piwik no script img

Kolumne HabibitusWake me up when september ends

Deutsche lügen sich die Welt so zurecht, dass nicht-weiße Menschen zu Verbrechern werden. Damit machen sie sich zu Opfern, die sie nicht sind.

Lügen-Trixie ist nicht die einzige, die Unwahrheiten über Verbrechen verbreitet Foto: dpa

D eutsche haben eine blühende Fantasie. Sie erachten ihre „Kultur“ als erhaltenswert, ihre Sprache als schützenswert vor genderneutralen Ausdrücken und Anglizismen und ihre Körperpflege gegenüber „unzivilisierten Muslimen“ als überlegen. So weit, so peinlich. Als zögen sie schon allein deshalb nicht schon genug bedrohliche Register (von Hassrede über körperliche Gewalt bis hin zu Mord), hängen sie sich seit einiger Zeit an einem ganz besonderen Topos auf: der Gefährliche Ausländer™.

Der Gefährliche Ausländer™ inspiriert Politiker_innen wie Beatrix von Storch dazu, im Nachrichtensender BBC live in die Kamera über Kriminalstatistiken zu lügen. Nachdem Trixie sich vor der ganzen Welt blamiert hat, haben ihre Nazi-Follower noch nicht genug Demütigung erfahren und spielen weiter Harry Potter. Sie wünschen sich Dinge dort, wo sie nicht existieren. Doch sie haben im Gegensatz zum britischen Zaubererstar nicht im Alter von zehn Jahren eine Einladung nach Hogwarts bekommen, haben keine magischen Kräfte, nur ein rassistisches Weltbild. Und während der September in Hogwarts für den Schulbeginn steht, toben Deutsche sich hier momentan so richtig aus.

Anfang September gab es in der Berliner U-­Bahnlinie U7 einen Messerangriff von einem Neonazi auf eine Person, die ihn wegen seines Nazi-Tattoos als „Fascho“ bezeichnet hatte. Beide Personen sind weiße Deutsche. Doch die Tatsache, dass der Täter schwarze Haare hatte, reichte beim Verbreiten des dokumentierenden Videos dafür, dass der Neonazi plötzlich zum „Südländer“, dann zum „Araber“ und schließlich zum „Moslem“ gemacht wurde. Nicht, weil es dafür Indizien gab, sondern weil es diese große deutsche Sehnsucht danach gibt, nicht-weißen Menschen Verbrechen zuzuschieben. Unangenehm, wenn sich diese Fake News als solche entlarvt.

Deutschen reicht es nicht aus, existierende Angriffe durch Fehlinformationen neu, nämlich rassistisch zu erzählen, sondern sie faken sogar welche, um ihr Opfer-Abo aufrecht zu erhalten. Deutschland, bist du von Sternzeichen Krebs, oder warum siehst du dich selbst dann als Geschädigter, wenn du selbst das Messer zückst? Ein paar Tage nach dem Fall in Berlin gab sich im bayrischen Neustadt ein 42-Jähriger besonders viel Mühe. Er stach sich eiskalt mit dem Messer in den Bauch und schob die Tatschuld „drei dunkelhäutigen Männer“ zu. Diese drei Männer hat es jedoch nie gegeben.

Leider ist er nicht der einzige Deutsche, der sich die Welt zurechtlügt. Eine 30-Jährige aus Ismaning bei München behauptete ebenfalls diesen Monat, sie sei nachts an der U-Bahn von einem Araber begrapscht und beklaut wurden. Stellt sich raus: Sie war einfach besoffen, und es ist nie irgendwas vorgefallen. Vielleicht fühlte sie sich inspiriert durch die 28-Jährige aus der Nachbarstadt Germering, die einen Raubüberfall durch einen Asylbewerber vorgetäuscht hat. Ist nämlich auch nie passiert. Deutschland, bist du ein Land oder ein Opfer?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Großartiger Text!



    Auf den Punkt.

  • H Y fängt ein bisschen mehr an, in die Fußstapfen von D Y zu schlüpfen. Weiter so. Viel Spaß dabei...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Wenn Sie das denken, dann haben Sie ganz sicher die genialen Provokationen von Deniz nicht verstanden. Da ist noch viel Luft nach oben aber Yaghoobifarah ist ja auch noch jünger.

      • @My Sharona:

        +1 Ne Rüge vom Presserat wird man mit so einfach gestrickten Polemiken a‘la Kartoffeln Staffel 4.0 nicht erreichen ;-)

  • Höhö, die Superdeutsche mit dem lustigen Nachnamen hat wieder zugeschlagen.

