piwik no script img

Kolumne Mithulogie„Vulvalippen“ in den Duden!

Der Duden, Ärzt*innen und Lehrer*innen sprechen von Schamlippen. Das muss aufhören: Es gibt keinen Grund, sich für seine Genitalien zu schämen!

Viva la vulva statt Viva la Scham Foto: dpa

H eute schon über Genitalien geredet? Ja (dann beim nächsten Absatz weiterlesen). Nein (dann beim nächsten Absatz weiterlesen). Vielleicht (okay, möglicherweise ist diese Kolumne nicht für Sie, aber vielleicht sollten Sie gerade deshalb beim nächsten Absatz weiterlesen).

Es gibt nämlich ein schönes neues Wort, das sich so anhört als wäre es ein schönes altes Wort. Während das alte so veraltet klingt, als müsse es dringend ins Museum der ausrangierten Worte. Die Rede ist von den Schamlippen. Wieso schämen? Weshalb also weiterhin Schamlippen sagen? Warum nicht ein lustvolleres Wort?

Zum Glück hat die Journalistin Gunda Windmüller eines vorgeschlagen. Es sind die Lippen der Vulva, also heißen sie: Vulvalippen – naheliegend. Und deutlich naheliegender, als sie Scham- oder Schuld- oder Sonst-was-Lippen zu nennen.

„Aber warum sagt ihr dann nicht Labien? Das steht bereits im Duden.“ Stimmt, nur wird in Grundschulen und Kindergärten nicht Latein gesprochen, sondern die deutsche Übersetzung verwendet und damit lernen Kinder von Anfang an, dass da Teile an ihrem Körper sind, für die sie sich schämen sollen. Scheiße gelaufen. „Schamlippen ist gar nicht die Übersetzung von Labien, das wäre Lippen, interpretiere nicht überall Diskriminierung rein.“

Von Pussyrüschen zu Muschiflügeln

Doch! Denn für die Kirche war alles, was mit Sex zu tun hatte, Teufelszeug, für das man sich gefälligst zu schämen hatte. Deshalb nannten sie Genitalien auch genau so: Pudendum. Das ist das Partizip von beschämen. Und die Lippen der beschämenden Teile sind halt Schamlippen. In zehn Jahren werden wir mal zurückschauen und denken: Unglaublich, wir haben Anfang des dritten Jahrtausends noch Schamgenitalien gesagt? Gab es da keine Petition?

Doch, gibt es. Jetzt! Postet ein Foto von euch mit dem Vulvalippen-Zeichen (Victory-Zeichen plus Daumen – also Mittelfinger und Zeigefinger formen das V und der zur Seite gespreizte Daumen macht daraus das VL) und dem #vulvalippen auf sozialen Medien und fordert das Ende der Scham(lippen).

Ich fand das so einfach und einleuchtend, dass ich es überall verbreitete. Und war überrascht, dass mein Umfeld sofort begann, mich mit Alternativvorschlägen zu bombardieren: Pussyrüschen, Vulvinalippen, Intimbordüre, Geschlechtslippen oder mein Lieblingsvorschlag: „Muschiflügel. Es ist ein zusammengeklappter Schmetterling!“

Anscheinend machen sich eine Menge Menschen kluge Gedanken über ihre intime Kommunikation. Das macht Mut! Lasst uns gemeinsam brainstormen. Auch für mehr als ein Wort. Und die Schamhaare müssen natürlich auch noch umbenannt werden. Wie wäre es mit Charmehaare? Der erste Schritt ist, Vulvalippen in den Duden zu bekommen. Dafür brauchen wir genügend Erwähnungen. Also: Vulvalippen, Vulvalippen, Vulvalippen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Eigentlich ist es mir ja ziemlich egal, wie Frau ihre Geschlechtsteile nennt, wenn sie damit leben kann das es den ein oder anderen Lacher im Bett gibt, wenn sie von ihrer Intimbordüre spricht. Mir wäre nie der Gedanke gekommen das "Schamlippen" wirklich mit schämen" in Verbindung stehen. Ist halt einfach nur ein Wort für mich.

    Ausserdem rede ich eigentlich nicht über meine Geschlechtsteile. Was gibt es da auch im Alltag großartig zu bereden?

