piwik no script img

Diskussion um die AbwrackprämieBloß keine Wiederauferstehung

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Verkehrswende und Konjunkturimpulse zu verbinden könnte mit einer Prämie für grüne Mobilität gelingen.

Mit einer Kaufprämie fürs Rad könnten der in Coronazeiten viele zum Umstieg animiert werden Foto: Jan Zawadl/Imago

M it ihrer geballten Macht versucht die Autobranche in diesen Tagen für die Wiederauferstehung der Abwrackprämie zu trommeln. 2009 hatte die damalige Bundesregierung mit 2.500 geschenkten Euro für AutokäuferInnen den Herstellern und ihren Zulieferern über die Finanzkrise geholfen. Automanager lassen keine Interview-Gelegenheit aus, vor dem Treffen der Ministerpräsidenten der Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen und dem Autogipfel im Kanzleramt für eine neue Kaufprämie zu werben – mit einem grünen Anstrich, aber auch für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor. Das ist ein Irrweg. Schließlich ist jede Form der Kaufprämie für konventionelle Autos so, als würde die Krankenkasse einem schwer Lungenkranken ein Jahr lang täglich eine Packung Camel finanzieren, wenn er dafür keine Roth-Händle ohne Filter mehr raucht.

Staatliche Anreize sind an sich gar nicht das schlechteste Mittel zur Krisenbewältigung – wenn sie eine sinnvolle Lenkungswirkung haben. Der verkehrspolitische Sprecher der Linkspartei im Bundestag, Andreas Wagner, fordert eine Kaufprämie fürs Rad oder für Radreparaturen. So sollen in Coronazeiten möglichst viele zum Umstieg animiert werden.

Denn wenn Lockerungen kommen und mehr Leute wieder an ihren Arbeitsplatz müssen, droht ein Verkehrsinfarkt – weil viele aus Angst vor Ansteckung den öffentlichen Nahverkehr meiden. Deshalb will auch die französische Umweltministerin Elisabeth Borne eine Radprämie einführen und dafür 20 Millionen Euro ausgeben, 50 Euro sollen die Französinnen und Franzosen bekommen können. Ein sehr sympatisches Programm.

Selbst wenn in Deutschland doppelt so viel für den Umstieg aufs Rad ausgegeben werden würde: Es wäre im Vergleich zu einer milliardenschweren Abwrackprämie für Autos immer noch wenig. Den Vorschlag aus der Linksfraktion abzukanzeln, wie die Union es tut, ist deshalb unberechtigt und unsachlich. Das Problem ist aber: Eine Radprämie kostet so wenig, dass sie zusätzlich zur Abwrackprämie kommen und sogar zu ihrer Rechtfertigung dienen könnte. Das wäre fatal. Die Abwrackprämie wird nicht dadurch besser, dass auch ein paar Brocken für andere VerkehrsteilnehmerInnen als die Autofahrenden abfallen.

Eine grüne Mobilitätsprämie für die Konjunktur

Denn es geht nicht um flankierende Maßnahmen zu einem wie auch immer grün lackierten Kaufanreiz für Benzin- und Dieselfahrzeuge, sondern es geht um Alternativen. Eine Radprämie ist das bei aller Sympathie für die Idee nicht. Dagegen geht der Vorschlag eines Bündnisses aus 15 Organisationen und Unternehmen vom Fahrradclub ADFC bis zum Verband der Zweiradindustrie in die richtige Richtung.

Sie fordern eine grüne Mobilitätsprämie für alle. Damit sollen BürgerInnen selbst entscheiden können, für welche Form von Fortbewegung sie das Geldgeschenk verwenden – für ein Fahrrad, ein E-Bike, eine Bahncard, eine Monatskarte für den ÖPNV oder ein Elektroauto. So eine Prämie würde die durch die Krise ebenfalls angeschlagenen Verkehrsunternehmen und auch die Industrie fördern, wenn sie so hoch wäre wie einst die Abwrackprämie. Das wäre gleichzeitig ein Beitrag zur Verkehrswende und zur Ankurbelung der Konjunktur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Corona Pandemie Rettungspakete für deutsche Gesellschaft, Wirtschaft verbunden mit Klimazielen wunderbar, wie sie nicht nur Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin des Bundestags, Bündnis 90/Die Grünen heute im Deutschlandfunk fordert, aber ich meine nicht ohne Auflage an deutsche Firmen mit Partnern im In- , Ausland vertragstreu umzugehen und nicht wie Adidas es versucht hat, trotz staatlicher Rettungsgelder, Mietverträge im Bundesgebiet mit Verweis auf Corona Krise vertragswidrig entschädigungslos zu stornieren. Wenn Adidas das in Deutschland versucht hat, was passiert dann wohl mit seinen Vertragspartnern im Ausland, die dann nicht durch die Corona Pandemie sondern durch Vertragsverstöße deutscher Firmen entschädigungslos in Massenarbeitslosigkeit, Hunger, Elend verfallen?, als Kunden auf Jahre ausfallen?



