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Streit um Leitkultur-BegriffGegen die deutsche Einheit

Thomas de Maizière vertritt die Idee einer Leitkultur. Drei junge, jüdische Autor*innen verwahren sich dagegen.

Wer ist wirklich gemeint mit der deutschen Leitkultur? Foto: dpa

Adorno formulierte den Anspruch einer emanzipierten Gesellschaft so: „… den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann“. Heute, im Geiste eines demokratischen Selbstverständnisses, wird noch immer und wieder diskutiert, wer „wir“ – als Einheit – sind. Dabei bleibt nicht implizit, sondern wird ganz deutlich gesagt, wer „wir“ nicht sind.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vergangene Woche in der Bild-Zeitung zehn Thesen zur Leitkultur veröffentlicht. Seinen Worten widersprechen wir – drei junge Jüdinnen und Juden in Deutschland – vehement.

Die Betonung nationaler Identität geht mit der Ablehnung des Fremden, des Nicht-Identischen, der Verschiedenheit einher. Und nichts anderes schwingt mit oder ist sogar so gemeint, wenn de Maizière schreibt, kaum ein Land sei so sehr von Kultur geprägt wie Deutschland. Das Andere gegenüber dem Deutschen abzuwerten, hat in Deutschland eine lange Tradition.

Derartigen Aus- und Abgrenzungen sollte widersprochen werden. Jedes Land hat seine Kulturen. Eine Kultur undifferenziert unter „deutsch“ zu subsumieren, heißt, nicht den Unterschied zu sehen, zwischen Wagner und Schönberg, Hei­degger und Benjamin, zwischen Thilo Sarrazin und Dunja Hayali.

Ohne Angst verschieden sein

Der Versuch, diese Vielfalt zu vereinheitlichen, bringt uns als Gesellschaft ebenso wenig weiter, wie zu ignorieren, dass sich die Art und Weise unseres Miteinanders ohnehin verändert. Dass Kultur sich verändert und von allen, die hier leben, mitgestaltet werden darf und soll. Das ist die Idee einer Gesellschaft der Vielen, einer aufgeklärten und emanzipierten Gesellschaft, die sich als Demokratie versteht; einer Gesellschaft, in der man „ohne Angst verschieden sein“ können sollte.

Wer „ohne Angst verschieden sein kann“, der darf auch ohne Angst seine Sprachen sprechen. Der Weg zu einem besseren Zustand wäre, wenn wir gemeinsam überlegen würden, warum wir Sprachen so unterschiedlich bewerten; warum wir die eine Mehrsprachigkeit als Gewinn betrachten und die andere als Defizit; warum wir Mehrsprachigkeit nicht fördern und feiern – egal vom wem und ob Hebräisch, Russisch, Arabisch, Jiddisch, Spanisch, Türkisch oder Englisch.

Wir – drei junge Jüdinnen und Juden in Deutschland – sind nicht bereit, uns positiv auf ‚deutsche‘ Tugenden wie Leistung, Disziplin und Ordnung zu beziehen. Diese wurden bereits ausreichend pervertiert. Wir sind nicht Teil der jüdisch-christlichen Tradi­tion

Dieser sogenannte aufgeklärte Patriotismus, der jetzt wieder „erlaubt“ sein soll, ist kein Wunsch aller Deutschen. Es ist der Wunsch eines bestimmten Teils der deutschen Gesellschaft. Der Teil, der in Deutschland lebenden Menschen, die dabei ein ungutes Gefühl haben, für die das keine positive Entwicklung ist, sind aus dem „Wir“ ausgeschlossen. Es ist ein unmöglicher Spagat, auf der einen Seite einen aufgeklärten Patriotismus und ein darauf basierendes Wir-Gefühl zu fordern und sich gleichzeitig als „Erben der Geschichte“ zu verstehen.

Es ist nicht vorbei und es wird nicht vorbei sein. Wir warnen: Die jüdische Sorge vor einem Bedeutungsverlust der Shoah und einem erstarkenden Antisemitismus darf nicht dazu führen, sich affirmativ zu der Forderung einer deutschen Leitkultur zu positionieren. Wir sind nicht bereit, uns positiv auf „deutsche“ Tugenden wie Leistung, Disziplin und Ordnung zu beziehen – diese wurden bereits ausreichend pervertiert. Wir sind nicht Teil der jüdisch-christlichen Tradition, wir sind nicht deutsche Leitkultur. Wir verstehen uns auch dann als Teil dieses Landes, wenn wir diese Form des Bekenntnisses ablehnen.

Die Autor*innen sind Mitherausgeber*innen der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart

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76 Kommentare

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  • Jeder Verein hat Leitlinien (Statuten, Satzung); jede Gesellschaft auch.

    Das ist völlig normal und richtig.

  • 4. Soziale Marktwirtschaft. Alle Unternehmen müssen so wirtschaften, dass jeder Mensch in unserem Land immer unter menschenwürdigen Bedingungen lebt und immer glücklich ist. Die staatlichen Institutionen müssen das stets überwachen.

     

    5. Vielfalt. In unserem Land leben unterschiedliche Menschen freundlich miteinander. Jeder Mensch ist aber einzigartig und das wird von allen Behördeninstanzen hoch geschätzt und gefördert.

     

    6. Weltoffenheit und Weltverantwortung. Deutschland ist nach Innen für alle Menschen offen. Besonders willkommen sind Menschen, die eigene Familie lieben, alle Mitmenschen respektieren und immer hilfsbereit sind sowie sich mit diesem Land identifizieren. Nach Außen setzen wir uns für die Gerechtigkeit, die Demokratie, den Weltfrieden und die Menschenrechte stark ein. Unsere stärkste „Waffe“ in der Welt sind unsere Worte, - unser Dialog.

     

    7. Toleranz. Wir sprechen miteinander, um gemeinsam Probleme zu lösen, unabhängig davon, ob jemand Arbeitslos, Obdachlos, Ausländer, Kind, Frau, Mann, Oma, Opa, Politiker, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Mensch mit Behinderung, Flüchtling, Kranker Mensch, Pflegebedürftig usw. ist.

     

    Wenn noch nicht alle dieser Werte von jedem Menschen und immer und hinreichend gelebt werden, dann müssen WIR ALLE GEMEINSAM das ändern!

  • Was macht unser Land so einzigartig? Was gibt der Bundesrepublik Deutschland ihr unverkennbares Gesicht?

     

    Die Leitkultur der Bundesrepublik Deutschland in 7 Werten!

     

    1. Die Würde des Menschen ist unantastbar! Das ist Deutschland und Kultur Deutschlands in einem Satz. Die Würde des Menschen (jedes Menschen auf Deutschem Boden) ist der wichtigste Wert unseres Landes. Alles in unserem Land ist darauf auszurichten und das zu beschützen. Alle Menschen müssen immer glücklich sein!

