür geworben, eine stärkere Vertretung von Frauen im Bundestag durchzusetzen. In Frankreich gibt es bereits seit dem Jahr 2000 ein Parité-Gesetz.

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18 Kommentare

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  • Wir sind leider ned Island wo 1975 90% der Frauen mal eben einen Generalstreik mitgetragen haben. Hier gibts 45 Jahre später bis weit in vermeinlich progressive Kreise ein gerade auch von Frauen unterstütztes Weltbild, welches ned weit entfernt von dem von Frau KK ist.



    Ich bin mittlerweile auch für ne Quote, die mensch ins GG und die Landesverfassungen meißeln muß ( 40/60 egal in welche Richtung, siehe Island). "Freiwillig" werden sich bei SPDCDUFDPAfD die auch mal jung seienden alten weißen Männer ned dafür einsetzen, so richtig was an der Gesamtsituation zu ändern (falls eine*r die SPD in der Buchstabenreihe deplatziert sieht; im Zweifelsfall sind die gendertechnisch genauso reaktionär wie der Rest).



    In Diskussionen in meinem realen sozialen Umfeld schüttel ich desöfteren auch mal den Kopf, wenn ich GEGEN Frauen mit einem dann doch verschobenen Selbstbild ihrer selbst (bin ja soo fortschrittlich blabla, aber der Herd und der Putzeimer gehören mir) FÜR die Qute argumentiere.

  • Der Höcke ist doch ein Fuchs! Erst provoziert er mit einem enorm niedrigen Frauenanteil ein solches Gesetz und dann klagt er erfolgreich dagegen. Mehr parlamentarische Teilhabe geht nicht. Blutige Nasen für RRG und ein Bärendienst für die Demokratie. Akt 2 demnächst in Brandenburg.

  • Warum so halbherzig? Neben der Quote nach Geschlecht braucht es weitere für Religion, Herkunft, Beruf, Vermögen usw. /s

  • Nun, das kommt dabei heraus, wenn man ein Recht "Gleichstellung" absolut setzt und andere völlig missachtet (freie Wahl...). Klüger wäre gewesen, je 40% für beide Geschlechter, 20% frei. Dann wäre beiden Prinzipien genüge getan.

  • War ja klar. Das wollte nur die "Zweck heiligt die Mittel"-Fraktion nicht wahrhaben.

    Wieder ein unnötiger Sieg, den ausgerechnet die Höcke-AfD sich auf die Fahnen schreiben kann. Danke, RRG...

  • #und nun?

  • Dieses Eigentor hätte man sich eigentlich ersparen können.



    Merke: Nicht immer ist das nächstliegende Tor auch tatsächlich das des Gegners.

  • Gender binarism ist doch sowas von out ...

    und mal ernsthafter: warum nicht nach den Gründen forschen und daran arbeiten? Der Frauenanteil unter Parteimitgliedern ist bei allen Parteien deutlich unter 50%. SPD z.B. 33%. Parteimitgliedschaft ist aber freiwillig, da kann man nichts erzwingen.

  • Die Parteien sind das Reservoir für die Abgeordeten (und alle weiteren höheren Funktionen); eine entscheidende Frage – auch unter dem Gerechtigkeitsaspekt - ist also, wie hoch ist der Frauenenteil in den Parteien?

    Vergleicht man den Anteil der Frauen in den Parteien mit dem Anteil der Frauen im Parlament, so ergibt sich folgendes Bild:

    Frauenenteil in Parteien:



    Grüne 49,5%



    Linke 36,4 %



    SPD 32,6 %



    CDU 26,3 %



    FDP 23,7%



    CSU 20,7 %



    AFD 17,1 %



    de.statista.com/in...en-in-deutschland/

    Frauenanteil im deutschen Bundestag:



    Grüne 58,2 %



    Linke 53,6 %



    SPD 41,8 %



    CDU/CSU 19,9%



    FDP 22,5 %



    AFD 10,8 %



    de.wikipedia.org/w...undestag_seit_1949

    Zusammenfassend:



    „Aktuell (seit 2017) liegt der Frauenanteil bei drei Bundestagsfraktionen (Grüne, Linke, SPD) deutlich über dem Frauenanteil der jeweiligen Parteimitglieder, bei der FDP nahezu gleichauf und bei zwei Fraktionen (CDU/CSU, AfD) unter dem Frauenanteil der zugehörigen Parteimitglieder. „



    de.wikipedia.org/w...undestag_seit_1949

    • @Weber:

      Danke für den Hinweis, das macht einiges klar: Vielleicht ist das alles eher ein Schachzug der Männer bei RRG! Damit sie wenigstens die Hälfte der Listenplätze bekommen, wenn sie schon deutlich mehr als die Hälfte der Mitglieder stellen.

