Schüsse in El Paso: Die Populisten sind mitverantwortlich
Der mutmaßliche Täter von El Paso greift auf Denkmuster der völkischen Neurechten zurück. Wer diesem Denken nicht Einhalt gebietet, trägt Mitschuld.
W ieder hat ein weißer Mann absichtsvoll Menschen wegen ihrer Herkunft und Hautfarbe getötet. Der mutmaßliche Attentäter von El Paso begründet seine Tat in einem im Netz veröffentlichten „Manifest“ mit der Notwendigkeit, die Abwehr des drohenden „Bevölkerungsaustauschs“ durch die Latino-„Invasoren“ selbst in die Hand nehmen zu müssen, wenn die Regierung es denn nicht tut.
In dem vierseitigen Text tauchen nahezu alle Denkmuster der weltweiten völkischen Neurechten auf. Deren Anfänge datieren weit vor die Zeit eines Donald Trump im Weißen Haus zurück. Insofern greift die Kritik des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Beto O’Rourke, der Trump direkt für den Terrorakt verantwortlich machte, sicher zu kurz.
Trump hat dieses Denken nicht erfunden. Aber genauso falsch wäre es, zu leugnen, dass Trump solche Thesen schon seit Beginn seines Wahlkampfs mehr verbreitet hat, als es etwa dem Alt-Right-Chef Richard Spencer oder dem österreichischen Chef der Identitären Bewegung (IB), Martin Sellner, jemals möglich gewesen wäre.
Selbst wenn auch, und davon kann man getrost ausgehen, die übergroße Mehrheit der Trump-, AfD- und selbst IB-Anhänger*innen von terroristischen Mordtaten nun wirklich nichts hält: Ihre grundsätzliche Zustimmung zu den apokalyptisch-warnenden Diskursen ihrer lautesten Protagonist*innen macht es erst möglich, dass sich Menschen wie der mutmaßliche El-Paso-Attentäter Patrick C. oder der Angreifer auf die Synagoge von Pittsburgh im Oktober vergangenen Jahres als Beschützer und Vollstrecker eines allgemeinen Volkswillens sehen können. Als Frontsoldaten im Abwehrkampf gegen den „Völkermord an den Weißen“.
Die Lone-Wolf-Strategie, nach der ein einzelner Angreifer auch ohne jede Absprache mit Gleichgesinnten zuschlagen und so eine gewaltige Dynamik in Gang setzen kann, haben inzwischen viele Terrororganisationen übernommen. Ob al-Qaida, IS oder eben Nazis und Rassisten – für die meisten spielen Forenbeiträge und Websites längst eine größere Rolle als Waffendepots und tote Briefkästen. Die rechten Denker denken, ihre Anhänger morden dann schon von ganz allein. Erst recht, wenn sie sich in der Mehrheit wähnen.
Insofern haben Donald Trump und auch die europäischen rechtsnationalistischen Populisten, die in den letzten Jahren große Erfolge erzielt haben, denn eben doch eine besondere Verantwortung für Zivilität. Und wenn sie der nicht nachkommen, dann sind sie eben doch, ja, schuld, wenn wieder ein weißer Mann meint, die Waffe ziehen zu müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn