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Dreck und MoralDürfen Linke putzen lassen?

Natürlich nicht! Trotzdem beschäftigt die Chefin der Grünen eine Putzhilfe und selbst die Linkspartei wackelt bedenklich.

Dieser Mann ist ein guter Mensch. Denn er putzt selbst Foto: dpa

Dass in der SPD keine echten Linken mehr sind, gut, das muss den echten Linken heute keiner mehr beweisen, das ist eh klar. Aber umso schöner gruselt es die echten Linken, wenn einer von der SPD mal wieder beweist, dass er keiner von ihnen ist. Wie der Peer Steinbrück mit seiner Putzfrau.

Steinbrück wollte Kanzler werden, das war 2013. Er bekam einen Brief, von einem Mann, der ihn erpressen wollte und zwar mit der Behauptung, dass der Kandidat der Sozialdemokraten eine philippinische Putzfrau ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt habe. Jemand, der putzen lässt und dazu noch schwarz, also mal ehrlich! Aber das passte natürlich gut zu dem, was der Steinbrück vorher als Finanzminister der Großen Koalition gezeigt hatte, nämlich, dass er ein rotlackierter Neoliberaler ist.

Allein schon, dass der überhaupt eine Putzfrau hatte! Wie passt das in ein egalitäres Weltbild, zu einem kritischen Bewusstsein von Arm und Reich, zur Emanzipation? Wenn Steinbrück wenigstens einen Putzmann beschäftigt hätte aber nein, Frau, Phillippinin, noch Fragen?

Dürfen Linke putzen lassen?

Klar, wenn die Putzkraft sozialversichert und angemeldet ist, findet Simone Peter, die wir für die taz.am wochenende gefragt haben. Die Parteichefin der Grünen legt zudem Wert darauf, dass die Putzfrau gut bezahlt wird. Eine verkappte Sozialdemokratin also, aber ob die Grünen noch zu den echten Linken gehören, ließe sich ja ebenfalls diskutieren …, ach lassen wir das. Bei Bernd Riexinger hingegen, da gibt es keine Zweifel: „Ich halte ehrlich gesagt nicht viel von einer Dienstbotengesellschaft, wo einige so viel verdienen, dass sie sich eine Putzkraft leisten können und andere so wenig, dass sie bei anderen Menschen putzen müssen.“ Klare Kante, denkt man sich, bevor dann auch Riexinger noch hinterher schiebt, es könne natürlich immer Ausnahmen geben, dieser Relativist.

Alles SPD-Wähler!

In elf Prozent der deutschen Haushalte wird laut einer Forsa-Studie von 2015 eine Haushaltshilfe beschäftigt. Dank immer neuer Online-Dienste wie Helping, CleanAgents und Book a Tiger wird das auch immer einfacher. Dabei gilt: Je mehr die Leute verdienen, desto eher stellen sie jemanden zum Saubermachen an. Bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen über 3.500 Euro stellen 22 Prozent eine Hilfe ein, bei einem Einkommen unter 2.000 Euro waren es nur fünf Prozent der Befragten. Putzen ist also was für Reiche, Ihr Steinbrück-Peters, merkt Ihr das?

Die US-Soziologin Arlie Russell Hochschild hat darüber sogar ein Buch mit einem sehr langen Namen geschrieben: „Inequality Reader: Contemporary and foundational readings in race, class & gender“ als „Global Care Chain“. In einem reichen Haushalt wird eine Kraft eingestellt, die aus einem ärmeren Land kommt, um zu arbeiten, während sie in ihrem eigenen Haushalt eine Lücke hinterlässt, die wieder eine Kraft aus einem noch ärmeren Land füllt.

taz.am wochenende 6./7. Februar

In einem Wald im Rheinland kämpfen RWE-Mitarbeiter und Baumbesetzer um die Energiewende – mit Schlagstöcken und Reizgas. Die Reportage aus dem Hambacher Forst lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Februar. Außerdem: Was, wenn Putzen ein Kampf ist? Unser Autor hat fremde Menschen in seine Wohnung gebeten. Und: Dominic Musa Schmitz kiffte, feierte, hatte Sex. Mit 17 konvertierte er zum Islam – und ging in die salafistische Szene. Nach sechs Jahren stieg er aus. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Wie kann ein Linker da mitmachen?

