piwik no script img

UN-Paket zu MenschenrechtsnormenDeutschland blockiert Abkommen

Die Vereinten Nationen wollen Unternehmen verpflichten, ihre Mitarbeiter besser zu behandeln. Die Bundesregierung hält davon wenig.

Menschenrechte in Konzernen? Auf dem Ohr stellt sich Sigmar Gabriels Außenministerium taub Foto: dpa

Keine Einsicht, kein Entgegenkommen: Die Bundesregierung lehnt ein Abkommen der Vereinten Nationen mit verbindlichen Menschenrechtsnormen für transnationale Konzerne und andere Unternehmen weiterhin ab und bemüht sich mit ihren EU-Partnern um einen Abbruch der Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat. Treiber für die ablehnende Haltung Berlins ist das derzeit noch von SPD-Minister Sigmar Gabriel geführte Außenministerium. Unterstützt wird die Ablehnung zudem von den Ressorts Entwicklung, Wirtschaft, Justiz sowie Arbeit und Soziales.

Im Juni 2014 hatte der UN-Menschenrechtsrat eine „offene Arbeitsgruppe zur Erarbeitung rechtlich verbindlicher Menschenrechtsregeln für transnationale Konzerne und andere Wirtschaftsunternehmen“ eingesetzt, an deren Verhandlungen sich über 100 UN-Mitgliedsstaaten beteiligen.

Die dritte Verhandlungsrunde im Oktober letzten Jahres, bei der der ecuadorianische Vorsitzende einen ersten Entwurf für ein Abkommen vorlegte, wurde von Deutschland und anderen EU-Staaten weit­gehend boykottiert. Bei den Beratungen über den UN-Haushalt 2018/19 im Finanzausschuss der UN-Vollversammlung Ende 2017 scheiterten die Kritiker aber mit dem Antrag, kein Geld für die nächsten Verhandlungsrunden bereitzustellen.

Die SPD hatte in ihrem Regierungsprogramm eine Umsetzung des von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte mit „verbindlichen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen“ versprochen – und zudem mehr Verantwortung auf internationaler Ebene anvisiert. Konkret wurde die Initiative im UN-Menschenrechtsrat genannt. Doch im Koalitionsvertrag mit der Union kommt die UN-Ebene nicht mehr vor. Stattdessen will man sich für eine EU-weite Regelung einsetzen, wenn die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, die im Na­tio­nalen Aktionsplan vorgesehen ist, nicht ausreicht.

Verhalten Deutschlands „inakzeptabel“

Kritisiert wird das Verhalten Deutschlands von der „Treaty Alliance“, einer Koalition von über 1.000 Nichtregierungsorganisationen, die ein verbindliches UN-Abkommen fordern. „Die Beschränkung auf die EU-Ebene ist unsinnig, da dann allein europäische Unternehmen zu höheren Standards verpflichtet und damit – in der Logik der Wirtschaftsverbände – Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen außereuropäischer Länder ausgesetzt wären“, sagt Karolin Seitz vom Global Policy Forum in Bonn, das zur Allianz gehört. Das Verhalten Deutschlands sei „inakzeptabel“. Vor allem, weil sich die Bundesregierung für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat bewirbt.

Am Donnerstag beginnt die vierte Verhandlungsrunde, die fünfte folgt im Oktober. Ändert sich nichts an der Haltung der Bundesrepublik und der EU-Partner, sieht es schlecht aus für verbindliche Menschenrechte in den globalen Lieferketten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

37 Kommentare

 / 
  • Sigmar Gabriel kann ja jetzt auch schlecht verbindlichen Menschenrechtsnormen für transnationale Konzerne zustimmen, nachdem er und Konsorten mit TTIP/CETA etc. bereits alles Erdenkliche unterstützt hat hat, was genau dies verhindert. Also - es klingt zugegeben sehr phantastisch - aber da ist der Siggi doch einfach nur mal konsequent.

  • Warum erwartet man immer noch von SPD SpitzenpolitikerInnen, dass diese sich sozialen Standarts verpflichtet fühlen? Diese Partei sollte endlich einmal so betrachtet werden wie sie ist. Neoliberal. Militaristisch. Asozial. Sozusagen der ideelle Gesamtkapitalist.

    • @Rolf B.:

      ... und vertritt damit vermutlich genau die Interessen der aktuell 16% Noch-SPD-Wähler, die genau so eine Politik wollen.

       

      Das Problem ist nicht die SPD-Politik sondern die fehlenden Wähler für eine andere - vielleicht bessere vielleicht aber auch nicht bessere - Politik.

       

      Jedes Volk hat die Regierung die es verdient.

  • Die Bundesregierung hat hier abgelehnt, weil die Verhandlungsbasis nicht auf dem ruggi-prinzip basiert.

    • @fitzefatze:

      Ruggli-Prinzip?

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Wie war das?

     

    "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!"?

     

    Und vielleicht gibt es dafür ja bei den nächsten Partei-"Spenden" der Konzerne auch noch etwas extra?

  • Wer in D noch glaubt, dass Politik von den gewählten Politikern gemacht wird, der sollte langsam einmal aufwachen!