    How dare you!, wie 2009 aus der Weltfinanzkrise, 2020 mit Abwrackprämie ausgerechnet im übermotorisierten Deutschland, den Umsatz deutscher Automobilindustrie aus der Corona Krise puschen zu wollen, was garantiert zum Flop mutiert, und gleichzeitig Lieferketten in alle Welt entschädigungslos wg Corona zu kappen, damit Zahlungsunfähigkeit von Auslandskunden zu riskieren, z, B , erworbene VWs, vorfinanziert von VW Verbraucherkrediten, womöglich auf Euro Basis in Milliarden Höhe, Kredite risikogedeckt von der Hermeskreditversicherungsanstalt deutscher Exportwirtschaft, nicht mehr bedient werden können, geschweige neue VWs gekauft werden.



    Dass es die Bundesregierung unterlässt, Gelder an deutsche Gesellschaft, Wirtschaft in Billion Höhe in nahezu jeder Hinsicht ohne Auflagen im Sauseschritt zu administrieren, hat für mich das Geschmäckle von schlechtem Gewissen der Bundesregierung, Landesregierungen, weil die die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft milde stimmen, von Klagen abhalten wollen?, angesichts ihrerm mutmaßlichem Organisationsverschulden Desaster abwesender Corona Pandemie Prävention trotz entsprechend längst vorliegender Robert Koch Institut Expertise 2012

  • Hier kann man gegen die Abwrackprämie und für entsprechende klimafreundliche Alternativen unterschreiben:



    aktion.campact.de/.../appell/teilnehmen

  • Ich habe irgendwie eine Zahl im Kopf, dass auf jeden Bundesbürger mindestens ein Fahrrad kommt. Deshalb frage ich mich, warum jetzt der Kauf eines neuen Rades staatlich bezuschusst werden soll. Das gilt natürlich auch für Automobile.

    Kaufprämien sind das Symbol einer Wegwerfgesellschaft. Mit vernünftigem ökologischen Handeln hat das nichts zu tun.

  • Grundsätzlich folgen alle Ideen zu Kaufanreizen oder Abwrackprämien der üblichen, also rein ökonomischen und standortbezogenen Logik. Und zwar unabhängig vom Produkt. Sie konterkarieren sämtliche Überlegungen, wie wir die Krise so nutzen könnten, eine andere, ökologische, ressourcenschonende und weniger von Konsum und Verschwendung abhängige Wirtschafts- und Arbeitsstruktur zu entwickeln.

    Die "Öko-Abwrackprämie" ist vom Ansatz her eine Prämie zum Abverkauf der auf den übervollen Abstellflächen der Autokonzerne stehenden Fahrzeuge. In wie weit hierfür Verlustvorträge oder Abschreibungen steuerlich geltend gemacht werden können oder wurden, ist mir unbekannt.

    Dass die E-Mobilität - um bei dem Zigaretten Vergleich zu bleiben - die "Milde Sorte" ist, die nichts an der Sucht ändert, aber eine Begründung zum Verzicht auf die Nutzung des ÖPNV und dessen massiven Ausbau liefert, dürfte einleuchten. Dass die vermeintlichen klimaschonenden Effekte erst nach Jahren und unter der Bedingung 100% natürlicher Energiequellen (Wind/Sonne) eintreten könnten, aber nur wenn die ersetzten fossilen FZ verschrottet und nicht weiter betrieben oder exportiert werden, dürfte ebenfalls bei nüchterner Betrachtung sofort einleuchten.

    Statt mit Kaufprämien das alte Denken fortzusetzen, wäre es sinnvoller, die Regelsätze für Hartz IV und die Grundsicherung im Alter anzuheben. Es leiden viel Branchen Not, nicht nur die Autoindustrie. Dies ist zwar auch ein ökonomischer Ansatz, aber dieser würde sozialen Spannungen vorbeugen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch kommen werden. Es ist absehbar, dass die (Lebensmittel-) Preise im Laufe der Krise steigen werden. Ebenfalls absehbar, dass in den nächsten Wochen oder Monaten auch Banken, Versicherungen, Rentenfonds in die Knie gehen werden.

    Wir müssten über neue Arbeitszeitmodelle nachdenken, um die verbleibende Arbeit gerechter zu verteilen. Homeoffice ist nur eine Prothese, kein echtes und gesundes Bein.

  • Ja, wirklich. Bitte nicht schon wieder.

    Mein Vorschlag: eine Prämie für das Abwracken... des Führerscheins. Von mir aus zahlbar in Gutscheinen für Öffis oder Fahrrad. Ja auch Schuhwerk.

  • Alle im Text vorgeschlagenen Prämien finde ich schlecht. Warum nimmt man nicht allgemein Abstand von der Idee, dass sich Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit irgendwelche bestimmten Neugeräte kaufen (seien es auch Fahrräder)?



    Das ist weder umweltfreundlich noch kommt das Geld bei denen an, die es wirklich nötig hätten. Und wollte man eine ökologische Lenkungswirkung erzielen, gäbe es viel bessere und billigere Maßnahmen.