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Vergleichsangebot in US-ProzessenBayer knickt im Glyphosatstreit ein

Strategiewechsel bei Bayer/Monsanto: Der Konzern bietet offenbar acht Milliarden Dollar an, um die Prozesse wegen Krebs durch das Pestizid beizulegen.

Das ist das umstrittene Mittel: der Unkrautvernichter RoundUp mit Glyphosat von Monsanto Foto: ap

Berlin taz | Hersteller Bayer knickt im Rechtsstreit über Krebserkrankungen durch das Pestizid Glyphosat ein. Der Chemiekonzern sei dabei, den mehr als 18.000 Klägern in den USA einen Vergleich in Höhe von insgesamt 8 Milliarden Dollar anzubieten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag. Sie berief sich auf mit den Verhandlungen vertraute Personen. Offiziell habe Bayer noch kein Angebot vorgelegt, teilte der im Glyphosat-Streit eingesetzte Mediator Ken Feinberg mit. Aber ein Sprecher der Bayer AG dementierte den Bloomberg-Bericht nicht, sondern teilte der taz nur mit: „Kein Kommentar.“

8 Milliarden Dollar für den Vergleich sind deutlich weniger als die Summen, mit denen viele Aktienanalysten zuletzt gerechnet hatten. Markus Mayer von der Baader Bank etwa ging davon aus, dass eine Einigung im Bereich um die 15 bis 20 Milliarden Euro (16,7 bis 22,3 Milliarden Dollar) positiv für den Aktienkurs wäre. Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research sagte am Freitag, alles unter 30 Milliarden Dollar wäre gut für den Aktienkurs. Die Bayer-Aktien setzten denn auch ihre Erholungsrallye der vergangenen Tage mit einem Plus von bis zu 11 Prozent fort.

Die Klägeranwälte waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Carey Gillam, Rechercheleiterin der Umweltorganisation U.S. Right to Know, die eng mit den Juristen zusammenarbeitet, schrieb auf Twitter über das Vergleichsangebot jedoch: „Wahrscheinlich nicht genug $$$.“

In den vergangenen Tagen hatten Aktionäre bereits die Verschiebung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses als Hinweis auf fortschreitende Vergleichsverhandlungen interpretiert. Der Druck auf Konzernchef Werner Baumann war in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil Bayer bereits drei Verfahren um Krebsrisiken glyphosathaltiger Monsanto-Unkrautvernichter der Marke RoundUp mit Schadensersatzforderungen im jeweils mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verloren hatte. Trotz der jüngsten Aktienkurserholung notieren die Papiere immer noch rund 28 Prozent tiefer als vor der ersten Prozessschlappe wegen Glyphosat vor einem Jahr. Das bedeutet ein Minus von 24 Milliarden Euro des Börsenwerts.

Druck durch Großaktionär

Bayer fährt bisher offiziell zwar eine harte Linie und verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien weiterhin auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und will vor Berufungsgerichte ziehen. Konzernchef Baumann hatte vor kurzem jedoch abermals gesagt, dass ein Vergleich durchaus in Frage käme, wenn er wirtschaftlich Sinn machen würde. So verschlingen allein die Kosten für Anwälte und Imagekampagnen hunderte Millionen Euro.

Und auch von anderer Seite kommt Druck. So mischt der für sein aggressives Gebaren bekannte US-Milliardär und Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott bei Bayer inzwischen mit einer Beteiligung von mehr als einer Milliarde Euro mit. Noch gab er sich zwar zahm und lobte Bayer-Schritte wie die Gründung eines Aufsichtsratsausschusses, der das Thema Glyphosat vorantreiben soll. Wie lange Singer bei fehlenden Fortschritten ruhig bleibt, ist aber offen.

„Wahrscheinlich krebserregend“

Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff und ein Symbol für die chemiegetriebene Landwirtschaft. In Europa wird diskutiert, den Unkrautvernichter zu verbieten. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.

