Vergleichsangebot in US-Prozessen: Bayer knickt im Glyphosatstreit ein
Strategiewechsel bei Bayer/Monsanto: Der Konzern bietet offenbar acht Milliarden Dollar an, um die Prozesse wegen Krebs durch das Pestizid beizulegen.
8 Milliarden Dollar für den Vergleich sind deutlich weniger als die Summen, mit denen viele Aktienanalysten zuletzt gerechnet hatten. Markus Mayer von der Baader Bank etwa ging davon aus, dass eine Einigung im Bereich um die 15 bis 20 Milliarden Euro (16,7 bis 22,3 Milliarden Dollar) positiv für den Aktienkurs wäre. Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research sagte am Freitag, alles unter 30 Milliarden Dollar wäre gut für den Aktienkurs. Die Bayer-Aktien setzten denn auch ihre Erholungsrallye der vergangenen Tage mit einem Plus von bis zu 11 Prozent fort.
Die Klägeranwälte waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Carey Gillam, Rechercheleiterin der Umweltorganisation U.S. Right to Know, die eng mit den Juristen zusammenarbeitet, schrieb auf Twitter über das Vergleichsangebot jedoch: „Wahrscheinlich nicht genug $$$.“
In den vergangenen Tagen hatten Aktionäre bereits die Verschiebung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses als Hinweis auf fortschreitende Vergleichsverhandlungen interpretiert. Der Druck auf Konzernchef Werner Baumann war in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil Bayer bereits drei Verfahren um Krebsrisiken glyphosathaltiger Monsanto-Unkrautvernichter der Marke RoundUp mit Schadensersatzforderungen im jeweils mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verloren hatte. Trotz der jüngsten Aktienkurserholung notieren die Papiere immer noch rund 28 Prozent tiefer als vor der ersten Prozessschlappe wegen Glyphosat vor einem Jahr. Das bedeutet ein Minus von 24 Milliarden Euro des Börsenwerts.
Druck durch Großaktionär
Bayer fährt bisher offiziell zwar eine harte Linie und verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien weiterhin auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und will vor Berufungsgerichte ziehen. Konzernchef Baumann hatte vor kurzem jedoch abermals gesagt, dass ein Vergleich durchaus in Frage käme, wenn er wirtschaftlich Sinn machen würde. So verschlingen allein die Kosten für Anwälte und Imagekampagnen hunderte Millionen Euro.
Und auch von anderer Seite kommt Druck. So mischt der für sein aggressives Gebaren bekannte US-Milliardär und Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott bei Bayer inzwischen mit einer Beteiligung von mehr als einer Milliarde Euro mit. Noch gab er sich zwar zahm und lobte Bayer-Schritte wie die Gründung eines Aufsichtsratsausschusses, der das Thema Glyphosat vorantreiben soll. Wie lange Singer bei fehlenden Fortschritten ruhig bleibt, ist aber offen.
„Wahrscheinlich krebserregend“
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff und ein Symbol für die chemiegetriebene Landwirtschaft. In Europa wird diskutiert, den Unkrautvernichter zu verbieten. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.
In der Forschung ist die Frage, ob die in Roundup enthaltene Chemikalie Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor drei Jahren, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sei. (mit dpa, afp, reuters)
Dieser Text wurde um 16.40 Uhr aktualisiert.
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