  • Bischen langweilig diesmal die Kolumne. Rechtspopos wurden einfach nur per "Suchen und Ersetzen" durch "Deutsche" ersetzt. Durchschaubar. Es wird aber bestimmt doch jemand an diesem Plastikwurm anbeißen. ;-)

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Der französiche Polemist Éric Zemmour hat kürzlich zu einer afrofranzösischen Frensehmoderatorin gesagt, ihr Vorame sei eine Schande für Frankreich und ihre Mutter hätte sie lieber Corinne nennen sollen. Könnten Sie sich derartiges in einer deutschen Talkshow vorstellen liebe Frau Yaghoobifarah?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Das stimmt. Aber: In Frankreich müssen die, die das mögen den Quenelle-Gruß machen.

      Hierzulande kann man auf Demonstrationen mittlerweile ganz ungezwungen den deutschen Gruß zeigen.

      Siehe aktuellen taz-Artikel über die Nazi-Demo in Dortmund. Oder in Chemnitz. Oder wo auch noch.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Andererseits. Wir sind eines der wenigen Länder in denen das verboten ist. Finde ich schon mal ziemlich gut.

  • Das kommt davon, wenn man/ frau zu viele Bilder von Beatrix von Storch gesehen hat. Für eine inhaltliche Gestaltung der Debatte ist Herr Mansour zuständig. Dies und andere Polemiken erreichen die Adressaten nicht bzw sie amüsieren sich sogar darüber.

    • @aujau:

      Das kommt davon, wenn Einloggen und Absenden falsch angeklickt werden.

  • Die Kernfrage bei Frau Yaghoobifarahs Beiträgen ist für mich nicht so sehr das was sie sagen will (das ist ohnehin eintönig), sondern gegen welchen Strohmann sie grade ankämpft.

    Das einzige was verwundert ist das sie hier mit dem “Opfer-Abo” einen Begriff, der meines Wissens nach, von Herrn Kachelmann geprägt wurde aufgreift.

    • @Januß:

      Spannend bei Artikeln von HY ist doch nur das Verhältnis / Quote der ablehnenden zu relativierenden und zustimmenden Kommentaren.

      Ansonsten hoffe ich nur, dass HY (und an.schlaege) nur Teil einer geschützten Minderheit bleiben ...

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Die Autorin ist deutsch also vom Sternzeichen Krebs?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Das kommt also dabei heraus, wenn frau 'irgendwas mit Medien' studiert hat?

    Hessisches Fragewort mit zwei Buchstaben: Hä?

    Frage an taz: gehen Euch die SchreiberInnnen aus? Wenn die Not so gross ist, reicht eine Anfrage bei mir.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Meinen Sie, es würde ihnen gelingen das Forum auch so zu reizen?

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Es kommt bestimmt noch was mit Fleischeinlage :-)

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Ach Fissi,

          Sie geben sich solche Mühe ... und bekommen so wenig Resonanz. Wie gerne würde ich Ihren - sagen wir mal - Humor verstehen. Es will mir einfach nicht gelingen.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Ach Wolfi,

            Die Fleischeinlage war nicht auf Sie gemünzt. Persönlich werdender Krams wäre nicht witzig. Das war @taz und die Lieblingsthemen der Kommentatoren. Aber ja, die Fleischeinlage konnte man auch in den falschen Hals bekommen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Ich befürchte: nein. Dafür sind meine Kapazitäten doch arg begrenzt.

  • 8G
    80975 (Profil gelöscht)

    Ein niveuloser und generalisierender Artikel, der mit nichts informiert und schon gar nicht auch nur ansatzweise irgend etwas Poitives in den Diskurs zu bringen vermag.

  • Ja. Obwohl "formal" kein Deutscher, bin ich es irgendwie doch, nach über 40 Jahren.

    Ja, ich lese Frau Yaghoobifarahs Artikel gerne, weil scharf u d analytisch.

    Nein, die überspitzte Polemik gefällt mir trotzdem nicht, weil sie spaltet statt zu einen.

    Mir ist zwar klar, dass die Autorin das parodiert, was Von Storch macht: eine Von Storch jedoch können wir nicht gebrauchen, weder "von rechts" noch "von links".

    "Manche Deutsche" am anfang des Artikels hätte mir etwas besser gefallen als einfach nur "Deutsche".

  • Die gleiche dümmliche, rassistische Verallgemeinerung von Einzelfällen wie bei den Rechtsradikalen. Wie bei "Lügen-Trixie", nur umgekehrt.

  • Deutschland, du Opfer, gib Handy.

    Ich würde sagen der Kommentarbereich beantwortet alle Fragen :)

  • Tellerränder sind mitunter schon eine unüberwindliche Hürde - Sie bleibt sich treu.