     

    2. Familie. Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst! Alle Familienmitglieder müssen glücklich sein und sollen einander lieben. Jede Familie genießt einen besonderen Schutz von der Staat. Alle Menschen respektieren und helfen einander. Wir sind alle gleich, ein Volk, wie eine große Familie. Es gibt keinen Osten und Westen, kein „schwarz“ oder „weiß“, es gibt keine Diskriminierungen und keine Mauern.

     

    3. Gott. Unser Grundgesetz haben wir in Verantwortung vor Gott und den Menschen aufgenommen. Gott will, dass alle Menschen glücklich sind. Dann müssen wir alles tun, um seinen Wunsch zu erfüllen. Es werden alle Religionen respektiert und Menschen die ungläubig sind, nicht ausgegrenzt oder benachteiligt.

  • Leitkultur ist: Auf dem Gehweg parken, in der Mittagspause den Rasenmäher laufen lassen, durch eine öffentliche Tür gehen und dem Nachfolgenden diese vor der Nase zuknallen, abends studenlang mit wummernden Bässen den Grillabend begleiten und "Atemlos" mitgrölen, besoffen in der Bahn zum Fussballspiel fahren, an Mallorcas Stränden sich so schlecht benehmen, dass man die Deutschen dort loswerden will, vom gesunden Menschenverstand reden, mit dem SUV die Kinder in die 1 km entfernte Schule fahren.....................................

  • Ich lese: „Die Betonung nationaler Identität geht mit der Ablehnung des Fremden, des Nicht-Identischen, der Verschiedenheit einher.“ Wer dumm ist, neigt gewiss dazu. Wer weiter denkt, weiß: „Ohne eine Betonung nationaler Identität gibt es keine Anerkennung des Fremden, des Nicht-Identischen, der Verschiedenheit.“

    Martin Korol, Bremen

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Martin Korol:

      Wozu braucht es eine nationale Identität, um das Fremde anerkennen zu können? Da reicht die Identität des Individuums vollkommen aus. Nationale Identitäten erkennen nicht das Fremde an, sondern konstruieren es aus nationaler Verirrung heraus als Feind.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Ihre Frage: „Wozu braucht es eine nationale Identität, um das Fremde anerkennen zu können? Da reicht die Identität des Individuums vollkommen aus."

        Meine Antwort: Ganz einfach: Weil zu uns nach Deutschland nicht einzelne, schrullige Sonderlinge aus der Fremde kommen, sondern Individuen, die stets auch Träger einer ganz eigenen regional und national geprägten Kultur sind. Darum bleiben sie uns auch auf lange Zeit mehr oder weniger fremd, am deutlichsten eben, wenn sie aus dem Kulturbereich des uns von Haus aus fremden Islam in unseren Kulturbereich kommen, der vom Alten und Neuen Testament, von der Antike und von der Aufklärung geprägt ist.

        Je massenhafter und undurchschaubarer die Fluchtbewegung aus der Fremde zu uns erfolgt, desto stärker wird das Gefühl der Hilflosigkeit bei den hier aufgewachsenen Individuen, den Einheimischen, den „Indigenen“. Und das sind heute eben mal wir Deutschen. Guter Wille ist die entscheidende Brücke und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Aber um sich zu verstehen, bedarf es mehr, vor allem Geduld, Zeit und Arbeit. Sprüche blockieren.

        Ihre These: „Nationale Identitäten erkennen nicht das Fremde an, sondern konstruieren es aus nationaler Verirrung heraus als Feind."

        Meine Gegenthese: Nie in Deutschlands Geschichte war das Denken in Feindbildern geringer als heute. Wer anderes behauptet, konstruiert ein Feindbild „Deutschland“. Das wiederum reißt Brücken ein.

        Martin Korol

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Martin Korol:

          Ich fühle mich ob der Flüchtlinge nicht hilflos, gestehe aber auch zu, dass ich nicht zu der Schicht gehöre, der die Flüchtlinge "gefährlich" werden können.

           

          Dass sie Träger einer anderen Kultur sind, ist mir hingegen vollkommen egal. Die meisten Bio-Deutschen sind mittlerweile Träger einer Verdummungskultur, der gegenüber ich die Kulturen unserer Zuwanderer als hochstehend erachte.

           

          Sie reden von Prägung durch Bibel, Antike und Aufklärung? Ja, das tun viele gerne, die sich auf das Abendland berufen. Ich sehe indes kein Abendland mehr, sondern eher ein Nebelland, in dem es vor ubiquitärer Gehirnflatulenz stinkt und wabert.

           

          Die Feindbilder sind vielleicht geringer, weil wir mittlerweile alles unterjochen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Unsere Externalisierungs"kultur" hat uns doch erst die Flüchtlinge beschert, welche die rechten Dumpfbacken uns als bedrohlich verkaufen wollen.

           

          Wir lassen sterben, wir töten nicht mehr direkt. Das kann man besser verdrängen und sich darum auch ohne Probleme dem Gedanken an ein deutsches Vaterland hingeben, das es -

          so wie es heute imaginiert wird - noch nie gab und auch nie geben wird. Gottseidank!

          • @849 (Profil gelöscht):

            Sie schreiben: „Ich fühle mich ob der Flüchtlinge nicht hilflos, gestehe aber auch zu, dass ich nicht zu der Schicht gehöre, der die Flüchtlinge "gefährlich" werden können.“

            Ich meine: Niemandem werden „die Flüchtlinge“ gefährlich, sondern solche Menschen, die aus anderen Motiven zu uns kommen oder zu uns geschickt oder verschleppt wurden.

            Sie schreiben: „Dass sie Träger einer anderen Kultur sind, ist mir hingegen vollkommen egal.“

            Ich sage: Mir nicht, denn ich begegne täglich Menschen aus aller Welt und möchte und fordere berechenbare Verhältnisse für mich und meine Lieben.

            Sie schreiben: „Die meisten Bio-Deutschen sind mittlerweile Träger einer Verdummungskultur, der gegenüber ich die Kulturen unserer Zuwanderer als hochstehend erachte.

            Ich sage: Moment mal: 57 % unserer Schüler (z. B. in Bremen) machen Abitur!

            Sie schreiben: „(…) Ich sehe indes kein Abendland mehr, sondern eher ein Nebelland, in dem es vor ubiquitärer Gehirnflatulenz stinkt und wabert.“

            Ich sage: Ach! Sie sehen ein „Nebelland“? Wie alt sind Sie denn? Ich bin 73 und sehe die Welt meiner Jugend nicht mehr. Wie auch? Alles fließt! Aber darum sehe ich die Welt immer genauer.