     

    Hinter jedem gewählten Politiker stehen eine große Anzahl von Lobbyisten, die dafür sorgen, dass die Politik sich Wirtschaftskonform verhält!

     

    Man denke an die Braunkohle - Entscheidung von Gabriel im letzten Jahr!

     

    Sollte sich die UN mit ihrem Paket zur Menschenrechts - Reform durchsetzen, wären die Konzerne Weltweit zu der Umsetzung gezwungen und müssten den Menschen in den Billig Lohnländern angemessene Löhne zahlen und Arbeitsschutzrichtlinien einhalten.

    Das würde Milliarden verschlingen und die betreffenden Länder würden in der Hierarchie aufsteigen, so dass die westlichen Konzerne weniger Druck aufbauen können um weiterhin mit finanziellem Druck, "Wir produzieren anderswo", Ängste zu schüren ihnen die wenigen Gelder auch noch zu endziehen.

     

    Man muss dabei auch noch Bedenken, dass eine solcher Pakt der UN eventuell auch dafür stehen könnte, dass die zur Zeit propagierten Niedriglöhne in unserem Land angeprangert werden könnten, so wie es die UN bereits im letzten Jahr getan hat.

    Dort wurde mehrfach von der deutschen Regierung gefordert, die Löhne an die Wirtschaftslage anzupassen, anstatt weiterhin prekäre Beschäftigung voran zu treiben!

     

    Wie bereits erwähnt, hinter jedem Politiker sitzen etliche Lobbyisten, die Arbeiten der Politiker gestalten und Konzerngerecht umsetzen!!!

    • @urbuerger:

      "Wer in D noch glaubt, dass Politik von den gewählten Politikern gemacht wird, der sollte langsam einmal aufwachen!

      Hinter jedem gewählten Politiker stehen eine große Anzahl von Lobbyisten, die dafür sorgen, dass die Politik sich Wirtschaftskonform verhält!"

      Dem ist nicht hinzuzufügen. In Berlin gibt es ca. 700 Abgeordnet und in etwa 5 bis 6 Tausend Lobbyisten.

  • Wie naheliegend wäre es, wenn ein Konzern, sagen wir z.Bsp. BP, ein Land, sagen wir z.Bsp. Nigeria (//http://www.zeit.de/…/2010-07/auslandsjournal-oelpest-nigeria), wenn dann die Einwohner Nigerias BP nicht nur in Nigeria, sondern auch in dem Land verklagen könnten, aus dem BP kommt.

    Denn in Nigeria kann niemand BP verklagen. Wie soll das gehen? Im schlimmsten Fall würde BP sagen "ja ok tschüss, dann bohren wir halt hier nicht mehr, wir ham eh schon alles leergepumpt". Aber Aufräumen und Schäden beseitigen? Warum sollte BP das tun? Das Land hat ja garkeine Handhabe gegen BP, BP hat ja viel mehr Macht.

     

    Oder ein andres Beispiel: Monsanto verkauft gesundheitsschädliche Pflanzenschutzmittel nach Argentinien (https://www.n-tv.de/…/Monsanto-schuldig-gesprochen-article5…). In dem Urteil hat ein französicher Bauer geklagt. Aber was bringt das dem argentinischem Bauer?

     

    Immoment kann niemand BP oder Monsanto vor einem europäischem Gericht verklagen, weil sie in Afrika oder Südamerika gegen sämtliche Menschenrechte der Welt verstoßen.

     

    Und genau das, soll bitteschön auch so bleiben, sagt unsere Regierung, Gabriel voran:

     

    //taz.de/UN-Paket-zu-Menschenrechtsnormen/!5486408/

    https://fian-ch.org/…/Mitteilung-UN-Abkommen-TNCs-und-Mensc…

     

    //http://www.deutschlandfunk.de/menschenrechte-konzerne-fuer-…

  • Wisst ihr, was das den Konsumenten in D kosten könnte? Einfach mal so ne Unterschrift unter so ein Arbeitgeber-feindliches Pamphlet, das geht doch nicht!

    • @lions:

      Ja... Arbeitsplätze würde es vermutlich kosten... Angst geschürt, Unterschrift verweigert...

      • @Ano Nym:

        Warum sollte es da anders funktionieren als beim diesel-Tod, Ceta, Dioxinhühnchen oder von Tsunamis gefährdeten AKW's in Ba-Wü.

        • @Thomas_Ba_Wü:

          War das nicht ein Chlorhühnchen?

          Wer war das nochmal mit den Tsunami-gefährdeten AKW´s in BaWü?

  • Und da wundert sich die SPD, dass ihr die Wähler davonlaufen?

    Hatte sie nicht mal für die Rechte des „kleinen Mannes“ gestanden?

    Offensichtlich Vergangenheit. In Deutschland und weltweit.

    Dass die C-Parteien blockieren, wundert nicht, denn sie stehen ja schon lange für Raubtierkapitalismus...

  • freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen

     

    Wann hat das denn mal funktioniert?