    Lustig fand ich aber folgendes: "oder mein Lieblingsvorschlag: „Muschiflügel. Es ist ein zusammengeklappter Schmetterling!“

    ^^Und ein errigierter Penis erinnert mich an den Kirchturm einer Kathedrale, ach was; an einen Felsen in der Brandung lol....

  • Maenner haben auch Probleme...



    www.youtube.com/watch?v=acu4665oez8

    • @Charlie Foxtrot:

      Sehr schön !

  • "Mithulogie" als Wort ist ja wohl mindestens drei Schuhnummern zu groß. Aus dem eigenen Vornamen eine Überschrift machen, da muss Frau sich aber maßlos überschätzen. Kafkaesk kann ich verstehen, der Herr ist aber tot und hat sehr viel Wesentlicheres geleistet. Insofern ist die Wortschöpfung mit dem berühmten Sack Reis in China zu vergleichen

    • @Sarg Kuss Möder:

      Gefühlt jede zweite Kolumne in der deutschen Medienlandschaft ist nach der AutorIn benannt, und ansonsten scheint es niemanden zu stören.

  • Das Stichwort .. "MITHULOGIE" deutet wohl an , dass der Text der privaten Meinung/Phantasie/Eingebung der Verfasserin , der Frau Mithu Sanyal.. entspricht ? ..die, als in der BRD geboren, mit assimilierten hinduistisch/indischen Vater..(sie hat ja in anderen TAZ Texten ihre Herkunft zur Diskussion gestellt !) das Glück mit sich hatte, eine art `exotische Jugend , eines Mix hinduistischer Mystik und deutsch/westlicher säkulärer Werte von Aufklärung zu erfahren.. und diese `Komposition der Kulturen´in ihr.. zeigt sich , in ihren ästhetischen Texten , als eine zauberhafte Bereicherung des rational stagnierenden Lebensgefühls in der Literatur der BRD !



    ..m.E. ist Frau Mithu Sanyal sichtbar als eine art "ästhetische Aufklärerin" feministischer Coleur , gegen die harte Rationalität der Macht männlich religiös/sexueller Werte/Stagnation und deren Unterdrückung weiblicher Sexualität !



    "VIVA la VULVA" ... !!!

    • @vergessene Liebe:

      Ja wie*?* Sag ich´s jetzt aber denn doch noch - doch doch.

      "VIVA la VULVA" ... !!!

      Als Elativ in den Duden. Newahr.



      Normal. - "Vulvalippen" - Das putzt doch ganz ungemein.



      Noch. Normal. Piercing inclusive.

      Ha noi. - Frauman gönnt sich ja sonst einfach nix.



      &



      um sodele "...eines Mix hinduistischer Mystik und deutsch/westlicher säkulärer Werte von Aufklärung zu erfahren..."



      & damit nicht genug -- gell.



      "und diese `Komposition der Kulturen´"

      Na Mahlzeit - What`a fine colored smell -



      "gegen die harte Rationalität der Macht männlich religiös/sexueller Werte/Stagnation und deren Unterdrückung weiblicher Sexualität !" ala feministischer Coleur - eine(r) art "ästhetische(r) Aufklärerin".

      kurz - Wat höbt wi lacht. Mithulogielalalie - Vom Feinsten.



      &



      Liggers. Rein tonn katolsch warrn.



      Njorp.

      • @Lowandorder:

        ..ach ja guter LOWI.. deine rational- vernünftige "LOWILOGIE" - hier inne´TAZ.. eben `unschlagbar´..



        -------------



        das "rationale Schambein" des männlichen `venushügels´..



        ------------



        ..und das frisch-fröhlich-naive multikulturelle Wesen feministisch/ ästhetischer Selbsterfahrung.. dabei..



        die historischen Grenzen der "Scham" in der dütschen Semantik des religiösen hinter sich zu lassen..



        --------------



        ..wie befreiend-



        und dein freudiges Lachen tönt...

        • @vergessene Liebe:

          ;) Habs aber nienich vergessen -

          Das Teil mal krachen gehört zu haben.



          Zum Glück war‘s aber nur eins der sich entspannenden Hüftgelenke.



          Ne Dehnung aber - reichte andermal allemal & all that stuff - you know.

          kurz - Diese Logelelalalie-en in Ehren.



          Lachen vor allem - inclusive. Aber ja.