            Sie schreiben: „(…) Unsere Externalisierungs"kultur" hat uns doch erst die Flüchtlinge beschert, welche die rechten Dumpfbacken uns als bedrohlich verkaufen wollen. Wir lassen sterben, wir töten nicht mehr direkt (…).“

            Ich sage: „Ja, so argumentiert Frau Merkel auch, die übrigens mehr Einfluss auf unsere Rüstungsexporte hat als die meisten der 70 Millionen Deutschen. Aspekte davon mögen zutreffen, aber mehr ist da nicht. Die Funktion ist eine andere: Wir mögen uns bitteschön für unsere Untaten schämen, auf dass wir den Zuzug von Hunderttausenden Fremder gegen Recht und Gesetz gehorsam hinnehmen. Es gab m. W. keine Volksabstimmung über diese Frage. Nicht einmal einen Beschluss des Bundestages. Wie bei der faktischen Abschaffung der Wehrpflicht und bei der Abschaltung der Atomkraftwerke über Nacht.

            Martin Korol

  • Leitkultur

     

    Demokratie, Freiheit, Menschenrechte

    - das ist Leitkultur!

    Und das ist auch gut so.

    • @Hartz:

      Oh, klar, drei Worte und alles ist gesagt.

      Welches Demokratiemodell soll Leitkultur sein?

      Das Schweizer Modell der Volksabstimmung? Dann entscheidet die Bürgergemeinde wer den Pass bekommt und wer nicht.

      Oder ein zentralistisches Modell wie in Frankreich oder ein föderatives System wie in Deutschland?

      Freiheit?

      Welche Freiheiten sollen denn gewährt werden?

      Die Freiheiten des Grundgesetzes oder soll doch nicht "umverteilt" werden und die Solidaritätspflicht entfallen?

      Welche Menschenrechte?

      Die Menschenrechte der europäischen Menschenrechtskonvention, die Menschenrechte nach der Kairoer Erklärung der Menschenrechte (Scharia konform), die arabische Charta der Menschenrechte oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN?

       

      Aber klar, alles ist soo einfach wenn nicht weiter darüber nachgedacht wird.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Nachdenken und nachlesen...

         

        "Aber klar, alles ist soo einfach wenn nicht weiter darüber nachgedacht wird".

         

        Das haben Sie jetzt geschrieben.-

        Ich meine das nicht...

        Steht ja auch nicht in meinem Beitrag.

        Die Begriffe können bei Bedarf gerne bei wikipedia nachgeschlagen werden...

        Was haben Sie denn nur gegen ein Plädoyer für Freiheit und Demokratie? Das bleibt unverständlich...

        • @Hartz:

          Oh, klar, die Demokratie und die Menschenrechte stehen in der "Wikipedia" und nicht im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Freiheitsbegriff ist auch schon abschießend von den Usern "Alnilam" und "Pittimann" geregelt worden...

          Nur mal so zu Ihrer Erinnerung:

          "Demokratie, Freiheit, Menschenrechte

          - das ist Leitkultur!

          Und das ist auch gut so."

          Das war Ihr gesamter Beitrag zum Thema.

          Eine unreflektierte Ansammlung von Schlagworten ohne Nutzen für den Diskurs ist kein Kommentar.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Bringschuld

         

        Dann definieren Sie doch mal...

        Nach Ihrem Beitrag sind Sie nämlich hier in der Bringschuld. Anderes wäre ja zu einfach...

        • @Hartz:

          Nein, ich habe nicht die "Bringschuld", Ihnen eine Definition von "Freiheit", Demokratie" oder "Menschenrechte" zu liefern.

          Das sind Werte die einen gesellschaftlichen Konsens erfordern, ob der nun "Leitkultur" heißt oder nicht. Und es gibt durchaus große Unterschiede in Demokratie und Freiheit, ohne das ein Mangel daran herrscht. Von den Erklärungen zu Menschenrechte einmal ganz zu schweigen.

          Ihnen meine differenzierten Vorstellungen von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie zu erläutern sprengt das Format dieser Diskussion.

  • Der Artikel schon spannend. Ausführlich wird das Wir negiert, um dann im letzten Satz die Zugehörigkeit zu einem Wir doch zu bekräftigen.

    "Wir verstehen uns auch dann als Teil dieses Landes, ..." na, wenn das nicht nationale Identität ist!

    Leider bricht der Artikel dann ab.

     

    Lea Wohl von Haselberg kann sehr differenziert über jüdische Leitkultur und Matrilinearität und über jüdische Identität und patrilineare Juden schreiben. Ich wäre neugierig, was für sie deutsche Identität oder, wie sie es nennt, Zu-Deutschland-gehören, ausmacht.

    • @rero:

      Wir: Die drei AutorInnen?

      • @Karl Kraus:

        Ja, die drei Autorinnen verstehen sich als Teil von Deutschland. Damit verkünden sie ihre nationale Zugehörigkeit, also ihre Zugehörigkeit zu dem "Wir", das sie ja zuvor noch ablehnen.

        In sich nicht sehr stimmig.

        • @rero:

          Nein: Teil des Landes zu sein heißt ja gerade nicht, dass man bestimmte Merkmale im Verhalten zeigen oder ein Bekenntnis zu X, nicht aber zu Y ablegen muss. Sich anderen Menschen zugehörig zu fühlen muss nicht dasselbe sein wie Konformität.

          • @Karl Kraus:

            Von Konfirmität spricht kein Mensch, aber von Merkmalen.

             

            Selbst wenn Sie "Deutschland nur als Ansammlung von Sand, Steinen, Bäumen und etwas Wasser betrachtet, kommen Sie nicht umhin, zu definieren, welcher Sandberg dazugehört und welcher nicht.

             

            Ihrem Kommentar ist zu entnehmen, dass für Sie zu "Deutschland" auch irgendwie Menschen gehören. Damit stehen Sie ebenfalls mit beiden Beinen in der fiktiven Gruppenidentität. Und um festzustellen, wer dazugehört, brauchen Sie Merkmale. Gerade wegen der Heterogenität werden bestimmte Merkmale als identitätsstiftend angesehen, andere nicht. So funktionieren fiktive Gruppenidentitäten.

             

            Die drei AutorInnen sagen, es gäbe die Gruppe gar nicht, um dann am Schluss zu sagen, dass sie dazugehören. Und das ist absurd.

            • @rero:

              Okay, noch einmal anders: Gruppenidentität funktioniert über den Ausschluss. Dieses Ausgeschlossenwerden eines Sandhaufens, der eigentlich mittendrin steht, ist das Problem. Ausgeschlossen wird zudem noch, wer evtl. Gingko, aber nicht Bächlein ist.

