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Widerstand gegen AbschiebungBewährungsstrafe für Adama K.

Das Amtsgericht Deggendorf verurteilt Adama K., die sich hochschwanger gegen ihre Abschiebung wehrte, zu sieben Monaten auf Bewährung.

Sollte kein Wunder geschehen, wird Adama K. demnächst in das Land abgeschoben, aus dem sie floh Foto: dpa

Berlin taz | Die Anklage hatte es in sich: Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in mehreren Fällen. Adama K., die sich vor einem Jahr gegen ihre Abschiebung nach Italien wehrte, ist am Dienstag vor dem Amtsgericht Deggendorf schuldig gesprochen worden. Sie erhielt sieben Monate auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte 12 Monate, die Verteidigung maximal sechs Monate gefordert. Zu ihren Gunsten wertete die Richterin, dass K. keine Vorstrafen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Aus unserer Sicht ist das ein politisches Urteil“, sagte Jana Weidhaase vom bayerischen Flüchtlingsrat. „Hier wurde ein Exempel statuiert: Widerstand gegen die Abschiebung soll sich nicht lohnen.“

Die heute 21-jährige Adama K. stammt aus Sierra Leone, hat jedoch keinen entsprechenden Pass. In Sierra Leone sollte sie beschnitten werden, Verwandte retteten die sedierte Jugendliche vor der Prozedur. Das Haus der Familie wurde später angezündet. Adama K. und ihre Familie flohen. Über Libyen und Italien gelangten sie schließlich nach Deutschland. So habe es Adama K. auch der Deggendorfer Richterin unter Tränen geschildert, berichtet Weidhaase, die am Dienstag im Gerichtssaal war.

Seit August 2017 lebt Adama K. in Deutschland, zusammen mit ihrem Lebensgefährten und ihren beiden Kindern. Das ältere besucht eine Kita in Straubing.

Biss in den Finger

Als sie und ihr damals vierjähriger Sohn im Mai 2018 im Zuge der Dublin-Regeln nach Italien abgeschoben werden sollten, war sie mit ihrem zweiten Kind schwanger. Schwarz, schwanger, mit Kleinkind und getrennt von ihrem Partner in Italien? Adama K. wehrte sich. Unter anderem biss sie einem Polizisten in den behandschuhten Finger – tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte also. Auch ein zweiter Abschiebeversuch scheiterte zwei Wochen später.

Die Richterin verzichtete in dem Verfahren auf weitere Auflagen, ermahnte Adama K. jedoch nachdrücklich, nun alles zu tun, um für sich und ihre Kinder Pässe zu beschaffen. Die fehlenden Papiere sind derzeit noch das einzige Abschiebehindernis.

Adama K.s Asylverfahren ist mittlerweile abgeschlossen, ihr Asylgesuch abgelehnt. Hat sie die nötigen Ausweispapiere, können sie und ihre beiden Kinder jederzeit abgeschoben werden – direkt nach Sierra Leone.

Eine Woche hat Adama K. theoretisch Zeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Doch mittlerweile sei sie wohl zu eingeschüchtert, meint Weidhaase. Die Kosten für das Verfahren und ihren Rechtsanwalt muss Adama K. selbst tragen. Der Flüchtlingsrat Bayern hat einen Spendenaufruf gestartet.

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33 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Liegt es an mir, oder warum verstehe ich den Artikel nicht. Sie soll nach Italien abgeschoben werden, wo ihr Partner lebt? Die Familie hat ihr zur Flucht verholfen und wer hat ihr die Beschneidung aufzwingen wollen?



    Der Asylantrag wurde in Deutschland abgelehnt, weil sie aus Italien kam? Dann kann sie also dort einen stellen?

    Ziemlich unklar, ich glaub, ich lese dazu eine andere Zeitung

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Der Partner lebt in DE.

      Übrigens behandelt dieser Artikel nur das Urteil.

      Wenn Sie mehr über die vergangenen Hintergründe erfahren wollen, müssen Sie zuerst die anderen ARTIKEL zu dem Thema lesen.

  • Die Situation der Betroffenen ist tragisch. Wir können aber nicht alle Menschen aufnehmen, die sich in ihren Heimatländern gegen (abscheuliche) Traditionen auflehnen.

    • @DaBa:

      Alle nehmen wir ja auch nicht auf! Momentan nehmen die Nachbarländer der Fluchtländer die meisten Menschen auf. Ein paar mehr kann Deutschland zur Entlastung schon aufnehmen!

      • @Anna Minerva:

        Jepp!

      • @Anna Minerva:

        "Ein paar mehr kann Deutschland zur Entlastung schon aufnehmen!"

