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FDP nach der NRW-WahlBerauscht vom Erfolg

Angeführt von Christian Lindner werden die freien Demokraten in NRW zweistellig. Und der Parteichef will den Sieg in Berlin wiederholen.

Christian Lindner auf einer Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf Foto: dpa

Düsseldorf taz | „Fünf, vier, drei, zwei, eins“: Kurz vor 18 Uhr zählen die FDPler auf ihrer Wahlparty die Sekunden he­r­unter. Dann ist Hannelore Kraft abgewählt und die FDP steht bei 12 Prozent. „Oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen“, singen sie, als Christian Lindner einmarschiert. „Wer hätte diesen Abend 2013 für möglich gehalten?“, fragt der FDP-Chef. „Rot-Grün ist abgewählt“, sagt Lindner – und warnt zugleich vor zu viel Übermut: „Wenn eine kleine Partei so stark an Gewicht gewinnt, wächst auch ihre Verantwortung.“

Es ist sein Sieg: Dank Christian Lindner kommt die FDP in Nordrhein-Westfalen auf 12,6 Prozent. Und als die Linkspartei in den Hochrechnungen unter fünf Prozent rutscht, kennt der Jubel keine Grenzen. Denn wenn die Linke nicht im Parlament sitzt, könnte es für eine schwarz-gelbe Koalition reichen.

Kein Oppositionsvertreter war in Nordrhein-Westfalen so präsent wie der FDP-Spitzenkandidat, kein anderer hätte die FDP nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag auch bundesweit wohl so souverän wieder in die Erfolgsspur führen können.

Die Liberalen feiern ihren Sieg im Düsseldorfer Zollhof, dem Dienstleistungsviertel im Hafen, das für die Umwandlung vom Stahl- und Kohleland NRW zu einer modernen Wirtschaftsregion stehen soll. Die FDP hat den Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr erfolgreich ihr Image als NRW-Partei streitig gemacht.

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Lindner symbolisiert eine gelungene Neuerfindung der FDP: Die Kälte des Westerwelle-­Liberalismus versteckt der modische Dreitagebart, auch wenn die Reden von Eigenverantwortung geblieben sind. Wenn ­Lindner über Mesut Özil und das Singen der Nationalhymne ­räsoniert, spricht er das Deutschnationale in der FDP an – und kann zugleich die Liberalen als proeuropäische Partei feiern. Die FDP kritisiert Merkels Flüchtlingspolitik und hält dennoch Distanz zur AfD.

Mit den Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW ist die FDP ihrem großen Ziel näher gekommen, im September wieder in den Bundestag einzuziehen. „Das Ergebnis in NRW entscheidet auch über das in Berlin, haben wir im Wahlkampf verkündet“, sagt Lindner. Er selbst kandidiert auch als Spitzenkandidat für den Bundestag und dürfte Düsseldorf bald in Richtung Berlin verlassen.

Das hat ihm nicht geschadet – anders als vor fünf Jahren dem CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen, der sich nicht darauf festlegen wollte, in Düsseldorf zu bleiben. Lindner kann sich derzeit vieles leisten, was für andere das Ende ihrer Karriere bedeutet.

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15 Kommentare

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  • Tja, nur ist die FDP immer noch zu doof, um eine gültige Liste bei dem Landeswahlleiter einzureichen. Die haben dort einen Listenplatz vertauscht.

    Würde normalerweise keine Sau interessieren, aber leider hat die FDP ein so gutes Ergebnis, dass die Betreffende, die eigentlich auf Platz 48 stehen müsste, jetzt in den Landtag einziehen muss.

    Jetzt kommt noch hinzu, dass die Mehrheit bei schwarzgelb ja extrem knapp ist. Da ist evtl. tatsächlich entscheidend, dass dieser Fehler gemacht wurde. Es gab einen Präzedenzfall in Hamburg, wo deswegen eine Neuwahl angeordnet wurde.

  • Könnte Lindner in der AfD nicht noch schneller Karriere machen?

  • „Ein Rausch ist zu ertragen, die Trunksucht aber nicht.“ (Martin Luther)

  • 12,6 Prozent für die FDP. Mir war gar nicht klar, dass es in Nordrhein-Westfalen so viele Zahnärzte, Apotheker und Hotelbesitzer gibt.