    • @Sebas.tian:

      Die Frage stelle ich mir auch häufig - bislang ohne Treffer...

  • " „Die Beschränkung auf die EU-Ebene ist unsinnig, da dann allein europäische Unternehmen zu höheren Standards verpflichtet und damit – in der Logik der Wirtschaftsverbände – Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen außereuropäischer Länder ausgesetzt wären“, sagt Karolin Seitz vom Global Policy Forum in Bonn"

     

    Oh ich kann mir da auch einen anderen Grund vorstellen. Viele deutsche und europäische Großfirmen und Konzerne haben Zulieferer außerhalb der EU, von denen sie billig Rohstoffe und Zwischenprodukte beziehen. Würde man die UN-Konvention weltweit umsetzen, wäre es mit den billigen Importen vorbei, die bekannter Weise zu einem erheblichen Teil nur mit Ausbeutung und Unterdrückung von Gewerkschaften möglich sind.

     

    Mit einer Konvention auf EU-Ebene müsste man sich ja "nur" um die eigene Belegschaft kümmern.

    • @Jan Berger:

      'im Einkauf liegt der Gewinn.' sagt der Kaufmann.

  • Der 'beliebte' Gabriel. Er verfolgt die gleiche Linie wie einst als Wirtschaftsminister. Erinnern wir uns doch bitte, welche Freude allgemein herrschte, als er dieses Amt aufgab ... und ebenso sein Amt als Parteivorsitzender. Hoffen wir, dass diesem machtversessenen 'Sozi' bald der Boden für seine Tätigkeit entzogen wird.

  • Goldenen Verkaufsregel lautet: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“.

     

    Daraus kann man ableiten, dass der Angler auch mit der Zeit verstanden haben muss, welchen Fischen oder Fischarten seine Köder am besten gefallen. Was für Fische angelt er überhaupt?

     

    Denn sehr viele Arbeitnehmer und deutlich weniger Arbeitgeber wählen die SPD.

  • Was will man auch von einer SPD erwarten, die den Genossen der Bosse Gerhard Schröder immer noch hofiert.

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    ... na, wo sollen denn sonst die bílligen T-Shirts fürs Volk herkommen?

  • Niemand, ich wiederhole Niemand stellt sich zwischen mich und mein nachhaltig produziertes 2€ T-Shirt

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Man muss sich für Deutschland schämen.

    Und die SPD und CDU zeigen damit ihr wahres Gesicht. Es geht nur darum, den Konzernen zu gefallen. Die Menschen und die Menschenrechte sind ihnen egal.

    Ist auch zu erkennen daran, dass man entgegen den öffentlichen Äußerungen die Rüstungsexporte in und die Bürgschaften für den Handel mit der Türkei erhöht hat.

    Und an CETA und, und, und...

  • Da können wir schon sehen, was von der SPD in der GroKo zu halten ist.

  • Es wäre doch sehr interessant gewesen zu erfahren um welche Vereinbarungen es konkret ging.

    • @Januß:

      Stimmt.

      Der interessante Teil fehlt im Artikel.

       

      Mich hätte auch interessiert, aus welchem Grund denn nun nicht zugestimmt wird.

    • @Januß:

      Steht doch da: "ein Abkommen der Vereinten Nationen mit verbindlichen Menschenrechtsnormen für transnationale Konzerne und andere Unternehmen".

      • @Artur Möff:

        Eben. Ist doch total nebulös.

      • @Artur Möff:

        Es gibt einen Grobentwurf von Ecuador. Interessiert Sie nicht was da drin steht bevor Sie die Zustimmung zu diesem Entwurf fordern?

      • @Artur Möff:

        Wer auf Überschriften hereinfällt.

         

        Man sollte sich mal fragen, warum es jedem Entwicklungsland leicht fällt, jedwede UN-Konventionen zu unterschreiben und zu ratifizieren, während Europa sich schwer tut.

         

        Vielleicht weil in der TAZ (und die internationale Presse) zwar steht, dass Deutschland diese oder jene Konvention bricht, aber niemals andere Staaten ersthaft unter die Lupe genommen werden. Bei letzteren ist ja oftmals auch nichts an Strafgeldern zu holen ...

  • bitte einen kommentar von jean ziegler zu dem topic ...

  • Nach solchen Beiträgen fragt man sich, woher die Beliebtheitswerte für Gabriel kommen. Der SPD sei dringend angeraten einen neuen Namen zu nominieren. Mir wäre selbst Schulz lieber.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Konzernbücklinge. Mehr sehe ich in diesen erbärmlichen Politiker-Fratzen nicht.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Sie sprechen mir sowas von aus der Seele - Danke

  • Hier zeigt sich einmal das wahre Gesicht und der harte Kern Deutschlands unter all dem schönen Gelaber und den Wahlkampf-Nebelschwaden. Die deutsche Regierung ist schon immer ein Handlanger der Konzerne gewesen. Nichts hat sich daran geändert.

     

    Bitter, das eigene Land so klar im Einsatz gegen Menschenrechte zu sehen.

    • @kditd:

      Wenn sie wenigstens ordentlich Steuern zahlen würden ...