Proteste gegen Corona-Maßnahmen: Demokratie ohne Mundschutz
Steigende Infektionszahlen und mögliche Restriktionen könnten Corona-Demos wieder wachsen lassen. Wie Behörden reagieren sollen, ist umstritten.
Am Samstag soll es weitergehen. In Stuttgart zum Beispiel will erneut die Initiative „Querdenken“ auf die Straße gehen, die dort seit Monaten die Proteste gegen Corona-Schutzmaßnahmen organisiert und die auch zur Berliner Großdemonstration vom vergangenen Samstag aufgerufen hatte. Ob es erneut zu einem Massenauflauf ohne Schutzmasken und Sicherheitsabstände, ähnlich wie am vergangenen Wochenende in der Hauptstadt, kommt, ist dennoch fraglich. Mit ihren regionalen Demonstrationen hatte die Szene in den vergangenen Wochen schließlich nur noch einige hundert Menschen angezogen.
Dass die Berliner Demonstration mit ihren rund 20.000 Teilnehmer*innen (im Zahlensystem der Veranstalter*innen: bis zu 5 Millionen) der Bewegung einen neuen Schub verpasst hat, ist aber nicht komplett ausgeschlossen. Auch die steigenden Infektionszahlen und mögliche neue Restriktionen könnten die Demos in Zukunft wieder wachsen lassen. Damit stellt sich die Frage: Was tun, wenn früher oder später in Stuttgart oder anderswo wieder Tausende zusammenkommen – und dabei demonstrativ sämtliche Hygieneregeln missachten?
Die weitestgehende Forderung erhob am Montag Armin Schuster (CDU). „Solche Demonstrationen sind eine Gefahr für die Allgemeinheit“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Rheinischen Post. Seiner Meinung nach wäre es verhältnismäßig, die Versammlungen „nur noch unter sehr viel strengeren Auflagen oder gar nicht mehr zu genehmigen“.
Corona-Demonstrationen verbieten? Viel Zuspruch erhielt Schuster für diese Maximalforderung am Montag nicht. Gleichwohl häufen sich die Forderungen, auf Demonstrationen künftig stärker auf die Einhaltung von Hygieneregeln zu pochen. „Im Zweifel bedeutet das auch, Demonstrationen aufzulösen, wenn die Auflagen weitflächig nicht eingehalten werden“, so der FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae. SPD-Chefin Saskia Esken hatte zuvor schon in der ARD gesagt, die Demonstration vom Samstag „hätte schon früher aufgelöst werden können“.
Ein Seitenhieb in Richtung Berlin
Auch die Bundesregierung schaltete sich am Montag in die Debatte ein. Es sei Aufgabe der Landesbehörden, darauf zu achten, „dass der Infektionsschutz gewährleistet ist und dass die Auflagen, die von den jeweiligen Behörden definiert werden, auch konsequent eingehalten werden“, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Demonstrationen wie die vom Wochenende seien „eine Gesundheitsgefahr für uns alle und in dieser Form nicht akzeptabel“. Ein Seitenhieb in Richtung Berlin also: Die Behörden dort hätten stärker darauf achten sollen, dass Auflagen auch eingehalten werden.
Eine Auflage für die Corona-Demonstration dort lautete, dass die Teilnehmer*innen Schutzmasken tragen müssen. Eingehalten hatte diese Regeln nur ein kleiner Teil der Demonstrant*innen. Die Einsatzkräfte reagierten zunächst mit Lautsprecherdurchsagen. „Dies mündete aber lediglich in Unmutsbekundungen“, stellte die Polizei selbst in ihrem Einsatzbericht fest. Die Demonstrierenden durften trotzdem durch Berlin laufen. Erst später schritten die Beamt*innen ein, erstatteten Anzeigen gegen zwei Versammlungsleiter*innen und lösten eine Kundgebung auf.
Der Berliner Senat hält diese Polizeistrategie trotz der Kritik aus dem Bund weiterhin für richtig. Die Polizei habe „professionell und angemessen agiert“ und „nicht zu spät eingegriffen“, sagte ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf Anfrage. Im Sinne der Deeskalation hält man es in der Senatsverwaltung auch für angemessen, dass die Polizei darauf verzichtet hat, die Kundgebung mit Gewalt aufzulösen. Demonstrationen per se im Vorfeld zu verbieten, sei rechtlich gar nicht möglich, wenn es vorab keine Hinweise auf strafbare Aktionen gebe, so der Sprecher des Innensenators.
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