              Ihre Logik schließt alle aus, die sich zwar als Teil einer Gemeinschaft verstehen, aber auf eine - zwangsläufig diskriminierende - Definition verzichten. Gemeinschaft ist nicht zwingend exklusiv. Das, was DeMaizière hier abzieht aber sehr wohl.

              Sie gehen von der impliziten Annahme aus, dass Zugehörigkeit das Einverständnis beinhaltet, explizite Definitionen zu bejahen. Damit wäre man entweder gezwungen Menschen auszuschließen oder selbst außerhab jeder Gemeinschaft. Das ist Blödsinn.

  • "Gleichwohl ist es sinnvoll diese preussischen Tugenden von staatlicher Seite zu fördern, da das Gemeinwesen dann besser funktioniert. Insofern sollte man nicht Gesetze erlassen, die den einzelnen Bürger zu derlei Dingen verpflichten, sondern eine Art staatlichen Erziehungsauftrag definieren diese Tugenden zu lehren"

     

    Ich denke nicht, dass in D über "Preußische Tugenden" gesprochen und gelehrt werden muss. Eben gerade nicht Vergangenheit, sondern nach vorne schauen, auch wenn das ähnliche "Werte" dabei heraus kommen sollten.

     

    Ich denke, wir haben und hatten genug "staatlichen Erziehungsauftrag" und über die Umsetzung lässt sich vorzüglich diskutieren, wenn es nicht gleich (wieder) nach Art von Margot Honecker oder Adolf H. in Schulen zugehen soll.

     

    Und btw: Gemeinwesen funktioniert in anderen Ländern teils besser als bei uns in D - auch ohne Schwerpunkt auf die drei "Tugenden". Es ist alles eine Auslegungssache. "Gemeinwesen" kann auch bedeuten, dass die Menschen mehr gegenseitig auf sich aufpassen und sich zur Seite stehen. In D werden dann Vereine und andere Institutionen gegründet, damit "Fremde" das barmherzig übernehmen.

  • Ich weiß nicht, was Ihr am Begriff Leitkultur zu kritisieren habt. Ich stehe auf beige Kniebundhosen, weiße Tennissocken in Birkenstocksandalen und 'Draußen nur Kännchen !'

  • Es wird wohl nur in Deutschland so hysterisch, panisch und manisch über solche Belanglosigkeiten hyperventiliert! Lächerlich und peinlich!

    • @Harald Praßl:

      In anderen Ländern wird jemand aber auch nicht blöd angekuckt, wenn er mit der Fahne seines Landes rumläuft. Reaktionen wie hier, fänden Italiener trotz Mussolini lächerlich und peinlich. In Ländern wie Tschechien ist es einfach: da gibt's fast nur Tschechen. Insofern stellt sich die Frage gar nicht...

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Hoschti:

        Es ist doch prima, dass man schräg angeschaut wird, wenn man mit der Fahne seines Lander herumläuft. Schließlich sollten sich alle armen Menschen bessere Kleidung leisten können als solch einen billigen Nylonfetzen.

      • @Hoschti:

        "Reaktionen wie hier, fänden Italiener trotz Mussolini lächerlich und peinlich."

        Was nicht gerade für die Italiener spricht.

    • @Harald Praßl:

      Und schon ist Gassner’s Law erfüllt. :-)

  • "Vielleicht würde sie viel lieber ihr (möglicherweise hübsches) Gesicht zeigen, darf aber dieses grundsätzliche Recht nicht wahrnehmen, weil ihr Vater/Bruder/Ehegatte ihr dies verbietet?"

     

    Müssen wir uns diese Frage wirklich stellen? Muss die letzte unterdrückte muslimische Frau wirklich von uns befreit werden? Andere Völker - andere Sitten. Es geht uns nichts an. Die Zeiten kolonialer Mission - Übertragung überlegener Werte auf andere Völker - sollten vorbei sein.

     

    Wer hier lebt, darf leben wie er will - mit Kopftuch oder ohne. Allerdings sollte man bei der Migration auswählen, wenn man sich als Mitbürger ins Land holt. Mehr Burka-Befürworter brauchen wir nicht unbedingt.

  • Was soll denn eine Leitkultur überhaupt sein? Soll diese mal rechtlich relevant werden oder nur moralischer Hexenhammer? Es gibt nur einen verbindlichen Rahmen für etwas, was staatlicherseits kulturell beeinflussbar ist: Der Gesetzesrahmen, forderst die Verfassung. Und wenn ein Minister mit solchen Thesen ankommt, schwant mir, dass diese bescheuerte Leitkultur irgendwann da hinein gekritzelt werden soll; Rechtsverbindliche Deutschtümelei - Aber ab!

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @lions:

      Ja, das frage ich mich auch, was das sein soll, die Leitkultur. Wenn man hier in eine Weinstube geht und darauf besteht, dass man am Tisch allein zu sitzen habe, ist man kulturell irregeleitet. Aber deswegen hat man noch lange nicht begriffen, was diese Kultur sei, die einen dazu anleitet, das gut finden zu sollen, und es ist auch nicht Leitkultur, wenn jemand den Willen des unkundigen Gastes ignoriert, sondern schlicht Ausdruck dieser Kultur, insofern sie lebendig ist.

       

      Das Problem in Deutschland: wir haben keine kulturellen Gepflogenheiten, die für alle verbindlich sind, keine lebendige gemeinsame Kultur, es sei denn auf regionaler Ebene. Was soll da also - in Deutschen Landen - schon leiten?

       

      Leitkultur auf gesamtdeutschen Niveau ist insofern die idealisierte Vorstellung einer homogenen Gesellschaft, in der alle sich so verhalten wie es irgendwer, in diesem Fall der Herr Minister, gern hätte. Aber Kultur ist kein Wunschkonzert, sondern fließend und ungreifbar. Wer anderes meint, begibt sich in der Konsequenz auf bräunliches Eis, auch wenn er da nicht hinwill.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Einerseits sehr richtig, Kultur ist fließend, veränderlich und kaum greifbar. Andererseits liegt es auch in der Natur der Sache, dass wir strukturelle Gemeinsamkeiten bei uns viel schwerer erkennen können als die, bspw. regionalen, Unterschiedlichkeiten, weil uns der Blick von außen fehlt und wir die Gemeinsamkeiten daher tendenziell für selbstverständlich halten. Beim Blick auf andere Länder oder Weltregionen gelingt uns das entsprechend wesentlich leichter. Umgekehrt wird Ihnen jmd. aus Indien, Ghana oder vielleicht schon England womöglich sofort jede Menge gesamtdeutschtypische Phänomene aufzählen können.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Ruhig Blut:

