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Neuer Thinktank in BerlinDenken auf russische Rechnung

In Berlin entsteht ein Thinktank – mit russischem Geld, fragwürdigen Verbindungen und großen Plänen. Doch wer da was erforschen soll, ist unklar.

Alte Verbindungen: Am Freitag treffen sich Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Platzeck (links) und Russlands Ex-Bahnchef Jakunin (rechts) wieder. Foto: dpa

Berlin taz | Die Männer, die sich am Freitag in Berlin-Mitte treffen, haben Großes vor. In einem Kongresszentrum am Boulevard Unter den Linden stellen sie am Vormittag ihre neue Denkfabrik vor. „Das wird richtig groß“, sagt einer der Beteiligten. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen wir zu den Top 20 gehören“, heißt es in einem Konzeptpapier. Gemeint sind nicht die Top 20 in Deutschland. Gemeint sind die Top 20 der Welt.

Dieses Vorhaben könnte gelingen – dank kräftiger Unterstützung aus Russland. Einer der Köpfe hinter dem „Dialogue of Civilizations Research Institute“ stammt aus Sankt Petersburg. Geld für den Thinktank kommt offenbar ebenfalls aus Russland. Zu den Unterstützern gehört zudem eine Reihe deutsch-russischer Lobbyvertreter.

Einigen Beobachtern bereitet das Sorgen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht bereits von einem „Instrument der hybriden Kriegsführung Moskaus“. Zu Recht?

Zumindest direkte Verbindungen zum Kreml bestreiten die Verantwortlichen: Man wolle unabhängig arbeiten und nehme deshalb keine Mittel von der russischen Regierung. Woher das Geld für das Institut stattdessen stammt, bleibt aber unklar. Eine offizielle Auskunft gibt es nicht; einer der Beteiligten spricht von Unterstützung durch russische Oligarchen.

Aufmerksamkeit durch fragwürdige Aussagen

Kreise, zu denen ein Mitbegründer des Instituts beste Verbindungen hat: Wladimir Jakunin, langjähriger Vertrauter von Wladimir Putin und bis 2015 Chef der russischen Eisenbahn. Ebenfalls unter dem Namen „Dialogue of Civilizations“ organisiert er seit Jahren Konferenzen auf der griechischen Insel Rhodos. Die Veranstaltungen sollen den „konstruktiven Dialog zwischen den weltweit führenden Zivilisationen“ fördern – bislang mit mäßiger Resonanz.

Aufmerksamkeit in Deutschland erhielt Jakunin stattdessen durch einige fragwürdige Aussagen. Mit Blick auf die österreichische Travestiesängerin Conchita Wurst sprach er einst von „abnormer Psychologie“. In der Ukraine-Krise sprach er von einem „vulgären Ethno-Faschismus“ des Westens.

Wir werden keine russischen Interessen vertreten

Institutsgründer Peter W. Schulze

Könnte seine Denkfabrik da nicht doch als Propagandainstrument des Kreml angelegt sein? „Wir werden keine russischen Interessen vertreten“, beteuert Peter W. Schulze, Politikwissenschaftler und zweiter Gründer des Instituts. Er leitete einst das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau. Der neue Thinktank wird sich ihm zufolge nicht auf das Thema der deutsch-russischen Beziehungen versteifen, sondern diverse „globale Fragen, wie etwa demografische Veränderungen“, ansprechen.

Welche Wissenschaftler daran beteiligt sein werden, ist aber noch nicht klar. Auch eine Immobilie hat der Thinktank noch nicht gefunden, die reguläre Arbeit wird nach Einschätzung der Gründer erst im Herbst beginnen.

Zunächst bleibt es bei einer Auftaktveranstaltung mit hochkarätigen Gästen: Nach Berlin-Mitte kommen am Freitag unter anderem Matthias Platzeck (Deutsch-Russisches Forum), Hartmut Mehdorn (unter anderem Aufsichtsrat der russischen Eisenbahn) und Harald Kujat (ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr). Eine Runde älterer Herren also – mit besten Verbindungen nach Moskau.

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22 Kommentare

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  • Dieser Artikel zeigt anschaulich, wie Deutschland seine "größten Kanonen" (G. Schröder, H. Mehdorn etc.) nach Russland entsorgt. Für diesen Export unsäglicher Oligarchen muss man Herrn Platzeck und seinem D-R-Forum eigentlich dankbar sein. Oder befinden sich diese Herren nur im "Eisenbahnglück" (Mynona)?

  • Es kann ja so werden, das dieser "thinktank" dem Frieden, der Entspannung, der Überwindung der Missverständnisse zwischen BRD/EU/NATO/USA und Russland dienlich ist? Ihn so einfach abzutun als russischen Versuch `hybrider Kriegsführung Moskaus´ zeugt m.E. nur von Arroganz und Hochmut .. um den Kalten Krieg zu festigen...

    • @vergessene Liebe:

      ...oder es zeugt von Realitätssinn in dem Bemühen die demokratischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts, Freiheit, Meinungsfreiheit, Menschenrechte und das Ende despotischer Gewalt zu verteidigen.

      • @Grisch:

        Ooh @GRISCH ! Erinnere dich doch bitte an die Politik Brandt/Bahr , die durch Dialog und Annäherung den Kalten Krieg entspannte .. In deiner Logik von Abgrenzung gegen Russland wird die Idee der EU als "Friedensprojekt" absurd!

