Großprotest gegen Corona-Auflagen: Das Virus freut's

Mündige Bürger*innen oder „Covidioten“? In Berlin protestieren Tausende gegen die staatlichen Auflagen im Zuge der Pandemie.

Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten stehen Tausende bei einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen auf der Straße des 17. Juni in Berlin.

Dicht gedrängt und ohne die Abstandsregeln zu beachten: Großdemo in Berlin gegen Corona-Auflagen Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin dpa/afp | Nach der Demonstration von rund 20.000 Menschen in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen kommen von Seiten der Politik klare Zeichen für die Fortsetzung des Kurses zur Bekämpfung der Pandemie.

CSU-Chef Markus Söder sprach sich angesichts der steigenden Zahl an Neuinfektionen gegen weitere Lockerungen aus. „Wir müssen damit rechnen, dass Corona mit voller Wucht wieder auf uns zukommt“, sagte der bayerische Ministerpräsident der Bild am Sonntag. Gefragt sei absolute Wachsamkeit. „Das Virus bleibt eine Daueraufgabe, die uns permanent unter Stress setzt.“ Viele Menschen seien im Umgang mit dem Virus leider leichtsinniger geworden, sagte Söder. „Dazu gehören auch die extremen Lockerer und Verschwörungstheoretiker, die alle Maßnahmen schnellstens aufheben wollten.“

Trotz steigender Infektionszahlen hatten am Samstag Tausende Menschen in Berlin protestiert. Nach Schätzungen der Polizei schlossen sich bis zu 17.000 Menschen einem Demonstrationszug an, rund 20.000 beteiligten sich anschließend an einer Kundgebung. Die Demonstrant*innen forderten ein Ende aller Auflagen.

Da bereits während der Demonstration die Hygiene-Regeln nicht eingehalten wurden, stellte die Polizei Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung. Der erklärte den Demonstrationszug am Nachmittag für beendet. Weil auch auf der anschließenden Kundgebung viele Demonstrant*innen weder die Abstandsregeln einhielten noch Masken trugen, begann die Polizei am frühen Abend, die Versammlung aufzulösen. Bei der Auflösung der Kundgebung sollen 18 Polizist*innen verletzt worden sein, drei von ihnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Insgesamt waren laut Polizeiangaben 1.100 Beamte im Einsatz.

Scharfe Kritik

Viele Politiker*innen kritisierten die Demonstration. Zwar müssten Demonstrationen auch in Corona-Zeiten möglich sein, schrieb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Twitter, „Aber nicht so. Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienen unser aller Schutz.“ SPD-Chefin Saskia Esken twitterte: „Tausende Covidioten feiern sich in Berlin als ‚die zweite Welle‘, ohne Abstand, ohne Maske.“

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kritisierte die Teilnehmer*innen scharf. Die Demonstrant*innen würden die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen und riskierten damit die Gesundheit anderer Menschen, sagte Müller in der rbb-Abendschau. Es gebe noch keinen Impfstoff und kein Medikament, man sei noch nicht über den Berg.

Zu der Demonstration unter dem Motto „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“ hatte die Initiative „Querdenken 711“ aufgerufen. In Stuttgart hat diese Initiative bereits wiederholt demonstriert. Kritiker*innen dieser Proteste befürchten eine Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtspopulist*innen. Den Titel „Tag der Freiheit“ trägt auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935.

Dunja Hayali bricht Dreh ab

Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali hat ihre Dreharbeiten auf der Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin offensichtlich wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen. In einem rund 37 Minuten langen Video, das Hayali auf Instagram postete, ist zu sehen, wie Demo-Teilnehmer*innen ihr und ihrem Team am Samstag „Lügenpresse“ und „Schämt euch“ entgegenrufen. In dem Clip ist auch zu hören, wie ein Mann, der von Hayali als ein Mitarbeiter ihres Security-Teams angesprochen wird, den Drehabbruch empfiehlt. „Das sagt jetzt der Sicherheitsmann, wir sind ja nicht ohne Security hier: Abbruch des Drehs, zu gefährlich“, erklärte die Journalistin.

Immer wieder ist auch zu sehen, wie Hayali, die eine Maske trägt, mit einzelnen Teilnehmer*innen der Veranstaltung über die Corona-Maßnahmen diskutiert. Am Ende des Videos berichtet Hayali selbst von Beleidigungen und Bedrohungen, ohne konkrete Beispiele zu nennen. „Es ist eine gefährliche Melange, die sich hier auf der Straße zusammenfindet“, resümierte sie. Und ergänzte: „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen als Presse.“

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