          Die gesamtdeutschen Phänomene mag der Ausländer wohl benennen, aber ich bezweifle grundsätzlich, dass die auch stimmen. Außerdem begibt man sich mit solchen Äußerungen auf die Suche nach der Mentalität, denke ich, und betrachtet nicht die Frage der Kultur. Deutsche trinken gern Bier und essen Schweinefleisch und Sauerkraut, sie haben keinen Humor, halten sich für den Nabel der Welt, haben immer vor irgendwas Angst und sind naiv-romantisch. Über solche Aussagen zum Charakter geht doch die Analyse meist nicht hinaus. Wo bleibt hier aber die gesamtdeutsche Kultur? Ich sehe sie nirgends.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Eine Frage des Kulturbegriffs. Wenn Sie die genannten Dinge ausklammern (mal unabhängig davon, ob diese Konsumgewohnheiten in Deutschland wirklich überdurchschnittlich verbreitet sind, und ob sich diese Mentalitätsmerkmale konkret fassen und damit auch vergleichen lassen), was meinen Sie denn dann mit „Kultur“?

            • 8G
              849 (Profil gelöscht)
              @Ruhig Blut:

              Ich würde das als Kultur bezeichnen, was im Duden steht: "Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung". Ich finde, es ist (heute sicher) keine Leistung (mehr), Schweinefleisch zu essen und schon gar kein Ausdruck höherer Entwicklung. Auch ist unsere sprichwörtliche Humorlosigkeit keine Leistung in diesem Sinne. Eine Leistung wäre, die "Fremden" zu integrieren und einen vernünftigen und tragfähigen modus vivendi zu finden. Das haben wir Bio-Deutschen - und nicht "die" - über Jahrzehnte verpennt und jetzt merken wir auf einmal, dass da was faul ist und fordern von den Zugewanderten Anpassung - und dazu noch an unsere "Kultur"? Ja woran sollen die sich bitte anpassen? Die Zugewanderten tragen zu den geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen bei, sollen aber andererseits nicht zur Gemeinschaft gehören oder nur dann, wenn sie irgendwelche Regeln befolgen, obwohl es mittlerweile typisch für unser Land ist, dass nurmehr unsinnige Regeln befolgt werden (z.B. keine Socken in Sandalen), aber keine, die irgendwas mit unserer "Kultur" im Sinne geistiger, künstlerischer, gestaltender Leistungen zu tun hätten.

              • @849 (Profil gelöscht):

                Ah, jetzt verstehe ich Sie. Kulturwissenschaftlich wird der Begriff sehr viel weiter gefasst (ungeachtet der unterschiedlichen Ansätze und der unüberschaubaren Vielzahl an Definitionen) und schließt alle Formen und Regelmäßigkeiten der Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen einer bestimmten Gruppe von Menschen mit ein, die anderswo nicht in dieser Form und Regelmäßigkeit auftreten. Kultur ist daher allgegenwärtig; es existiert kein Mehr oder Weniger an Kultur sondern nur Gemeinsamkeiten oder Unterschiede.

                Die Idee, dass Kultur dabei einer, wie auch immer gearteten, „Höherentwicklung“ folgt, entspringt den sog. evolutionistischen Gesellschaftstheorien, die bereits vor 100 Jahren als überholt galten. Kein gutes Zeichen, dass solches Gedankengut offenbar immer noch im Duden rumgeistert.

                So verstanden hat die „Leitkultur“ natürlich einen besonders schlechten Beigeschmack.

  • Bisher, so scheint es mir, wird der Begriff „Leitkultur“ stets als positive Selbstdefinition verwendet, zumindest meist von jenen, die diesen Begriff verteidigen. Aber: Wer bestimmt unter welchen Voraussetzungen bzw. mit welchen Zielen das, was bzw. wie eine Leitkultur zu sein hat?

    Außerdem, so scheint es mir, wird in der Diskussion über "die Leitkultur" oftmals schlichtweg hingenommen, was darunter zu verstehen sei. Aber gerade das sehe ich zusehends mit einem Fragezeichen. Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte seien also ausschließliche Elemente einer deutschen Leitkultur (so das gängige Credo)? Das ist doch Unsinn und verneint, dass andere Kulturen ebenfalls solche Elemente "besitzen"/ "leben"/ etc. und es verneint, dass jene anderen Kulturen (neben der eigenen) bewertet werden. Warum also muss man bewerten?

    Doch die AutorInnen dieses Artikels versuchen dafür zu senibiliseren, was es bedeutet, aus einer Vielzahl von Menschen ein "wir" zu konstruieren; was es bedeutet, dass jene Konstruktion künstlich ist und andere Menschen ausschließt. Und weiter wird dafür seinsibilisiert, dass daneben oft auch eine Bewertung in gut/ schlecht vorgenommen wird, was ohnehin blödsinnig ist (nichts ist an sich gut oder schlecht, richtig?).

    Mir hat der Artikel sehr gut gefallen, da er die andere Seite, eben die negative Seite, eines angeblich positiven, identitätsstiftenden Begriffes aufzeigt (Stichworte Simone de Beauvoire; "Othering").

    Und was ist mit Globalsierungsprozessen-/vorgängen? Was ist mit Migration? Sind diese beiden letzten Fragen nicht oft Hauptantriebe für die Diskussion um "die Leitkultur"?

    Mein Vorschlag: Weg von Patriotismus, Nationalismus, Nationalstaatlichkeit und Leitkultur, hin zu einem Weltstaat (wenn man schon Staatlichkeit braucht), einem Weltmenschentum (das Bürgertum hab ich absichtlich weggelassen) und einer Vielzahl von Kulturen/ Identitäten!

  • Was für ein Geschwafel. "Wir" zu sagen, heißt doch nicht, dehalb jemanden an der Rampe in den Orkus zu schicken. Und nur weil ich ordentlich und pünktlich bin, heißt das nicht, daß ich irgendwie nazi bin, nur weil die auch pünktlich und ordentlich waren. Was für dämliche Vergleiche. Wer sich nicht als deutsch empfindet, na und ? So what ? Wer sich den hier üblichen Sitten und Gebräuchen nicht anpassen will, wird nicht dazu gezwungen, muß sich aber notfalls damit abfinden nicht gemocht zu werden. Wenn ich in Sri Lanka bin bin, gehe ich ja auch nicht oben ohne biertrinkend und mit Latschen in einen Tempel. Ich würde das mal runterbrechen auf: "Ich weiß, was sich gehört."