     

    Die Linkspartei hat nur 4,9 Prozent in Nordrhein-Westfalen geholt. Aber schön zu wissen, dass Armut (Rentnerarmut, Kinderarmut, Hartz IV, Niedriglohnsklaverei und Obdachlosigkeit) in Nordrhein-Westfalen wohl keine besondere Rolle mehr spielt, wenn die Bürger dort wieder die FDP wählen.

     

    5 Millionen Hartz IV Empfänger und ca. 8 Millionen Niedriglohnsklaven haben wir in Deutschland und trotzdem fangen die deutschen Bürger wieder an die FDP zu wählen. Da fällt mir jetzt auch nichts mehr zu ein - außer "Gute Nacht, Deutschland".

    • @Ricky-13:

      Es gibt tatsächlich Menschen, die Parteien nicht ausschließlich deshalb ihre Stimme geben, weil sie sie als Lobbyisten für kleine und große Geschenke an die eigene Interessengruppe sehen. Diesen Leuten geht es darum, dass bestmögliche Politik für Alle gemacht wird, und ein paar von ihnen setzen dabei wohl auch auf die FDP.

       

      Und unter Jenen, die tatsächlich nur nach dem eigenen Säckel wählen, sind nicht alle immer überzeugt, dass die Partei, die am lautesten behauptet, sich speziell für sie einsetzen zu wollen, das auch mit den besten Ergebnissen tut. Gerade in NRW dürfte die Linke mit diesem Kompetenzproblem besonders zu kämpfen haben. Es gab gute Gründe, warum sie in der vorhergehenden Wahl nur 2,4 Prozent geholt hatte, und an denen hat sich so viel nicht geändert.

       

      Und zuletzt: Wer gar nicht erst wählen geht hat auch keine Stimme.

    • @Ricky-13:

      Nun ja ich gehe davon aus, das von 21,13 % der Wahlberechtigten die gleichverteilt in NRW dann unter diese 2 Kategorien fallen, weniger die 12,6% der FDP ausmachen.

       

      Also wo ist ihr Widerspruch? Menschen wählen nach ihrem eigenen Präferenzanspruch.

    • 2G
      25726 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.

       

      Brecht, glaube ich.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Vielleicht fangen sie an das jahrtausende lange Verbrechen der Sklaverei nicht zu verharmlosen.... Ist schon ein Unterschied ob man Besitz eines anderen Menschen ist oder schlecht bezahlt wird.

      Viele Menschen werden FDP gewählt haben weil sie im Staat nicht die Läsung aller Probleme sehen sondern sich weniger Gängelung wünschen. Außerdem besagen ihre Zahlen ja nichts über den Rest der Bevölkerung. Das 4,9% für die Linkspartei gestimmt haben zeigt entweder an das die unteren Schichten dieser Partei eben auch keine Lösung zutrauen, oder generell dem Staat nicht zutrauen an ihrer Situation groß was ändern zu können. Historisch gesehen ist das richtig, Staaten sind inkompetent und behäbig, gut darin Bürokratie aufzubauen - schlecht darin Dinge zu tun. Sie wollen das es besser wird sie müssen die Bevölkerung ermutigen mehr zusammen zu stehen, die Unternehmer das sie mehr zahlen sollen, aber auch das der einfache Bürger bereit is ein wenig zu verzichten damit mehr nach unten fließen kann. Der Staat wird die Probleme nicht lösen.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @83379 (Profil gelöscht):

        Die Finanzkrise 2008 ist nur ein Beispiel, wie teuer Deregulierung bzw. der Abbau von Bürokratie werden kann. Dieser Rosinenpicker-Wirtschaftsliberalismus der FDP ist einfach unprofessionell und extrem teuer für den Steuerzahler.

        Weitere Beispiele hat ja bereits TOBIAS K. unten genannt, die deutlich die Absurdität Ihres Argumentationsmusters aufzeigen!

      • 7G
        78110 (Profil gelöscht)
        @83379 (Profil gelöscht):

        "Vielleicht fangen sie an das jahrtausende lange Verbrechen der Sklaverei nicht zu verharmlosen..."

