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Neue Belege für InsektensterbenCiao, kleiner Krabbler!

Eine Studie auf besonders guter Datengrundlage zeigt, dass Zahl und Artenvielfalt sinken. Die Bundesregierung streitet über Ökoauflagen für Pestizide.

Wenn es weniger Libellen gibt, haben auch die Bachstelzen weniger zu fressen Foto: Blick­winkel/imago

Berlin taz | Was viele Bauern und Konservative immer noch bestreiten, belegt jetzt eine weitere Studie: Auf Wiesen und in Wäldern in Deutschland sind inzwischen deutlich weniger Insekten unterwegs als noch vor einem Jahrzehnt. Zumindest in den Graslandschaften hänge das Insektensterben mit der intensiven Landwirtschaft zusammen, schreiben die Wissenschaftler in einem am Mittwoch veröffentlichten Artikel im Fachmagazin Nature. „Je mehr Ackerbau in der Umgebung der untersuchten Grünlandflächen betrieben wurde, um so mehr Insekten gingen verloren“, sagte Co-Autor Sebastian Seibold von der Technischen Universität München der taz.

Das Team um den Wissenschaftler hatte von 2008 bis 2017 regelmäßig Insekten und andere Gliederfüßer wie Spinnentiere und Tausendfüßer an insgesamt 290 Standorten in drei Regionen Deutschlands gesammelt: auf der Schwäbischen Alb in Süddeutschland, im Hainich – einem bewaldeten Höhenrücken in Thüringen – sowie in der brandenburgischen Schorfheide. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler Daten von mehr als einer Million Gliederfüßern, die zu mehr als 2.700 Arten gehörten. Auf den Wiesen sammelten die Forscher die Insekten und die anderen Krabbler mit Netzen von der Grasfläche, in den Wäldern stellten sie Fallen auf.

Sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern ging die Artenzahl im Untersuchungszeitraum um etwa ein Drittel zurück. Auch deren Gesamtmasse nahm ab, besonders ausgeprägt in den Graslandschaften – dort schrumpfte sie um 67 Prozent. In den Wäldern verringerte sie sich um etwa 40 Prozent. Den Einfluss schwankender Wetterbedingungen berücksichtigten die Forscher bei der Auswertung.

„Unsere Ergebnisse sind weitestgehend repräsentativ für einen Großteil Deutschlands“, erklärte Seibold. Andere Studien wie die ehrenamtlicher Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld zeigten ähnliche Trends in anderen Regionen. Zudem gebe es zum Beispiel Studien aus Baden-Württemberg für einzelne Arten. Damit setze sich das Bild zusammen, „dass das kein lokaler Effekt, sondern eine wirklich großskalige Veränderung in Mitteleuropa ist“.

Umweltministerin macht Bauern verantwortlich

Die Krefelder hatten 2017 in der Fachzeitschrift Plos One berichtet, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten zwischen 1989 und 2016 in 63 Naturschutzgebieten um 76 Prozent abgenommen habe. Für die neue Studie wurden auch stark bewirtschaftete Flächen sowie unterschiedlich intensiv genutzte Wälder untersucht. Anders als die Krefelder waren die Forscher um Seibold jedes Jahr auf jeder Fläche und untersuchten auch die Artenvielfalt. „Wir haben eine bessere Datengrundlage“, so der Münchener Forscher.

Auf Wiesen und in Wäldern sank die Artenzahl um rund ein Drittel

Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärte, die Regierung arbeite an einer zügigen Umsetzung ihres Aktionsprogramms Insektenschutz, das den Pestizideinsatz reduzieren soll. „Eines belegt die Studie aber auch: Die Art und Weise der landwirtschaftlichen Nutzung entscheidet maßgeblich mit, ob Insekten in der Umgebung überleben können“, sagte die SPD-Politikerin.

Eine Verantwortung der Landwirtschaft sieht auch der Deutsche Bauernverband: „Die Studie zeigt uns, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung sein muss. Kaum eine Branche ist so essenziell auf die Bestäubungsleistung von Bienen und Insekten angewiesen wie wir“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied. Dabei setze man auf kooperativen Naturschutz. In diesem Jahr habe der Verband freiwillig bundesweit Blühstreifen als Lebensraum für Insekten in einer Länge von über 230.000 Kilometern angelegt.

Agrarministerium gegen Pflicht zu Ökoflächen auf Ackerland

Doch die Projekte der jüngsten Vergangenheit haben bisher offenbar nicht viel gebracht. Es „gibt keine Hinweise, dass die negativen Trends umgekehrt worden wären durch Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren umgesetzt worden sind“, stellt die Studie fest.