    • @Thomas Schöffel:

      Sich nicht asozial zu verhalten ist etwas anderes als "Leitkultur", der man gefälligst Beifall zu zollen hat und ansonsten ausgegrenzt wird. Und es hat niemand davon gesprochen, dass man nazi ist, wenn man ordentlich ist. Die sogenannten deutschen Tugenden aber als Merkmal und Wertkriterium legitimen Verhaltens zu stilisieren ist halt einfach übertrieben. Schön, wenn man ordentlich und pünktlich ist, egal, wenn nicht.

      Die Idee, eine Identität von 80 Millionen Menschen konstruieren zu wollen, ist - wie jedes Mal - zum Scheitern verurteilt und erreicht das Gegenteil: Ausgrenzung, Abwertung, Ablehnung.

    • @Thomas Schöffel:

      Sie haben ja mal wieder so was von recht:

       

      "...Was für ein Geschwafel...."

       

      Gern. Bitte. Dannichfür.

      Normal.

  • Schon der Begriff " L E I T K U L T U R " ist pervers!

    Als Sprachwissenschaftler heisst Leit- nämlich Abhängigkeit von einem "Leiter" - da ist der Weg zum "Führer" nicht mehr weit. Und wer nur die Aussprache hört, ist schon beim "Leid" mit "D" angekommen. Jeder freie Mensch leidet also unter einer Leitkultur. Die deutsche Sprache hat übrigens Martin Luther vor etwa 500 Jahren bei der Bibelübersetzung "erfunden". Die Vielfalt der mitteleuropäischen Kultur ist geradezu wichtig für die kulturelle und zivilisatorische Weiter-Entwicklung des europäischen Kontinents. Leitkultur-Scheuklappen machen naiv und dumm.

    • @Johannes Spark:

      Die Definierung deutscher Leitkultur über Demokratie, Menschenrechte etc. bedeutet keineswegs, dass deshalb andere Kulturen diese Elemente nicht ebenfalls als Teil ihrer Identität aufgenommen haben. Mit der Annahme der Ausschließlichkeit gehen Sie dem Nazi-Geist auf den Leim.

       

      Auch wenn Sie eine Vielzahl von Kulturen haben, haben Sie noch immer die Diskussion, was dazugehört und was nicht - und wer.

       

      Ob man fiktive Gruppenidentität als Nation, als Volk/Ethnie oder als Kultur diskutiert, ändert nichts daran, dass man auch diskutiert, wer dazugehört und wer nicht.

    • @Johannes Spark:

      Dann nennen Sie es doch um. Es gab schon mal den Titel Rahmenkultur. Wie Sie es denn, ist doch komplett egal. Auch Sie erkennen ein Form von mitteleuropäischer Kultur. Versuchen Sie doch, diese zu definieren, statt die Scheuklappen zu definieren.

    • @Johannes Spark:

      Leitkultur widerspricht der Vielfalt nicht.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Johannes Spark:

      Nein, Luther hat die deutsche Sprache keineswegs erfunden. Er hat lediglich Wendungen in sie eingebracht, die diese überregional aufgenommen hat. Hochdeutsch stammt vom hohen, südlichen Deutschland und nicht aus dem Norden oder von Luther.

  • Überall auf der Welt unterscheiden sich Sitten und Gebräuche. Wenn ich als "Westler" im Dorf meiner Frau im tiefsten Dschungel von Sri Lanka bin, kleide ich mich schon mal anders als hier. Ich vermeide kurze Hosen und bin bei Unterhaltungen nicht laut. Kinder faßt man nicht an und schon gar nicht am Kopf. Wenn man das alles nicht weiß, macht man sich unbeliebt. Die Leute sind aber zu höflich, einem das Fehlverhalten zu zeigen. Ich habe deren "Leitkultur" selbstverständlich an- oder besser: übernommen. Schließlich bin ich dort zu Gast und habe da niemandem was vorzuschreiben.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Sie haben nicht deren Leitkultur übernommen, sondern lediglich Rücksicht vor der anderen Kultur gezeigt. Genau das sollten wir alle tun, dann bedarfs auch nicht dieses hirnrissigen "Begriffs" der Leitkultur-

      • @849 (Profil gelöscht):

        Nein er hat nicht Rücksicht gezeigt. Er hat sich angepasst.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @Mantis Toboggan:

          Anpassen kann sich nur, wer genau weiß, woran er sich anzupassen hätte. Das entzieht sich im Falle des Herrn Schöffel aber meiner Kenntnis.

           

          Interkulturelle Kompetenz ist zudem nicht gleich Anpassung. Das lässt Herr Schöffel ja selbst durchblicken, wenn er auf Verhaltensweisen Bezug nimmt, die man tunlichst vermeidet, deren Sinn er aber nicht erklärt (muss er ja auch nicht, würde das Thema sprengen).

           

          Um in einer Kultur aufzugehen, sie zu übernehmen, bedarf es jedenfalls mehr als die Beachtung gewisser Gepflogenheiten. Das bemerke ich z.B. an Zugezogenen (Deutschen) im Rheinhessischen. Die sind teils Jahrzehnte schon hier, können aber keineswegs den Dialekt und verstehen die Menschen und deren Kultur hier deshalb auch nur bedingt.

  • (...) wenn de Maizière schreibt, kaum ein Land sei so sehr von Kultur geprägt wie Deutschland.(...)

     

    So so!

     

    Kultur, prägende? Wer in der Bahnhofsbuchhandlung Weimar Bücher über das ganz nahe ehem. Konzentrationslager Buchenwald sucht, wird fündig: Ganz versteckt in einem Regal steht ein Titel darüber, ca. in zwei Exemplaren. Das wars.

     

    So so!

     

    Kultur, prägende? Ein Mensch mit dieser "bemerkenswerte" Familiengeschichte konnte bereits mehrere hohe Staatsämter bekleiden:

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article12712012/Die-Familie-de-Maiziere-eine-deutsche-Dynastie.html

     

    So so!

     

    Kultur, prägende? Aktien eines in der Nazizeit allmächtig gewordenen deutschen Großkonzerns waren noch bis zum 9. März 2012 börsennotiert!

    https://de.wikipedia.org/wiki/I.G._Farben#Aufsichtsrat_und_Vorstand

     

    So so!

     

    Kultur, prägende? Kulturbeutel enthalten bekanntlich keine Kultur, sondern nicht selten fiese Keime "en masse". Was ja ein französisches Wort ist...

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Identität vermittelt sich über und durch Grenzen. Und was an diesen Grenzen geschieht, ist der Horror. Darüber zu sprechen und zu schreiben, sollte der unsere Kulturen leitende Gedanke sein. Und damit wären wir Bauman, Adorno und Benjamin weitaus näher als den Merkels, Erdogans & Netanjahus. Unsere Kultur ist doch hier und heute voll im Arsch.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Kulturort...