          Aber - immer mitgedacht/erfahren:



          “Sei ehrlich - das Leben ist - lebensgefährlich.“ - (E. K.;)



          & sodele —



          Up&down & bothsides now!



          www.youtube.com/watch?v=wyYuFBj8PTU -



          &



          If I had a hammer. Yes.

  • Der hier beschriebene Gruß entspricht leider 1:1 dem “Kühnengruß“, dem Ersatz-Hitlergruß.

    Für alle Männer, die rumjammern, dass das ja schon immer so war und man dann ja auch vieles andere umbenennen müsse: Ja, es wäre in der Tat sehr gut, etliche Dinge umzubennen, denn wir können aus der Vergangenheit lernen und sollten zu mehr als ihr fähig sein.

  • Als würden Kindergartenkinder heutzutage wissen, was Scham ist.

    Die größeren sowieso nicht. Die bauen Scheiße und stehen dazu, oder es ist ihnen egal.

  • Interessanterweise nimmt die "Scham" aber in den letzten Jahren wieder massiv zu, in Saunen werden jetzt "Bekleidungstage" eingeführt und Sportler duschen in Unterhosen....

  • Auf dem Land in den Siebzigern, da hätte der Artikel vielleicht noch gefunkt. Aber jetzt in Zeiten universeller Pornografie-Verfügbarkeit? Die dadurch erzeugte Scham ist die Scham, dass die Schamlippen nicht so ausschauen wie im Porno. Wenn die Nomenklatur gewechselt wird schämen sich die Gleichen wegen ihrer Vulvalippen. Was für ein Fortschritt!

  • Das Schambein (Os pubis) wird oft auch „Venushügel“ genannt. Notfalls könnte man deshalb ja auch statt Schamlippen von Venuslippen sprechen.



    Da sogar Fußballspieler ein Schambein haben, ist dies aber nicht ganz unproblematisch, denn was hat die Venus beim Manne da unten eigentlich immer zu suchen?



    Autsch - jetzt ist mir beim Schreiben der Adamsapfel auf die Achillesferse gefallen «(º¿º)»

    • @Rainer B.:

      "denn was hat die Venus beim Manne da unten eigentlich immer zu suchen?"

      Also... wenn ein Mann und eine Göttin sich ganz doll lieb haben...

      • @sart:

        .... dann kauft er dem Storch ein Erdbeereis.

        • @Rainer B.:

          :D

  • Kann man dann auch 'Sackhaar' sagen dürfen oder ist das schon wieder männlicher Chauvinismus? Besser das ambivalentere 'Hangmoos'?



    Anstatt die Sprache anzupassen um die Gesellschaft zu beeinflussen sollte man die Gesellschaft verändern - die Sprache entwickelt sich mit dieser ganz natürlich mit.

    • @mallm:

      Sprache und Gesellschaft, bzw. Realität bedingen sich gegenseitig - man nennt es auch „framen“. Die Sprache, die wir verwenden fungiert hier quasi als das Betriebssystem unserer Wahrnehmung, durch die wir unser Umfeld interpretieren. Wie wir sprechen, ist also entscheidend dafür, wie wir denken und mit anderen interagieren.

      Sprache schafft Realität.

      • @NichtHorstSeehofer:

        Rischtisch...

  • Zitat: „Denn für die Kirche war alles, was mit Sex zu tun hatte, Teufelszeug, für das man sich gefälligst zu schämen hatte.“

    Kein Wunder. Wer starken Trieben folgt, der schert sich nicht um Ge- oder Verbote. Die Kirchen, mitgliederstark, hierarchisch organisiert und auf Privilegien ausgerichtet wie sie waren bzw. sind, konnten und können es unmöglich zulassen, dass der Sex ihnen die Macht streitig macht. In der direkten Konkurrenz könnten sie nur unterliegen, das war zumindest den zum weitgehenden Triebverzicht verurteilten Kirchenleuten sonnenklar.

    Scham ist ein Machtinstrument. Wer das weiß, der kann drauf spielen. In sofern würde ich mir wünschen, dass wir alle noch viel schamloser werden. Wir sind ja schließlich alle frei geboren und frei bleibt man noch lange nicht, nur weil der Sex nicht mehr so schambeladen ist wie früher. Sexualität ist ja doch nicht das Einzige, wofür man sich zu schämen hat nach Ansicht der diversen Ton-Angeber.