Die Irgendwiebinichsjadochlinken von heute erfinden natürlich immer irgendwas, das einem dann erklären soll, dass das mit der Putzhilfe doch irgendwie klar geht. Zum Beispiel, dass die Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen, Jobs brauchen.

Milo Rau, der als Theaterregisseur die Prozesse gegen Pussy-Riot in Moskau reinszeniert hat, sagt: „Erniedrigende Arbeit gibt es a priori nicht, nur erniedrigende Arbeitsbedingungen.“ In seinem Heimatland Schweiz hätten die Putzhilfen eine Krankenversicherung und seien in der Gewerkschaft.

Rau und Peters müssen WG aufmachen

Schweiz! Das sieht man doch woher das kommt, der Rau und die Peters können zusammen eine WG aufmachen.

Aber gut, was soll man sagen in einer Welt, in der es Bücher darüber gibt, dass Menschen sich beim Putzen schämen. „Wer sich mit Sauberkeit beschäftigt, muss anerkennen, dass es vorher mal schmutzig war. Da kommt das Schämen ins Spiel“, sagt die Technikphilosophin Nicole Karafyllis von der Technischen Universität Braunschweig, die sich in ihrem Buch „Putzen als Passion“ aus philosophischer Sicht mit dem Reinemachen beschäftigt hat. Weil man beim Putzen immer nur das Negative sieht, nämlich das, was man nicht geschafft hat, wollen die Damen und Herren von der modernen Wischi-Waschi-Linken das gerne an jemanden aus Polen oder Syrien delegieren.

Ich halte ehrlich gesagt nicht viel von einer Dienstbotengesellschaft, wo einige so viel verdienen, dass sie sich eine Putzkraft leisten können und andere so wenig, dass sie bei anderen Menschen putzen müssen.

Bernd Riexinger, Linkspartei

Die Begründung geht so: Anders als bei der Begeisterung vom Selbstgemachten in Ratgebern wie „Style Guide – Do it yourself: Tolle Geschenke – Mit Liebe selbst gemacht“, lässt sich das Selbstputzen nicht so recht zelebrieren. Auf Knien schrubbend mit Retro-Instragram-Filter? Putzen ist nicht schön, sondern nötig. Wer putzt, der schafft nicht, der beseitigt nur.

Ausreden gibt es ja immer.

In der taz. am wochenende vom 6./7. Februar können Sie nachlesen, wie unser Autor Martin Reichert mit sich ringt. Eigentlich eher ein Gefühlslinker, lässt er seine Küche von einer 50-Jährigen putzen, die seit fast 20 Jahren schwarz (!) arbeitet. Das Wohnzimmer übernimmt ein 20-jähriger Mann, der gleich aus zwei armen Ländern hierher zu uns geflohen ist, um es mal später besser zu haben. Erst als der auch noch das Klo wienern will, entdeckt Reichert wo er politisch wirklich steht: „Mein Bad mache ich selbst sauber!“

Auf einen allerdings, kann man sich immer verlassen: „Ich sehe, wie schnell es schmutzig wird und betätige mich körperlich: Unter dem Bett zu saugen ist gerade in meinem Alter nicht unanstrengend.“ Danke, Hans-Christian Ströbele, wenigstens Sie putzen noch selbst.

Der Steinbrück damals, der hatte seine Putzfrau übrigens nicht schwarz beschäftigt. Aber wenn interessiert das. Er hatte eine!

Lieber selbst putzen, die Ordnung selbst halten oder doch, vielleicht aus Zeitmangel, auf eine Putzkraft zurückgreifen? Was meinen Sie, darf man, vielleicht gerade als Linker, andere Menschen den eigenen Dreck wegputzen lassen? Diskutieren Sie mit! (Obwohl Sie die richtige Antwort ja schon kennen, nicht wahr?) Die Titelgeschichte „Sauberer wird’s nicht, Schatz“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Februar.