  • Als ich mir (in China!) nach dem Stuhlgang zum ersten Mal den Hintern mit Hand und Schlauch reinigen musste (nein, durfte), habe ich sie endlich erkannt: die grenzenlose Überlegenheit der nicht-weißen Kultur, die sich niemals als Opfer darstellen und Übergriffe erfinden würde.

    Danke an dat Heng, dass sie das nochmal in aller Deutlichkeit betont. Scheisendrecksland!

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    Liebe taz-Redaktion,

    ich würde mir von Ihnen ein paar klärende Worte wünschen, warum die Beiträge von Frau Yaghoobifara eine Bereicherung der taz sind. Ich selber bin überfordert das zu erkennen.

    • 2G
      2730 (Profil gelöscht)
      @83492 (Profil gelöscht):

      ...irgendwer muss doch das Niveau runterziehen.



      Nimm Frauherrnirgendwas Y.'s Geschreibsel einfach nicht ernst - sie tut es wohl selber nicht.



      Die meisten ihrer Artikel sind leider Müll (wie gesagt, ernst nehmen kann man diese nicht und für Satire (selbst für Sarkasmus) muss sie noch 'ne Menge üben). Blöde ist nur, dass sie den rechten ### (ich verwende sonntags die angemessenen Ausdrücke leider nicht) zu viel Verbal-Munition liefert.

  • Provokation ist eine schöne Sache, aber man muss auch darauf antworten: Dieser Beitrag ist falsch und rassistisch - auch wenn er versucht, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Denn es sind nicht "Deutsche" oder "die Deutschen", sondern es sind halt nur einige, wenn auch zu viele. Die gleiche Haltung, die hier den Deutschen vorgeworfen wird, findet sich auch in den USA, in Serbien, in Spanien, in Polen, in Ungarn, in der Türkei, im Iran, in Indien und eigentlich überall in der Welt. Aber es sind nicht "die Deutschen", nicht die Mehrheit, auch wenn zuviel unsinniges Gedankengut seit langem gesellschaftsfähig ist. Genausowenig wie ein krimineller Ausländer für alle steht, oder ein Türke oder ein Zigeuner für alle, genausowenig steht Frau von Storch für alle Deutschen, auch wenn sie von einer Gruppe gewählt wurde. Wenn wir das sprachlich nicht differenzieren, betreiben wir Ethnisierung und damit das Geschäft der Rechten. Ja, ich weiss, dass Ethnisierung auch im linken Spektrum Furore macht, auch in der Taz. Jede Einzelperson ist für seine Taten verantwortlich, im Umkehrschluss muss ich mich mit jedem als Einzelperson auseinandersetzen und komme mit Ethnisierung und Typologien zu falschen Schlüssen. Durch die gegenwärtige Einwanderung kommt es zu sozialen Problemen. Manche davon sind durch Tradition und Gewohnheit bedingt - die beide Seiten nicht aufgeben wollen - manche durch die Verrohung junger Menschen auf der Flucht, manche durch Armut. Wir sollten Wege finden, darüber zu sprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass muslimische oder "ausländische" Mitbürger es toll finden, wenn ihre minderjährigen Töchter belästigt werden - egal von wem! Wir sollten also Lösungen und finden und unser Zusammenleben aktiv gestalten und uns nicht auf ethnische Standpunkte zurück ziehen.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @EricB:

      "Dieser Beitrag ist falsch und rassistisch"



      Das kann er gar nicht sein. S. Frau Sow in www.taz.de/!5493873/:

      taz: Sie erklären in einem Kapitel, warum es keinen Rassismus gegen weiße Menschen gibt. Bekommen Sie den Vorwurf dennoch oft zu hören?

      Sow: Mit Anfängern rede ich schon länger nicht mehr und kann das als performativ-didaktische Maßnahme allen nur total empfehlen.

    • @EricB:

      STRG+F "die deutschen"

      Erkennste was? Richtig, steht nicht im Text. Hengameh Yaghoobifarah nutzt eines der sprachlichen Werkzeuge der rechten Propagandisten: Die Verwischung des Unterschieds zwischen jedem und allen.

      Aber alle.

      • @Unerträgliche Seinsleichtigkeit:

        Hoppla, da ging was schief und ein Teil fehlt:

        Bernd: Flüchtlinge messern uns und überhaupt. Aber damit meine ich natürlich nicht jeden.

        Aber alle.

  • Zumindest in der TAZ habe ich selten ein dümmlicheren, miserabel belegten Kommentar gelesen, der zudem voller rassistischer Vorurteile strotzt. Peinlich!