In der Forschung ist die Frage, ob die in Roundup enthaltene Chemikalie Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor drei Jahren, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sei. (mit dpa, afp, reuters)

Dieser Text wurde um 16.40 Uhr aktualisiert.

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6 Kommentare

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  • ?? Milliarden von Dollars an die Geschädigten ? ... damit sie `die Klappe halten´...und der profitgeile Zirkus der Investoren lustig weitergehen kann ? ..gehts noch ? NEIN !

  • Ich bin kein Jurist, aber ich haben mal mitbekommen das im US-Schadenersatzrecht der Anwalt am Erfolg beteiligt ist.

    Wenn die Krebsopfer ihren Prozess gewinnen, dann haben sie immer noch nichts davon, denn den Löwenanteil kassieren Anwälte. Von ausgleichender Gerechtigkeit kann keine Rede sein. Von Verbraucherschutz erst recht nicht.

    • @el presidente:

      Arbeiten diese Anwälte denn aber nicht erstmal auf eigenes Risiko?



      Kein Vergleich, kein Prozessgewinn = Null, sero, nada Honorar?



      Und die Geschädigten erhalten immerhin mehr als ohne Klage, die sie gerade in den USA allein gar nicht führen könnten (Geldfrage), also hilft in den USA die Sammelklage mit meist mehreren Anwälten…



      Ich will das USA-System nicht unbesehen rechtfertigen, aber bei uns gäb's nada, niente, nüxxx.



      Den Klägern kann frauman nur raten, dem Vergleich nicht zuzustimmen. Wenn Bayer|Monsanto freiwillig (in Worten: freiwillig) einen Vetgleich anbietet, der m. E. sowieso (noch) viel zu niedrig ist, dann haben die m. E. richtig Angst vor dem Urteil…

    • @el presidente:

      Es geht in erster Linie darum, solchen Großkonzernen wie Bayer/Monsanto nicht alles durchgehen zu lassen. Außerdem wäre ein Urteil gegen Bayer/Monsanto in den USA auch für Deutschland wegweisend, denn Glyphosat-Produkte sind seit 2019 auf dem deutschen Markt zugelassen. Wenn von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht, wie Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland meinen, dann fragt man sich aber, weshalb die Bundesregierung ein staatliches Gutachten zu Krebsrisiken von Glyphosat weiterhin unter Verschluss halten will? Im Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner (CDU) stehen anscheinend die Interessen eines Großkonzern über der Gesundheit der deutschen Bevölkerung.



      fragdenstaat.de/ak...cht-2019/#anfragen

  • Der verantwortliche Bayer-Vorstand und Aufsichtsrat gehören für ihre Entscheidung Monsanto zu kaufen auf HartzIV gesetzt unter Streichung aller Rentenbezüge.

    Auffällig ist auch, dass die deutschen Konzerne in den USA bereitwillig Milliarden an Schadensersatzzahlungen bereit sind an die Verbraucher / Geschädigten zu entrichten. Doch in Deutschland ist in den exakt gleichen Fällen plötzlich nur noch Geld in Höhe der Portokasse da. Und dies ja eigentlich deshalb, weil uns in Deutschland eigentlich die Aufsichtsbehörden vor Schaden bewahren sollte, sodass hohe Schadensersatzsummen nicht mehr nötig sind.



    Doch die Wahrheit sieht so aus, dass uns Verbraucher die Aufsichtsbehörden NICHT schützen und im Falle eines Schadens wir auch KEINEN (relevanten) Schadensersatz erhalten.



    Das ist eine Verbraucherverarsche höchster Güte.



    Da könnten uns Mutti & Co. auch gleich am Nasenring über den Dorfplatz treiben.

  • "Strategiewechsel bei Bayer/Monsanto: Der Konzern bietet offenbar acht Milliarden Dollar an, um die Prozesse wegen Krebs durch das Pestizid beizulegen."

    Wenn Bayer/Monsanto freiwillig 8.000.000.000 $ zahlen will, dann hat man ungefähr eine Vorstellung davon, wie viele Dollar es Bayer/Monsanto wirklich kosten würde, wenn sie vor Gericht verlieren.