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38 Kommentare

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  • Mein Gott, ist das ein Unsinn. Darf man also auch sein Auto nicht von jemand Fremden reparieren lassen ? Putzen an sich ist ja eine normale Tätigkeit und nicht menschenunwürdig, sonst könnte der Autor ja nicht schlussfolgern, dass der Bewohner es selbst machen sollte. Im übrigen finde ich es lustig, das man mit einem Nettoeinkommen pro Haushalt über 3500 Euro zu "den Reichen zählt". Wenn z.b. bei einem Paar beide Vollzeit arbeiten (und wahrscheinlich lassen eher solche Leute putzen, aus Zeitmangel weil beide berufstätig), und jeder 1750 Netto verdienen würde (z.B. unverheiratet, beide Steuerklasse 1) zählen diese schon zu den "Reichen".

     

    Eine gerechtere Gesellschaft ist wünschenswert, klar. Aber wenn die Verhältnisse nun mal jetzt so sind, gibt es bestimmt Meschen, die froh sind, eine Putzstelle zu finden, vorrausgesetzt natürlich, angemeldet und ordentlich bezahlt. Selber zu putzen an sich änder doch nichts an sozialen Realitäten.

  • Dazu hat Rainald Grebe schon alles gesagt: https://www.youtube.com/watch?v=GmXTmobAbLA

  • Die Kinder in die gewaltfreie Eso-Kita geben, wo eine unter prekären Bedingungen vegan gekocht wird, ist also ok, aber eine Putzfrau für - in unserer Gegend- € 10-15 netto zu beschäftigen nicht?

    Ihr habt doch einen an der Waffel.

  • Bei einem fairen Lohn ist eine Arbeit letztlich einfach eine Arbeit. Die Frage ist ja, degradiert so eine Tätigkeit einen Menschen auf Dauer? Und viel schlimmer finde ich, wenn viele Unternehmen und Behörden keine Putzfrauen mehr beschäftigen und die auch nach dem Discounter-Prinzip buchen. Das stört mich viel mehr, als ob der Linke oder Gefühlslinke sich das Wohnzimmer staubsaugen lässt. Gut, Ghandi zwang sogar seine Frau dazu, die Latrinen zu säubern und sah darin einen Akt von großer Wichtigkeit. Vielleicht hat (hatte) er damit Recht, aber das muss man auch hinterfragen, ob das wirklich so ein Thema ist, wo man A oder B und nix anderes sagen kann.

  • Meine Güte.

    Ich habe selten soviel Unsinn in einen Artikel gelesen wie hier. Habt Ihr Euch mal Gedanken darüber gemacht, dass auch Putzen nicht eine entfremdete Arbeit sein muss, auch nicht, wenn man sie für jemand anderen macht?

    Ich habe so ca. 25 Jahre lang vollgeschissene Windeln von geistig behinderten Menschen weggetragen und natürlich auch, sofern die mal wieder den Inhalt der Windeln verteilt hatten, auch weggewischt. Die politische Einstellung meiner BewohnerInnen war mir dabei ziemlich wurscht. Es waren alles sehr liebe, nette EgoistInnen, mit denen die Arbeit Spaß machte. Und es machte auch Spaß, ein vorher völlig verdrecktes Zimmer später wieder blitzeblank zu sehen.

     

    Und Ihr habt also alle einen Bekanntenkreis, der so wenig Menschen beinhaltet, dass da keiner drunter ist, der gerne putzt? Vor ein paar Jahren hatte mein Ex-Männe eine depressive Phase und wurde arbeitslos. Der konnte aber immer hervorragend Fenster putzen, viel besser wie ich. Also hat der bei mir gerne für ausreichend Geld und Speis und Trank mal die Fenster geputzt. (Sex gab's dann auch noch manchmal, aber dafür bekam weder er noch ich Geld, nur je einen Orgasmus idR.)

    Bei einem anderen Bekannten von mir bin ich etwas vorsichtiger, obwohl der auch immer gerne mal bei mir putzen will. Der ist aber auch in seiner Wohnung so ordentlich, dass ich mir nicht sicher bin, ob ihm das nur Spaß macht, weil er schon 'ne Zwangsneurose hat. Und solange ich Geld habe, teile ich das sowieso gerne mit meinen Freunden und Bekannten. Und wenn die meinen, sie müssten mir mal zeigen, dass mal wieder alles ordentlich sauber gemacht werden soll, dann sollen die es tun, wenn es ihnen Spaß macht. Wenn irgendjemand von denen das gerne regelmäßig bei mir machen will, würde ich dem auch regelmäßig Geld dafür zahlen.