        • @vergessene Liebe:

          Nur die Ruhe, der Putin ist ein ganz Lieber, und Thinktanks sind dazu da, die Welt zu verbessern *hust*

  • Ach herrjeh, welche Aufregung. Wenn schon der Begriff "thinktank" dazu ausreicht, um Hand in Hand mit russophober Einstellung geistige Blasen zu schlagen. Ach herrjeh.

    Die gründen eine Institution zur wissenschaftlichen Kooperation, keine Waffenfabrik! Im Silikon Valley würde das gefeiert. Köstlich.

    • @Trabantus:

      Stimmt, damals auf der Krim haben sich auch irgendwelche Spinner echaufiert als da harmlose unbewaffnete grüne Männchen ohne Abzeichen beim Indianer spielen beoabachtet wurden...

       

      Nach allem was Putin - der alte Geheimdienstler - in den letzten Jahren so getrieben und angezettelt hat, kann man dem Ganoven eben nicht mehr über den Weg trauen.

  • 3G
    34970 (Profil gelöscht)

    Wenn da was dran sein sollte das Russland die AfD unterstützt sollte man auf der Hut sein. An dem Scheitern der Weimarer Republik war die von Russland gesteuerte KPD mitverantwortlich. Das brauchen wir nicht nocheinmal.

    • @34970 (Profil gelöscht):

      Das Scheitern der WR wäre nicht so tragisch gewesen, wenn man im Anschluss nicht die Nazis an die Macht gewählt hätte.

  • „Woher das Geld für das Institut stattdessen stammt, bleibt aber unklar“

     

    Dabei wäre es so einfach, dieses und anderes herauszubekommen. Man müsste sich nur dem russischen Beispiel anschließen und alle NGO’s, wie dieses „Dialogue of Civilizations Research Institute“ zu „ausländischen Agenten“ erklären. Diese müssten dann alle ihre Finanzen offenlegen, insbesondere solche, die aus dem Ausland (nicht nur von Regierungen) erhalten. Darüber hinaus würde ihnen so lange penibel auf die Finger geschaut, bis genügend „Beweise“ beisammen sind, um diese „Agenten“ einzusperren oder des Landes zu verweisen!

     

    Übrigens wurde heute gemeldet, dass in Russland das erste Strafverfahren nach dem russischen NGO-Gesetz eröffnet wurde: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2016/06/30/auslaendischer_agent_erstes_strafverfahren_nach_dlf_20160630_0625_8e45f394.mp3

     

    Ich hoffe, in D. kommt es nicht so weit. Also werden wir „ThinkTanks“, wie das obengenannte, ertragen müssen. Aber ich möchte erst recht nicht in einer Demokratur nach russischem Vorbild leben!

    • @Pfanni:

      Was bedeutet ihr Vorschlag für die transatlantischen NGOs? Oder gilt ihr Vorschlag nur für NGO die sie persönlich nicht mögen?

    • @Pfanni:

      Demokratur ? Bei uns ? Unmöglich ! Das Volk ist der Souverän , und die Volksvertreter in den Parlamenten machen das , was das Volk will , klar ?!!

      Und Regierung & "Leit"-Medien bei uns sagen und berichten immer nur , wie e s i s t . Steht schon im Grundgesetz : "Gewirnwäsche ist abgeschafft ."

      • @APOKALYPTIKER:

        ... so isses ! und alle vier Jahre können Sie sogar zwischen den Geschmacksrichtungen Johannisbeere, Himbeere, Banane und Waldmeister wählen.

        • @jhwh:

          @ JHWH: Die Wahrheit ist doch immer konkret. Also, welche Früchte würden Sie z. B. den „Grünen“, der „Linkspartei“ und der „AfD“ zuordnen?

        • @jhwh:

          ...während es in Putins Russland nur folgende Geschmacksrichtungen zur Auswahl gibt: Blut und Schießpulver...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Eine Denkfabrik ist ein Widerspruch in sich. Denken lässt sich nicht fabrizieren. Fabrizieren lässt sich bloß ein Gremium von Wichtigtuern, das mit denkfernen Mitteln Interessen durchzusetzen sucht.

  • Ist die Frage, ob man direkt so reagieren sollte ..

  • Werter Herr Platzeck, hier im Osten, so habe ich mir wieder angewöhnt (nach 60 Jahren) sagen die Leut' "werter" statt "sehr geehrter". Das ist altwestdeutsch, förmlich und oft zu pompös. Also werter Herr Platzeck, nach wie vor habe ich (*1945) eine hohe Wertschätzung für Sie! Aber schockiert bin ich, mit wem Sie da thinktanken gehen wollen. Mit diesen Banausen! Geldverbrenner und Militaristenknilch! Der Chaoshartmut ist weitergereist zum Nachbarn, um da, ja was zu tun? Schlafen Sie da bitte noch mal drüber, Herr Platzeck...

    • @Gion :

      Anno 2016 will so ein Think-Tank nur mit Männern an Bord durch die Welt brettern. Frauen sind da fehl am Platzeck?

      • @Gion :

        Egal, ob Mann oder Frau, ich halte das für ein fragwürdiges Projekt.

         

        Ich sehe zwar auch, dass "der Westen", und ganz besonders die USA, meinen, dass die ganze Welt nach ihrem (Demokratie-/Ökonomie-) Modell funktionieren soll, was mir überhaupt nicht gefällt.

         

        Weil ich "den Westen" ganz gern begrenzt und eingeschränkt sehen würde, ist mir auch klar, dass mit China und mit Russland gesprochen und diskutiert werden muss.

         

        Aber muss es denn gleich so sein?