Derweil ist in der Bundesregierung ein neuer Streit über den Insektenschutz ausgebrochen. Anlass ist eine Entscheidung des Agrarministeriums, keine Berufung gegen Urteile einlegen zu lassen, die Naturschutzauflagen für die Zulassung von Pestiziden einkassierten. Das Umweltministerium warnte davor, „Schäden an der biologischen Vielfalt und insbesondere bei Insekten“ in Kauf zu nehmen, wie es in einem Schreiben von Staatssekretär Jochen Flasbarth heißt. Das Agrarministerium erklärte, es entspreche auch seiner Rechtsauffassung, dass der Staat die Landwirte nicht dazu verpflichte könne, 10 Prozent „Biodiversitätsflächen“ wie Brachen oder Blühflächen auf ihrem Ackerland nachzuweisen. Ressortchefin Julia Klöckner (CDU) habe daher entschieden, keinen Widerspruch einzulegen. (mit dpa)

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16 Kommentare

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  • Landwirtschaft darf alles. Das nennt sich "ordnungsgemäße Landwirtschaft" bzw. "gute fachliche Praxis". Aber auch die Auflagen, die es dennoch gibt, werden nicht kontrolliert. Sollte das unglücklicherweise trotzdem geschehen, werden Betriebsbesuche angekündigt. Manche Betriebsleiter erleben im Leben keine Kontrolle.

    Ich habe allerdings Verständnis für den Überlebenskampf etlicher Landwirte, denn das raubtierkapitalistische "Wachse oder Weiche" ruiniert vor allem die, die sich um anständige Tierhaltung und naturschonenden Ackerbau bemühen. Und seien wir doch mal ehrlich: was Billigheimers im Discounter in den Einkaufswagen laden, zeugt auch nicht von Rücksichtnahme auf unsere Lebensgrundlagen, Landwirte, Menschen im Ausland, Nutz- oder wildlebende Tiere.

    Bei kapitalistischer Wirtschaftsweise kriegen wir das auch nie in den Griff. Aber das es ohne Kapitalismus nicht geht, hat man der Menschheit dermaßen eingebläut, dass ich da auch keinerlei Hoffnung mehr habe. Geld verdient man heute auf dem Finanzmarkt, mit richtiger Arbeit wird das schwierig.

    • @bärin:

      Sie haben Recht. Als Landwirt muss man die erlaubten Mittel einsetzen, sonst ist die Wettbewerbsfähigkeit nicht gegeben.



      In der konventionellen Landwirtschaft wird so gearbeitet, wie es die Wissenschaftler an den Universitäten lehren und die staatliche Beratung empfiehlt.

  • 1. Pestizide verbieten!



    Wenn das nicht funktioniert, dann



    2. Pestizid-Bauern enteignen! dann



    3. Land an Bio-Bauern verpachten!

    Das wird nicht einfach aber bald möglich!

    yes we can!

    • @ginkgo:

      Übrigens, über 50% der Menschen auf unseren Planeten lebt überhaut weil es Agrarchemie gibt. Wer bestimmt den wer verhungert wenn wir da wieder aussteigen?

  • Ich fürchte, das geht nicht mehr lange gut. Warum wird nicht begriffen, dass es letzten Endes um unser aller Existenzgrundlagen geht? Auch die Landwirtschaft wird, wenn es so weitergeht, massive Probleme bekommen. Die Menschheit sägt an dem sprichwörtlichen Ast auf dem sie sitzt. Wann wird endlich begriffen, wann entsprechend gehandelt?

  • Genau die Trecker-Fahrer die neulich mit grünem Kreuz demonstrierten sind das Problem und Ministerin Klöckner

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Da können auch noch hundert Studien mit allerbreitester Datenbasis veröffentlicht werden. Solange Geld mehr wert ist als Natur, wird das an den entscheidenden Stellen niemand interessieren! Abwählen bitte...

    • @84935 (Profil gelöscht):

      Abwählen... ? Wer macht es denn besser?



      Zumal Geld quer durch die Gesellschaft durchaus für wichtig gehalten wird.

      • 8G
        84935 (Profil gelöscht)
        @fly:

        Den Bündnis-Grünen messe ich eine deutlich höhere Kompetenz in diesen Fragen zu!

  • hier ein Vorschlag wie es besser gehen könnte progressive-agrarw...-unseren-planeten/

    • @Bernhard Hellweg:

      Ein sehr guter Link!!!



      Das Dilemma unserer Ernährungsmöglichkeiten



      Ist dort sehr gut und objektiv beschrieben.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Bernhard Hellweg:

      .



      danke für den Beitrag als Denk- und Diskussionsgrundlage