    Wichtig ist, dass man selber die Menschen kennt und abschätzen kann, dass man sie nicht ausbeutet gegen ihren Willen.

  • hmpf... Ich habe gerade den ganzen Samstag mit Putzen, Staubsaugen, Aufräumen, Wäschewaschen verbracht , weil ich die Woche über mit neinen 3 Kindern und meiner Ausbilung und Hausaufgaben beschäftigt bin.... Habe vorher studiert, musste abbrechen, da ich keine passende Kinderbetreuung fand..... Nun also eine Ausbildung (ohne Vergütung, versteht sich). Meine Nachbarn arbeiten beide nur halbtags :(Akademiker) und haben ein Kind, dafür 2 Autos und eine Putzfrau. Sie liegen den ganzen Sommer auf der Terasse oder betätigen sich sportlich. Ich hasse diese Leute. Mein Sozialneid wird mir dank dieser Menschen ebenso wie meine prekäre Lebenslage bewusst. Dafür hasse ich sie noch mehr :)

  • Toller Popcorn-Artikel! Und ich finde es übrigens supertoll, dass es noch taz-Journalisten gibt, die ihre Mülltonnen selber zur Deponie bringen.

  • Mit derlei Überlegungen ließe sich freilich die komplette Arbeitsteilung in Frage stellen.

     

    Dürfen Linke eigentlich essen, was sie nicht höchst persönlich selbst auf dem Feld angebaut haben?

  • Manchmal ist die Realität schon weiter.

     

    Es gibt in verschiedenen Bundesländern Initiativen - von der herrschenden Politik!- dass in Büros des öffentlichen Dienstes die Angestellten und Beamten den anfallenden Müll selber entsorgen müssen. Im Klartext, auch Richter und Professoren bringen ihren Müll selbst heraus, wobei die Reinigungskräfte das Wischen noch (?) übernehmen. Ob das volkswirtschaftlich sinnvoll ist, sei dahin gestellt, zumindest solange es Gehaltsunterschiede gibt. Denn zusammengerechnet heisst dass nicht anders als das jede 300-500ste (je nach Zeitaufwand) der doch recht teuren Richterstellen nur fürs Müllentsorgen drauf geht, nicht fürs richten.

    • @fly:

      Was für eine Milchmädchenrechnung. jeder, auch Richter verläßt seinen Sesselpupsarbeitsplatz mal für noch dringendere Geschäfte oder schlicht für eine Tasse Kaffe. Auf den Weg dort oder sonswo hin einen Mülleimer in der Hand zu tragen ist sicher keine finanzielle Zeitvergeudung und vielleicht sogar der Weg für die zündene Idee am gerade bearbeiteten problem.

    • @fly:

      Sie dürfen das nicht mit der freien Wirtschaft vergleichen, wo jede Minute Leistung verlangt wird. Der Beamtenalltag bietet genug Muse, um zwischendurch mal den Papierkorb rauszutragen. Ihr Argument der Überbezahlung stimmt natürlich so oder so.

  • Die Doppelmoral fängt doch da an, wo in gute Arbeit und schlechte Arbeit aufgeteilt wird. Mal angenommen Steinbrücks Frau würde -natürlich unbezahlt- zu Hause putzen, wäre es dann eine weniger erniedrigende Arbeit? Wer keine Zeit hat, es selbst zu erledigen, muss entweder damit leben, dass ein Schwarm Fruchtfliegen die Küche beherrscht oder er bezahlt und zwar ordentlich. Das Problem der Linken ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität: Wäre sie politisch so erfolgreich gewesen, wie sie gerne hätte, müsste sie sich weniger Gedanken über das richtige Leben im Falschen machen. Man kann aber schonmal damit anfangen, die alte Solidarität unter Arbeitern soweit wiederherzustellen, dass die Art der Arbeit und die Höhe der Entlohnung nicht als Teil und vor allem nicht als Makel der Person betrachtet werden. Mit diesem Provisorium könnte ich leben, bis wir gesellschaftlich weiter sind. Der Artikel übernimmt unhinterfragt die Entlohnung der Arbeit als Maßstab für ihren Wert - was alles andere als linkes Denken ist, es ist zutiefst bürgerlich und snobistisch. Das Perfide an diesem Maßstab ist ja, dass wer einen beschissenen Job hat, damit automatisch auch seine Würde verliert, weil jemand anders das per bloßer Zuschreibung so festlegen kann. Wenn die Arbeitsbedingungen schonmal einigermaßen annehmbar sind, müssen Linke sich dazu überwinden, den Arbeiter_innen Respekt entgegenzubringen, um ihrem moralischen Bild zu entsprechen. Sich einzugestehen, dass die Revolution noch nicht stattgefunden hat, kann ja nicht so schwer sein: Es gibt noch Leute, die Putzen gehen.