        Wer soll denn hier entlastet werden?' Afrika mit seinem gewaltigen Bevölkerungswachstum oder unser Gewissen wegen der Verweigerung der möglichen Hilfe für Menschen in Not?

        Ersteres ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein der bei zu vielen Menschen falsche Hoffnungen weckt - letzteres ist auch nur eine Scheinlösung da die Entscheidung zur Verweigerung der Hilfe angesichts der Größe des Problems irgendwann zwangsläufig getroffen werden muss.

        • @A. Müllermilch:

          Asyl ist ein Grundrecht. Falls also jemand aus verschiedenen Gründen verfolgt wird, steht es ihm zu.

          • @Hampelstielz:

            Ja Asyl ist ein Grundrecht. Für Menschen die aus einem sicheren EU Staat kommen gildet dieses Grundrecht nicht. (GG 16 a Abs. 2) Und in Deutschland überprüfen Behörden und Gerichte wer dieses Grundrecht in Anspruch nehmen kann.

            Ist in diesem Fall aber egal, die Frau hat keine Papiere, niemand kann sie zwingen welche zu beantragen, Also bleibt sie für immer hier.Oder glauben Sie das die freiwillig ausreist?

          • @Hampelstielz:

            Das ist falsch. Das Grundrecht auf Asyl bezieht sich AUSSCHLIEßLICH auf POLITISCH Verfolgte! Armuts- oder Kriegsflüchtlinge und alle anderen haben KEINEN Anspruch auf Asyl nach GG.

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Ein Glück, daß die Dame nicht mit 74 km/h statt angemessener 30 ein vierjähriges Kind totgefahren hat. Sonst gäbe es krasse 40 Tagessätze und einen drakonischen Monat ohne Lappen obendrauf! Unsere Justiz ist eben auto-affin, nicht kinder-affin.

    www.tagesspiegel.d...rafe/24449036.html

  • Eine solche Abschiebung ist eine Schande für unser Land.

    • @Michael Haas:

      Erstmal einen ruhigen Blick in die Akten nehmen. ;-)

  • Schwangere und Kinder abschieben und der halbe Osten wählt braun weil ihnen das immer noch nicht reicht. In welchem Scheißland leben wir eigentlich?

    • @Benedikt Bräutigam:

      ... in einem Nazinachfolgestaat.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Hier gibt's Verwaltungsgerichte. Womöglich wurde zB kein "123er"(VwGO) gestellt, oder ein solcher Antrag war erfolglos.

    • @Benedikt Bräutigam:

      "In welchem Scheißland leben wir eigentlich?"



      Mutig, hätte ich mich nicht getraut so zu schreiben.



      Auf jeden Fall Zustimmung.

      • @Frau Kirschgrün:

        Da hilft nur Umzug in z.B. alle anderen EU Länder, Türkei, Nordafrika etc, da wird der Migrant noch willkommen geheißen, gebührlich respektiert und nicht abgeschoben sondern großzügig mit Wohnung und Taschengeld versorgt. Also, raus aus dem Scheißland Frau Kirschgrün und ab in gute Länder, das wär doch mal Haltung.

        • @joa :

          Ich denke, Sie haben Ihre sarkastische Ironie zu gut verpackt, als das es die meisten Leser richtig verstanden hätten.

          Eine Zelle als Wohnung - geschenkt, aber bekommt man in türkischen Gefängnissen wirklich Taschengeld?

        • @joa :

          Soweit Sie sagen wollten, stark verkürzt, es ginge (mathematisch) nicht, Kosten von Migration auszuweiten, haben Sie (mathematisch) grundsätzlich recht.

          Richtig ist gewiss ebenfalls, Migration darf nicht überfordern. "Darf" richtet sich nicht an das Prinzip von Hilfe, sondern an den Punkt, wann eine Gesellschaft den kritischen Punkt erreicht (hat).

          Aus meiner Sicht ist jedoch Entspannung angezeigt. Eine Hysterie um Zuwanderung wird aus pol. Gründen genährt.

          Viel schlimmer sind Umweltverschmutzung und diese überkommene Arm-Reich-Struktur der Gesellschaft bzw Welt.

          Ich halte auch nicht den "Migranten" für idR "unverschämt", sondern, Verzeihung, das neoklassisch strukturierte "Reichenpa..k", das in der Glaubensgemeinschaft der eigenen Elitensendung lebt.



          Ich sehe mich dabei eher als konservativ, aber selbst bei mir ist angekommen, das sich Grundlegendes grundlegend zu ändern hat, sprich, es gibt aus wiss. Sicht keine Rechtfertigung für Millionen und Milliardäre, zumal - wie hoffentlich alle wissen - Geld grundsätzlich nichts ist.