       

      "Unsere Kultur ist doch hier und heute voll im Arsch."

       

      Vor allem ist die Sprachkultur

      echt total voll im Arsch! Und zwar hier und heute.

      ...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Leitkultur ist ein Widerspruch in sich. Kultur ist stets das, was die gemeinsamen Kräfte einer Gesellschaft hervorbringt. An dieser gemeinsamen Kraft mangelt es uns.

     

    Das "wir" ist wichtig, wenn es nicht als "wir" empfunden ist, wird es notwendig zum "wir" gegen "ihr" und "die (da)".

     

    Dem Innenminister geht es aber gar nicht um das "wir", sondern um die Einteilung der Gesellschaft in "kulturschaffende" und "kulturnegierende" Elemente. Er schreibt u.a. "Wir verknüpfen Vorstellungen von Ehre nicht mit Gewalt". Die Bundeswehr tut das und jeder Beleidigungsparagraph tut das ebenfalls. Die Leitkultur ist das Problem, das sie als Lösung verkauft.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Im Imperium Romanum war die römische Kultur die Leitkultur, Latein die führende Sprache. Nichtsdestotrotz gab es auch eine starke griechische (hellenistische) Kultur. Das war kein Widerspruch - warum auch? ....

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Hartz:

        Das Imperium Romanum hat verschiedenste Völker unterjocht und ihnen seine "Kultur" aufgezwungen. Das kommt in der Tat dem "Begriff" von Leitkultur unseres Innenministers näher als ihm lieb sein mag.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Es gab Vielfalt im Römischen Reich, auch Unterjochung. Die römische Kultur war für andere Völker sehr attraktiv (Städte, Thermen, Straßenbau, Wein, Rechtssicherheit...). Daher kam die Romanisierung. Ohne sie ist auch unsere Zivilisation gar nicht denkbar.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Hartz:

            Dass andere Völker die römische Kultur attraktiv fanden, hat doch aber nichts damit zu tun, dass "Leitkültürler" bestimmen, wie die "Kültür" zu sein hat. Es würde doch in Analogie niemand bei uns auf die Idee kommen, die U.S.-amerikanische "Kultur" als unsere Leitkultur zu bezeichnen, wiewohl sie sehr dominant ist und von vielen für sehr attraktiv gehalten wird.

  • Positive Leitkultur

     

    Was ist denn gegen eine positive Leitkultur einzuwenden?

    Rechtsstaat, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Gewaltenteilung, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit. Das ist doch gut für uns alle!

    Wer das nicht will, der gehört nicht zu Deutschland, denn er steht nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die hier gilt.

    • @Hartz:

      Das sind allerdings nicht die Punkte, die Thomas de Maiziere aufgeführt und ausgeschmückt hat.

  • Kein Zweifel: Diese drei Autor*innen sind definitiv Teil dieses Landes, auch wenn sie nicht „deutsche Leitkultur sein“ wollen und gewisse „Bekenntnisse“ ablehnen. Die Frage ist nur, ob sie es dauerhaft bleiben können.

     

    Nein, nicht alle Deutschen verspüren den dringenden Wunsch nach einem exklusiven Wir, das sich an zehn Ge- bzw. Verboten festmachen lässt. Es sind zwei Gruppen, die das tun. Es sind die, die unbedingt in eine ganz bestimmte Richtung führen möchten, und es sind die, die sich von genau diesen Leuten eine Nichtverschlechterung oder gar Verbesserung der eigenen, für unbefriedigend gehaltenen Lage versprechen. Kurz gesagt: Das 10-Punkte-Exklusiv-Deutschland ist der Wunsch deutscher Möchtegern-Mündel und ihrer Möchtegern-Vormünder.

     

    Das Vormundschafts-Prinzip widerspricht der Idee einer aufgeklärten und emanzipierten Gesellschaft der Vielen, in der Menschen „ohne Angst verschieden sein“ können, leider grundlegend. Es ist schließlich die Angst, die Patriarchen und ihre Mündel an einander kettet, nicht die Emanzipation. So weit, so klar.

     

    Das Problem ist nur, dass auch der Teil unserer Gesellschaft, der sich für aufgeklärt und emanzipiert hält, nicht (nur) frei ist von Angst. Das „ungute[] Gefühl“, von dem im Text die Rede ist, kann sehr leicht dazu führen, dass selbst in den aufgeklärtesten, emanzipiertesten Menschen der Wunsch entsteht, sich von den als bedrohlich empfundenen Anderen zu distanzieren und sie (teilweise oder komplett) auszuschließen aus dem eigenen Lebensbereich. Das spielt den Vormündern in die Hände. Die, nämlich „kümmern“ sich um ihre Mündel, wobei sie sich von deren Angst ernähren.

     

    Mehr Vernunft könnte dem abhelfen. Leider hat Kant nicht ohne Grund geschrieben: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Vernunft ist nun einmal nicht kostenlos zu haben. Es gibt sie nicht einmal zum Schnäppchenpreis. In einer Konkurrenzgesellschaft ist das ein mittleres Problem. Kurzfristig siegt da leider all zu oft der Unvernünftige.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Verstand und Vernunft sind aber bei Kant nicht identisch. Verstand haben viele, allein es mangelt den meisten an Vernunft. Sonst hätten wir eine andere Welt.

  • Die Selbstbezeichnung als "Jüdinnen und Juden" ist jetzt nicht idenditär, oder was?

     

    Wo ist das Problem, wenn Menschen Kurden, Italiener, Tibeter oder eben Deutsche sein wollen, mit der dazugehörigen Historie und Kultur?

    • @Frank Erlangen:

      Das ist kein Problem. Das Problem liegt darin, dass manche meinen, dass ALLE die "dazugehörige Historie und Kultur" als Deutsch und national empfinden sollen, um Deutscher sein zu können.

  • „… den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.“

     

    mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen!

  • Wir haben bereits eine gute Leitkultur, die auch mal von Regierungsseite offiziell vertreten wurde. Sie ist im Grundgesetz verankert, sie ist in langen Reden durch kurze Sätze wie "Wir wählen die Freiheit" oder "Ich bin ein Berliner" auf den Punkt gebracht, und sie ist auf den Rand des Zwei-Euro-Stücks geprägt. Egal, was davon man nun nimmt, mehr braucht es nicht. Nur erinnern müssen wir uns wieder.

  • "Das ist die Idee einer Gesellschaft der Vielen, einer aufgeklärten und emanzipierten Gesellschaft, die sich als Demokratie versteht; einer Gesellschaft, in der man „ohne Angst verschieden sein“ können sollte."