    Wir sollen uns für vieles schämen. Dafür, etwa, dass wir zu dick oder zu dünn sind, keine oder die falschen Hobbys pflegen, falsch konsumieren, uns verkehrt kleiden und frisieren, zu viel oder zu wenig Fleisch verzehren, das falsche oder überhaupt ein Auto fahren, nicht die richtige Partei wählen, zu wenig verdienen und nicht genug Ahnung und/oder Einfluss haben und überhaupt andere Prioritäten setzen, als „man“ von uns erwartet.

    Wieso sollten wir also das Wort Scham aus unserem Wortschatz streichen? Damit die, die uns mit Hilfe unserer Scham beherrschen wollen, es leichter haben, nicht erwischt zu werden bei ihren Manipulationsversuchen?

    Die Schamlippen sind eine der letzten offiziellen Erinnerungen an ein gesellschaftliches Phänomen, das man dringend im Auge behalten muss. Sie um eines kurzfristigen Triumphs willen umzubenennen und so sie Scham unsichtbar zu machen, ist keine besonders gute Idee. Das, wofür es keine Worte mehr gibt, wird nämlich oft nur noch viel stärker dadurch, dass es im Unbewussten wirkt.

    • @mowgli:

      Däh! - Daß ich das noch erleben darf - No! Dess. Dess hab ich mir schon immer gewünscht.



      Daß ich “eine der letzten offiziellen Erinnerungen an ein gesellschaftliches Phänomen, das man dringend im Auge behalten muss.“ - in echt im Auge behalten solldarf. Wollnichwoll.

      Nu. Mann weißt ja nie. Newahr.



      Normal. Schamlos.

  • Meine Biologielehrerin erklärte uns schon 1984, dass es lieber Scheidenlippen als Schamlippen heißen solle, da sich niemand seiner Scheide zu schämen habe.



    "Scheide", erinnere ich, galt ihr und auch mir damals als Gesamtkeit von Vulva und Vagina, auch wenn heute bei "Scheide" immer das verklemmt-gelehrsame "Vagina" von Journalist*innen mitklingt, die eigentlich die Vulva meinen.

  • Richtig! Bitte auch das Jochbein umbennen. Schließlich steht das Joch für mittelalterliche Prangerstrafen!

    • @Clara Kreuzer:

      Ps: das Joch steht auch nicht für die Prangerstrafe, denn dafür steht der Pranger. Das Joch steht für die (harte und ausbeuterische) Arbeit.

    • @Clara Kreuzer:

      Lieber Thomas,



      das Jochbein wurde reskriptiv aufgrund der optischen Ähnlichkeit benannt, ähnlich dem Wort „Glühbirne“. Der Unterschied liegt hier nur darin, dass der Ausdruck „Scham“ ausschließlich eine wertende jedoch keinerlei formbeschreibende Bedeutung hat.



      Daher handelt es sich hier keineswegs um Bildsprache wie in „Flussbett“,“Glühbirne“,“Stuhlbein“,etc.

      Ähnlichkeiten darin wie die Wortverwendung Ausdruck einer Hierarchie ist, findest du zum Beispiel auch in Beispielen wie „Wohnungslose“ im Gegensatz zu „Penner“. etc. auch wenn der Vergleich hier nicht 100% zutreffend ist da „Penner“ wohl aus dem Umstand des schutzlosen Schlafens im öffentlichen Raum seinen Ursprung hat, wohingegen „Schamlippen“, „Schambereich“, etc. einen biblischen Ursprung hat (siehe die sg.„Schöpfungsgeschichte“).

      Liebe Grüße und ich hoffe, ich konnte dir bei deiner Verwirrung weiterhelfen,



      Offensichtlich NichtHorstSeehofer

      • @NichtHorstSeehofer:

        ;)) - Jau - wat höpt wi lacht - bothsides.

        Aber Birne - is Läuse&Flöhe - hm*¿*



        Soweitse Kohl is - auch klar. Newahr.



        Normal.

        ——



        (Obwohl Obwohl - se dank le petit cheflê spätzlê - ja post - nich ins Grab gelegt werden durftê;)) - Anyway.



        Gut verwah’t - im Skat!;) Yes’n Prost.



        &



        Danke.