        • @joa :

          Wie niveauvoll!



          Sie finden das offenbar witzig – seltsamer Humor, mit Verlaub.

          • 8G
            83492 (Profil gelöscht)
            @Frau Kirschgrün:

            Ich formuliere @Joas Beitrag mal als Frage: wenn Deutschland so ein Scheißland ist, in dem es vor Faschisten wimmelt und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, warum ist es dann das Hauptziel der Migration in Europa?

            Wenn auch in Einzelfällen Dinge falsch laufen, ist es nicht angemessen zu hyperventilieren und alles als Mist anzusehen.

        • @joa :

          Hab die Tage eine Rede von Lübcke im Fernsehen gesehen, in welcher er den Deutschen, die ein Problem mit der Idee der FDGO haben, rhetorisch sehr gut verpackt nahelegt, auswandern zu können. Der Anfang hätte dir noch gefallen, der Schlußteil wohl weniger.

          • @Hampelstielz:

            Ich sehe da keinen Dissens zwischen Lübcke und Joa zynischen Beitrag.

            Eher besteht einen Dissens zwischen den „Scheißland“-Verfechtern und Lübcke. Lübcke äußerte sich dazu explizit gegenteilig und Wies darauf hin dass hier jeder die Freiheit hat ein besseres Land aufzusuchen, wenn es ihm hier nicht gefällt.

  • Es ist ein Skandal, dass aus Deutschland überhaupt Schwangere sowie Mütter mit Kleinkindern abgeschoben werden. Will man warten bis eine brutale Abschiebung mitten in der Nacht eine Frühgeburt mit Todesfolge für Kind oder Mutter auslöst und ein Gericht sie endlich verbietet? Auch wird nicht zum ersten Mal mit der absurden Begründung es gebe noch keine familiäre Bindung eine Familie Grundgesetzwidrig auseinander gerissen. So wurde vor einem Jahr ein Vater während der Geburt seines Kindes auf der Geburtsstation verhaftet



    www.kn-online.de/N...er-aus-Krankenhaus



    Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar werdende Mütter zwangsweise zu Alleinerziehenden von Baby und Kleinkind zu machen? Schwangere und Kinder sind nach EU-Recht besonders schutzbedürftig. Auch wer nicht schwanger bzw. Vater von Kindern war kann sich vorstellen was eine Abschiebung in dieser Situation bedeutet außer deutschen Politiker:innen und Polizeibeamt:innen. Deutschland unterzeichnete auch die UN-Kinderrechtskonvention wendet sie aber im Asylbereich kaum an und steckt Mütter in Abschiebehaft und trennt sie dabei gewaltsam von ihren Kindern was nachweislich häufig psychische Folgen für kleine Kinder hat. Last but not least ist die nun geplante Abschiebung einer jungen Frau zurück ins Land aus dem sie vor weiblicher Genitalverstümmelung floh - was in Deutschland ein eigener Straftatsbestand ist (§ 226a StGB) und weltweit geächtet ist rechtlich nicht nachvollziehbar. Oft verharmlosend genannte "Beschneidungen" von Mädchen und Frauen sind Verstümmelungen weiblicher Genitalien die zu lebenslangen medizinischen Komplikationen, dauerhaft Schmerzen oder kein Empfinden beim Sexualverkehr sowie psychischen Folgeschäden führen. Sie gelten als besonders brutale Form der Diskriminierung von Mädchen und Frauen. www.unwomen.de/sch...erstuemmelung.html

  • Hoffentlich können die fehlenden Papiere zeitnah beschafft werden.

    • @DiMa:

      warum?

    • @DiMa:

      Ich hoffe mal, dass Sie nicht so genau gelesen haben. Sobald Papiere vorliegen wird nach Sierra Leone abgeschoben, falls keine vorliegen kommt die Abschiebung nach Ialien.

  • Die Richterin sollte abgeschoben werden um die örtlichen Bräuche und Traditionen kennen zu lernen...einfach nur zum kotzen.

    • @Sascha Smandzik:

      Ja, die Richterin wird dann sicher in Italien furchtbar leiden.

      • @Max Mustermann:

        Der Gerichtshof für Menschenrechte wird das Urteil schon aufheben.

        • @SaberRider:

          Warum sollte er? Auf welcher Rechtsgrundlage?

      • @Max Mustermann:

        Der Gerichtshof für Menschenrechte wird das Urteil schon aufheben.

        • @SaberRider:

          Das Verfahren ist rechtskräftig, es gibt keine Rechtsmittel mehr.