    • @dasOimel:

      Danke. Sie haben mir gerade eine unangenehme Arbeit abgenommen. Allerdings würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen als Sie. Ich möchte behaupten, dass es Leute geben kann, die gerne putzen. Zum Beispiel, weil die Wohnung hinterher besser aussieht und besser riecht.

       

      Überhaupt ist es meiner Meinung nach nicht links sondern "zutiefst bürgerlich und snobistisch", von sich selbst auf alle anderen zu schließen und anzunehmen, die eigenen Vorlieben und Abneigungen wären maßstabsetzend für die gesamte Gesellschaft. Wären nicht so viele maßgebliche Sozialisten bzw. Kommunisten im Grunde ihres Herzens bürgerliche Snobs gewesen, gäbe es womöglich heute eine Alternative zum Kapitalismus. Zumindest eine theoretische.

       

      Die Antwort ist schließlich ganz einfach: Es gibt weder gute noch schlechte Jobs. Es gibt nur Jobs, die aus einem Zwang heraus erledigt werden, und Jobs, die man aus eigenem Antrieb tut. Der Job der Putzfrau ist so gut und so wichtig wie jeder andere. Wieso Rechtsanwälte oder Ärzte ein Vielfaches von dem verdienen, was Gebäudereiniger bekommen, ist mir ein echtes Rätsel. Dieses Prinzip hat nämlich zur Folge, dass es zu viele schlechte Ärzte und Juristen gibt - und zu wenig gute Reinigungskräfte. Beides ist ganz schlecht für die Gesellschaft.

       

      Wer links sein will, der sollte also etwas gegen ungerechtfertigte Gehaltsunterschiede haben, nicht gegen das Putzen oder gar gegen Leute, die es professionell erledigen. Togiak hat völlig recht: Es geht um Selbstbestimmung. Freiheit ist, wenn man tun kann, was man tun möchte, ohne sich Gedanken um die schlechten Manieren andere Leute machen zu müssen. Und eine Gesellschaft sollte dann als erfolgreich gelten, wenn sie niemanden mehr dazu zwingt, für Andere das Klo zu putzen. Es sei denn, der Zwang wird ausdrücklich erbeten.

      • @mowgli:

        Aber bitte, gerne. Könnten Sie mir ihren Satz "Wären nicht so viele maßgebliche Sozialisten bzw. Kommunisten im Grunde ihres Herzens bürgerliche Snobs gewesen, gäbe es womöglich heute eine Alternative zum Kapitalismus. Zumindest eine theoretische." nochmal erklären? Ich finde da die Kausalität nicht :/ vielleicht übersehe ich da was. Meinen Sie wen bestimmtes?

         

        Wo ich mir aber sicher bin: Preisbildung kann (oder will) die sog. WiWi immer noch nicht vernünftig erklären, erst recht nicht für die Preise für Arbeit. Ihre Beispiele finde ich in dem Zusammenhang super: Im Zweifel arbeiten Rechtsanwälte und Ärzte nicht produktiv, sondern genau wie Reinigungskräfte daran, etwas zu beseitigen.

    • @dasOimel:

      "Man kann aber schonmal damit anfangen, die alte Solidarität unter Arbeitern soweit wiederherzustellen, dass die Art der Arbeit und die Höhe der Entlohnung nicht als Teil und vor allem nicht als Makel der Person betrachtet werden."

