Kolumne Leipziger Vielerlei: Die Einheit auf dem Papier
Durch die Woche mit einer Einheit, die keine ist, bummelnden Philosophiestudenten an der Uni und ganz großem Kino.
D ieses Jahr müsste man hinter den Tag der Deutschen Einheit eigentlich ein dickes Fragezeichen setzen. Denn spätestens nach der Bundestagswahl ist eines umso deutlicher geworden: Ost und West sind lediglich auf dem Papier wiedervereinigt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Auftrag gegeben wurde, sieht nur knapp die Hälfte der Befragten West- und Ostdeutschland als Einheit.
Wegen immer noch nicht angepasster Löhne und Renten fühlen sich im Osten viele als Bürger zweiter Klasse. Dabei wird die Schuld an der deutschen Spaltung oft bei den Ossis gesucht: schwer integrierbar, irgendwie blöd und ausländerfeindlich, spätestens seit dem flächendeckenden AfD-Erfolg. Vielleicht hat sich der ein oder andere am Tag der Deutschen Einheit ein wenig Zeit genommen, um seine Vorurteile und Pauschalisierungen zu überdenken und die Menschen im Osten zu verstehen.
Ein wenig zu viel Zeit genommen haben sich hingegen 54 Studenten an der Uni Leipzig. Für die wird es jetzt teuer. Gemäß Paragraph 12 des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes gelten für die Trödler nun die neu eingeführten Langzeitstudiengebühren. Wer mehr als vier Semester über der Regelstudienzeit liegt, muss ab sofort 500 Euro pro Semester zahlen.
Bislang hatten Leipziger Studenten sogar noch Glück; denn an der TU Dresden, in Chemnitz und an der TU Bergakademie Freiberg gibt es die Gebühren schon seit Längerem. Die guten alten Zeiten, in denen man auf den Fluren der Universität noch dem Philosophiestudenten im 20. Semester begegnete, scheint sich damit endgültig ihrem Ende zu neigen.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
In den Leipziger Kinos erleben die guten alten Zeiten hingegen gerade einen neuen Höhepunkt. Letzte Woche lief mit „Es“ die Neuverfilmung von Stephen Kings Horrorklassiker an, die zahlreiche Kinobesucher mit zittrigen Beinen zurückließ. Und damit nicht genug, erschien gestern, 35 Jahre nach dem Erstling, dann noch das Sequel Blade Runner 2049. Schon jetzt stapeln sich die positiven Kritiken. Die Leipziger Volkszeitung war nach dem Film anscheinend derart durcheinander, dass sie den Regisseur Denise Villeneuve nannte und aus dem guten Denis gleich mal eine Frau machte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Solidaritätszuschlag in Karlsruhe
Soli oder Haushaltsloch
Belästigung durch Hertha-BSC-Fans
Alkoholisierte Übergriffe im Zug
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Ringen um Termin für Neuwahl
Wann ist denn endlich wieder Wahltag?