     

    Damit ist alles gesagt. Was sind denn unsere tollen "westlichen Werte", abgesehen von dem Recht, dass man verdammt nochmal tun und lassen kann was man will, solange man sich an die geltenden Gesetze hält? Jeder soll nach seiner Facon glücklich werden und fertig, kein Mensch braucht eine beknackte Leitkultur.

    • @Soda:

      Damit hätten Sie allerdings ein wichtiges Prinzip unserer „tollen westlichen Werte“ und der „beknackte Leitkultur“ abgeschafft, nämlich „Gesicht zeigen!“. Wer sagt denn, dass jede Kopftuch- oder Burka-Trägerin dies wirklich aus religiöser Überzeugung tut? Vielleicht würde sie viel lieber ihr (möglicherweise hübsches) Gesicht zeigen, darf aber dieses grundsätzliche Recht nicht wahrnehmen, weil ihr Vater/Bruder/Ehegatte ihr dies verbietet?

       

      Die betreffenden Musliminnen würden gern „ohne Angst verschieden sein“, dieses Recht wird ihnen aber innerhalb ihrer „Leitkultur“ verwehrt, der sie sich nicht entziehen können.

       

      Vom Problemkreis "Beschneidung", die man auch als Körperverletzung verstehen könnte, rede ich lieber gar nicht erst!

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Wir müssen uns mal darüber unterhalten, wie wir leben wollen. Nicht darüber, wie es ist, sondern wie es sein sollte. Und dazu ist das ein guter Beitrag!

    • @970 (Profil gelöscht):

      Diese Unterhaltung könnte sehr, sehr kurz ausfallen, werte*r NEUBAU. Darauf, schließlich, dass Menschen angstfrei leben wollen, können sich vermutlich (fast) alle Menschen einigen.

       

      Das Problem dabei: Viel zu viele Leute leben viel zu gut davon, dass sie sich öffentlich darüber streiten, ob Gewalt eine Lösung ist. Im Augenblick stehen die Wetten offenbar etwa 50 : 50. Die eine Hälfte der Gesellschaft findet: Ja, Gewalt ist eine Lösung. Die andere Hälfte sagt: Nein, Gewalt ist keine.

       

      Das Erstaunliche ist, dass beide Gruppen recht haben. Im Angriffsfall erhöht die Gegenwehr die Überlebenschancen. Nur löst sie langfristig keine gewaltauslösenden Konflikte. Im Gegenteil: Sie verstärkt Konflikte zusätzlich, weil nie so ganz auszumachen ist, wer denn nun WIRKLICH angefangen hat mit einer Aggression. Wir kommen schließlich nicht aus einem Paradies. Es war der Dschungel, der uns „ausgebrütet“ hat. Dem Normalbürger namens Otto scheint deshalb leider noch immer schwer vermittelbar zu sein, worin der Unterschied zwischen einem Angriff und einer Selbstverteidigung besteht. Es heiß ja oft, der eine wär die bessre andere.

       

      Je nun. Angst essen nicht nur Seele auf. Angst schaltet vor allem die Vernunft aus. Wir wüssten sonst, dass Gandhi recht hatte: „Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein“. Momentan tappen wir – aller medialen Rundum-“Aufklärung“ zum Trotz – herum wie einsame Blinden in einem fremden Raum. Das lässt uns Schwäche spüren, die uns dran hindert, zu verzeihen (auch Gandhi). Zunächst erst einmal uns, dann allen anderen.

       

      Der Überlebenswille ist halt ziemlich stark in uns. Es sei denn, dass wir uns entschlossen haben, ernsthaft zu sagen: „Nein, so nicht! So wollen wir einfach nicht leben, so voller Angst vor unsrem eignen Tod!“

    • @970 (Profil gelöscht):

      Wenn sich aber eine Mehrheit auf die Tugenden Leistung, Disziplin und Leistung (neben anderen Tugenden) berufen möchte? Soll sie sich dann den möglicherweise überzogenen Ängsten einer Minderheit beugen?

      • 9G
        970 (Profil gelöscht)
        @Reaktionär:

        Ich z.B. würde Mehrheitsentscheidungen durch Konsensentscheidungen ersetzen.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Reaktionär:

        Es steht doch jedem frei, sich auf Leistung und Disziplin zu berufen. Ob er damit in der heutigen Welt weit kommt, steht indes auf einem anderen Blatt.

      • @Reaktionär:

        Wenn sich die Mehrheit auf diese Tugenden berufen möchte, ist das die Sache jedes Einzelnen dieser Mehrheit. Aber nur weil viele Einzelne eine bestimmte Meinung haben, verpflichtet dass noch nicht andere.

        • @sart:

          Nun es kann es in einer Demokratie durchaus vorkommen, dass eine Mehrheit ein Gesetz beschließt, das dann für die Gesamtheit gültig ist also auch diejenigen verpflichtet, die dagegen waren. So funktioniert das nun einmal in einer Demokratie, wenn man dieses Regierungsprinzip befürwortet. Ich würde beim Thema Leitkultur aber gar nicht so weit gehen wollen Prinzipien mit Gesetzesrang zu definieren, die jeden Einzelnen zu einem bestimmten Handeln verpflichten, das weit in das Privatleben hineinreicht. Selbst beim "Alten Fritz" hieß es: "Jeder soll nach seiner Facon seelig werden".

           

          Gleichwohl ist es sinnvoll diese preussischen Tugenden von staatlicher Seite zu fördern, da das Gemeinwesen dann besser funktioniert. Insofern sollte man nicht Gesetze erlassen, die den einzelnen Bürger zu derlei Dingen verpflichten, sondern eine Art staatlichen Erziehungsauftrag definieren diese Tugenden zu lehren z.B. an Kindergärten, Schulen, Universitäten und auch der Bundeswehr. So wird jeder damit konfrontiert (genau wie bei Gender-Mainstreaming, das sich der Staat zur Querschnittsaufgabe gemacht hat obwohl es eher eine Ideologie ist als eine Naturtatsache) und kann, wenn er die Erziehungsanstalten und / oder die Armee durchlaufen hat dann selber entscheiden, ob er die Tugenden Ordnung, Fleiß und Disziplin beibehalten will oder wieder ablegen. Diese Art von kultureller Ritualisation wird in Israel übrigen auch praktiziert besonders durch die Armee und scheint der Jugend dort nicht zu schaden (es bewahrt sehr vor Infantilisierung und Daueranspruchsdenken). Da sollten sich die drei (möglicherweise etwas deutsch verzogenen) jüdischen Damen vielleicht noch einmal Gedanken machen. Der letze Satz war jetzt nicht so ganz ernst gemeint ;.)