Liste mit Glyphosat-Gegnern: Franzosen halten Bayer für schuldig
Der Konzern meint, seine Listen mit Freunden und Feinden von Glyphosat seien rechtmäßig. Daran zweifeln Journalisten und Politiker in Frankreich.

Nicht besonders beliebt: Demonstranten im April bei der Bayer-Hauptversammlung in Bonn Foto: reuters
PARIS taz | Bayer ist sich sicher: Eine Überprüfung habe ergeben, das die im Auftrag der Tochterfirma Monsanto erstellten Listen von JournalistInnen, PolitikerInnen oder IndustrievertreterInnen im Zusammenhang mit der Wiederzulassung des umstrittenen Pestizidwirkstoffs Glyphosat nicht illegal gewesen seien. Dies teilte Bayer am Donnerstag mit. Die Anwaltskanzlei Sidley Austin habe im Auftrag der Leverkusener keine Hinweise darauf entdeckt, dass auf diesen 2016/17 erstellten Listen gesetzwidrig „vertrauliche oder private Dateien gesammelt“ worden seien, wie dies französische Medien gemeldet hatten.
„Wir haben keinen Nachweis für die Vorwürfe gefunden, dass auf den Stakeholderlisten Hobbys, Freizeitaktivitäten oder andere persönliche Interessen dokumentiert wurden“, schreibt Bayer. Die Listen seien auch nicht durch illegale Überwachung, sondern nur durch die Auswertung öffentlich zugänglicher Informationen in Presseartikeln oder sozialen Netzwerken zustande gekommen.
Bayer dementiert in der Mitteilung nicht, dass mindestens 1.450 Personen in Frankreich, Deutschland (202), Polen oder Spanien bezüglich ihrer Haltung zu Monsanto erfasst wurden. Die Erfassungen seien „detailliert, methodisch und darauf ausgerichtet gewesen, Monsantos Positionen gegenüber Interessengruppen und der Öffentlichkeit deutlich zu vertreten.“
Allerdings: In Frankreich ist das Erstellen von Personendateien nach religiöser, weltanschaulicher oder politischer Einstellung explizit verboten. Betroffene grüne EU-Abgeordnete wie beispielsweise Michèle Rivasi oder José Bové wollen deswegen klagen.
Konzern erwähnt nicht weitere Informationen
Bayer betont zwar in der Mitteilung zu von Sidley Austin geprüften Listen, nichts sei in ungesetzlicher Art und Weise erfolgt. Allerdings erwähnt der Konzern nicht weitere Informationen, die im Auftrag der Agenturen FleishmanHillard oder Publicis für Monsanto gesammelt und dokumentiert wurden.
Die Zeitung Le Monde hält denn auch als Antwort auf das Bayer-Communiqué ausdrücklich an ihren Recherchen fest. Darin ist von Dokumenten mit persönlichen Interessen und Neigungen die Rede, die weit über den Inhalt der fraglichen Listen hinausgehen. Französische Journalisten haben mit Hilfe der Datenschutzgesetze des Landes bei FleishmanHillard direkt Auskunft über die unter ihrem Namen angelegten Dateien verlangt.
In Folge erhielten sie eine fast achtzig Seiten lange Dokumentation. Auch der frühere EU-Abgeordnete José Bové hatte erklärt, er wäre nicht erstaunt zu erfahren, dass noch weitere Listen existieren. Die Kanzlei Sidley Austin äußert sich eben nur zu dem Material, das ihr zur Prüfung vorgelegt wurde. Nur wer am richtigen Ort sucht, kann etwas finden.
Leser*innenkommentare
Unvernunft
Das Erstellen solcher schwarzen Listen ist auch in Deutschland verboten, auch wenn es kein explizinten Straftatsartikel gibt, denn es verstößt gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht, ebenso wie das anfertigen von Fotos etc. Das ist ein massiver Eingriff in grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte. Es handelt sich offensichtlich meiner Meinung nach um ein unseriöses Gefälligkeitsgutachten.
Selbst wenn die Informationen öffentlich verfügbar sind, dürfen daraus keine Dossiers erstellt werden.
Der Gesetzgeber sollte hier einen Straftatsbestand schaffen.
Sonntagssegler
@Unvernunft Sie schießen mit dem Strafbestand ein wenig über das Ziel hinaus.
Mir ist nicht ganz klar, worin für Sie der prinzipielle Unterschied bezüglich Privatleben besteht, wenn Firmen Listen über mich angelegen, dass ich bestimmte Bohrmaschinen mag, Brünette mit großen Oberweiten auch, Monsanto aber nicht.
Ich bin mir sicher, dass Google (wie die Chinesen auch) mittlerweile getaggte Photos von mir besitzen könnten.
Ich denke, Sie haben den wahren Feind übersehen.
Übrigens wird das mit dem Strafbestand allein deshalb in Deutschland nicht passieren, weil Frau Merkel Big Data ausdrücklich gut findet.
Wie auch alle Innenminister.
Zumindest diesbezüglich sind wir uns wohl völlig einig.