        Hier würde ich Ihnen, lieber Macchiavelli, durchaus zustimmen. Ein wenig Differenzierung kann nicht schaden, um die Dimensionen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

        Wenn Sie allerdings im gleichen Beitrag eine Behauptung aufstellen wie "Historisch gesehen ist das richtig, Staaten sind inkompetent und behäbig, gut darin Bürokratie aufzubauen - schlecht darin Dinge zu tun.", so zweifle ich direkt wieder an Ihrer ernsthaften Absicht um die besagte Differenz. Statt an dieser Stelle die politökonomische Weltgeschicht auf einen binsenweisheitlichen Einzeiler zusammenzudampfen, sollten Sie als historisch Interessierter wohl erwähnen, dass der Erfolg kapitalistisch-agierender Staaten (z.B. im 18. und 19. Jahrhundert v.a. Großbritannien, im 19. und 20. die Vereinigten Staaten, ab Ende des 20. Jahrhunderts Südostasien, insb. China) nicht gerade selten mit massivem aktiven oder passivem Staatseingriff einherging (von Zoll- und Handelspolitik über Arbeits- und Sozialleistungspolitik hin zu teilweisen oder vollständigen Staatsbetrieben). Sowohl das vermeintliche "Goldene Zeitalter des Liberalismus" zwischen 1870 und 1914 (das ja letztlich nur für einen sehr bestimmten Teil der Erdbevölkerung achso golden war) als auch der als "Fordismus" bekannte Zeitraum der Rekonstruktion und weitergreifenden Industrialisierung zwischen 1945 und den 1970er Jahren wären in Abstraktion staatlichen Agierens unterschiedlicher Couleur nur im luftleeren Raum konstruierbar - gewiss aber nicht "historisch".

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    AfD, CDU und FDP. Ein besorgniserregender Rechtsruck zeichnet sich da ab. In Zukunft dürfen wir uns alle wieder sehr freuen, höchstwahrscheinlich dann auch im Bundestag, über die unsozialen, ignoranten, rücksichtlosen und großkotzigen Reden über die gute alte wirtschaftsliberale Eigenverantwortung, die alle sozialen Probleme zusammen mit den "Selbstheilungskräften des Marktes" ohne staatliche Interventionen und Regulationen behebt. Wieso auch sozialer Wohnungsbau, die Wähler und auch die Flüchtlinge müssen halt mal mehr Eigenverantwortung übernehmen bei der Wohnungssuche, in Deutschland geht es ja allen super, die Transfereinkommen sind sowieso so hoch wie nie zuvor. Den 23,6 % Beschäftigten im Niedriglohnsektor geht es auch hervorragend, insbesondere deren Arbeitgebern. Erneut dann geblubbert vom FDP Dreitagebartträger und den Konsorten in CDU (bspw. Jens Spahn) oder AfD (Alice Weidel). Toll! Vielen Dank an die Nichtwähler, die dies dann mit ermöglicht haben.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Wie kommen Sie auf die Idee, dass die Teilnahme der Nichtwähler das Ergebnis zu Gunsten von Linken, SPD und Grünen verändert hätten?

       

      Der Niedriglohnsektor ist immer noch das Ergebnis der Agenda 2010-Reformen und soweit mir bekannt wurden die von SPD und Grünen verabschiedet

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @insLot:

        CDU/CSU und FDP haben im Bundesrat begeistert der Agenda 2010 zugestimmt. Die Linke übrigens nicht.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Herr Neuburg - Lindner hat die FDP weicher gespült als sie es in den letzten 20 Jahren je war, und man kann glauben, daß er es ernst meint. Sie ereifern sich gewissermaßen an einer selbstgezeichneten Karikatur. Der Gedanke, Nichtwähler hätten das Ergebnis gestern zu verantworten, ist auch etwas schwierig. Einerseits sind 65% für eine Landtagswahl eine ganz gute Beteiligung, andererseits ist nur wahrscheinlich, aber nicht ausgemacht, daß bei einer höheren Beteiligung z.B. die Linke 5% erreicht hätte.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Wurstprofessor:

        Na toll, jeder Dritte hat nicht gewählt! Es stimmt aber, bevor die NPD, AfD, CDU oder die FDP gewählt wird, ist nicht wählen besser. Ansonsten hat der Nichtwähler in NRW übrigens indirekt auch zu 7,4 % die AfD usw. gewählt, denn er hat ja nicht dagegen gestimmt und seine Stimme zu hundert Prozent einer anderen Partei gegeben!