  • Wo ist eigentlich der Verfassungsschutz, wenn man ihn mal braucht ?

    Verfassungsfeindlicher als Manipulationen am Wahlrecht geht ja gar nicht.

    Man muß kein Jurastudium absolviert haben, geschweige denn Verfassungsrichter sein, um zu erkennen, daß dieses Gesetz von Anfang an verfassungsfeindlich war. Es soll jetzt keiner so tun, als wäre er überrascht. Die Verantwortlichen haben sehenden Auges die Verfassung gebrochen, um die eigene politische Agenda durchzusetzen.

    Schon interessant:

    SPD, Grüne und Linke beschließen ein verfassungsfeindliches Gesetz, weil sie gerade eine Mehrheit haben.

    CDU und FDP stimmen zwar dagegen, scheinen das verfassungsfeindliche Gesetz aber akzeptiert zu haben.

    Und nur die AfD verteidigt mit dem Gang zum Verfassungsgericht den Rechtstaat.

    Höcke kommt ja aus dem Lachen nicht mehr heraus angesichts dieses ihm ermöglichten Triumphs.

  • "Die Freiheit der Wahl verlange, dass Wahlen nicht durch Zwang und Druck des Staates durchgeführt würden, sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofes" - da ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Versteht mich nicht falsch, jede Frau, die sich politisch engagieren will, soll das tun können, aber Zwangsquoten gehen doch einen Schritt zu weit. Es macht mir große SOrgen, dass die Gruppenzugehörigkeit von Personen eine immer stärkere Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Sollten wir uns nicht in die andere Richtung bewegen? Sollte es nicht egal sein, was eine Person, die für ein politisches Amt kandidiert, zwischen den Beinen hat?

  • Politik wird oft zu sehr als Kampf von Gut gegen Böse aufgefasst. Das nie endende Ringen mit all den Widersprüchen ist dagegen weniger eindeutig und schön.

    Wir sehen gerne unsere Verfassungen als letzte Wahrheiten. Zum Teil sind sie das auch , aber wie schon bei Europafragen oder auch hier stehen sie dann auf einmal doch auch dem Progressiven im Weg.

    Verfassungen kennen die Gleichberechtigung, allerdings mehr auf Individuen bezogen. Die dominante Zuordnung von Menschen in Gruppen und Identitäten und eine Gleichberechtigung auf dieser Stufe kennt die Verfassung weniger. Selbst bei der Ausnahme der Einteilung in Mann und Frau werden hier andere Dinge höher gewichtet.

    200 oder auch 500 Jahre Dominanz weißer Menschen, verschiedenste Hierarchien von Unterdrückung und Dominanz zwischen verschiedensten Gruppen religiöser, ethnischer, sexueller und anderer Art kennt die Verfassung eigentlich nicht. Sie kann Gleichberechtigung nur auf individueller Ebene unterstützen aber nicht aufgrund meiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Identität.

  • Hat Frankreich eine besondere Verfassung oder kein funktionierendes Verfassungsgericht? Oder warum ist die Parietät dort möglich?

    • 0G
      05838 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Frankreich hat ein reines Verhältniswahlrecht.

  • Das war zu erwarten. Das Landeswahlgesetz hätte es nicht nur der AfD schwer gemacht (hoher Männeranteil), sondern auch Parteien, die einen hohen Frauenanteil haben. Man stelle sich vor, man gründet ein Partei, die die Interessen der Frauen vertritt. Diese würde mutmaßlich überproportional Frauen als Mitglieder haben. Und müsste nun die Hälfte der Listenplätze an Männer vergeben? Das würde die politische Arbeit einer solchen Partei schwierig oder gar unmöglich machen.



    Schlimm nur, dass sich die Thüringer AfD nun als Hüter der Verfassung gerieren kann.

  • Lehrer, Rentner, Juristen, Beamte, es gibt genug gute Gründe Quoten einzuführen und den Landtag wieder zum Ständetag zu machen. Mit kumulieren und panaschieren gibt es bereits ein erprobtes Mittel den Willen des Wählers zu ergründen und den Parteien auf die Finger zu klopfen.

  • Mensch. Das kommt jetzt unerwartet..