       

      Was zuallererst Aufgabe der Arbeiter selbst wäre - weil verordnen kann man das nicht. Da sich aber die meisten Leute heutzutage generell nicht mehr als Arbeiter verstanden wissen wollen, sondern sich lieber für privilegiert halten, ohne es zu sein, dürfte das etwas dauern.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Sie haben ja Recht, das ist die Aufgabe der Arbeiter. Es sollen sogar noch ein paar davon übrig sein, die sich für links halten. Ich bezog mich mit "wiederherstellen" vage auf den Artikel, in der Form, dass man diese Frage darin ruhig hätte mitbearbeiten können, wenn es denn um linkes Selbstverständnis gehen soll, statt die Spaltung unausgesprochen noch tiefer zu treiben. Dass o.g. nicht auf Knopfdruck sondern nur durch hartes Dickbrettbohren zu leisten ist, ist mir leider klar.

  • Reinigungskräfte in Privathaushalten werden meist gut bezahlt., in der Regel weit über dem Mindestlohn. Als Linker sollte man sich lieber um die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen von den Putzkräften machen, die in Büros, Zeitungsredaktionen oder Hotels den Dreck weg machen. Oft nur bei Subunternehmen oder Subunternhemen von Subunternehmen angestellt, kommen viele nicht einmal auf den Mindestlohn. Wer putzt eigentlich in der Taz-Redaktion?

  • Wenn das Putzen so erniedrigend ist, dann hoffe ich doch, dass der Autor auch in der Redaktion der Taz die Toiletten, die er benutzt selber sauber macht..

    Und was machen wir dann erst mit Altenpflegern, die ihren Kunden die Kacke vom Hintern wischen müssen?

    Ist das nicht auch eine erniedrigende Tätigkeit ? Ich hoffe dann doch, dass der Autor, wenn seine Eltern zum Pflegefall werden sollten, ihnen selbst die Kacke vom Hintern wegwischt.

    Darf ein Linker noch sein Kleinkind in die Kita geben, wo dann die Erzieher, die dreckigen Windeln wechseln müssen?

    Desweiteren wäre noch zu fragen , ob man als Linker die ehrenwerte Tätigkeit einer Reinigungsfachkraft wirklich abwertend als "Putzfrau" bezeichnen darf.

  • Interessanter Artikel. Jedoch ist zumindest bezueglich Hochschild's Kapitel nicht gut recherchiert. In der Tat, das besagte Buch wurde nicht von ihr geschrieben, sie hat ein Kapitel zu dem Reader geschrieben. Editiert wurde das Buch von Grusky and Szelényi.

    MfG

  • Wer putzt eigentlich Büros und Toiletten der TAZ?

  • Das ist jetzt der karnevalistische Beitrag der TAZ , oder? ;-)

     

    Btw: Wer putzt eigentlich in den Radaktonsräumen? Und vor allem die Klos?

  • Schon zehn Kommetare seit gestern Abend - der "Scheiß" scheint ziemlich "heiß" zu sein, den Daniel Schulz da aufs Tablett geschmiert hat. Womit wir auch schon mitten drin wärem im Thema. Wer macht den Dreck nun wieder weg?

     

    Was mir besonders auffällt ist, wie viele Leute es nötig zu haben scheinen, uns mitzuteilen, dass putzen überhaupt kein Thema ist. Wie das? Warum wenden sich diese Leute nicht einfach einem anderen, einem "echten" Thema zu, wenn sie so denken? Ganz einfach: Sie fühlen sich ertappt, wollen das aber nicht wahr haben bzw. zugeben. Typisch Dreckspatz!

  • Meiner Meinung nach bleibt in dem Artikel unerwähnt, dass es völlig legitim ist, selbst darüber zu entscheiden, wie man seine Freizeit verbringt. Es gibt genug berufstätige Menschen, die von Montag bis Freitag abends nur erschöpft ins Bett fallen und sich am Wochenende – statt dem wohlverdienten Müßiggang zu frönen – mit alle den liegengebliebenen Hausarbeiten rumplagen müssen. Dass einem die Entscheidung, sich seine Freizeit zu erkaufen, indem man man die Putzarbeit gegen Geld auslagert, hier sofort klischeehaft als Sich-die-Hände-nicht-Schmutzig-machen-Wollen vorgeworfen hat sicherlich in manchen Fällen seine Berechtigung, in anderen aber auch nicht.

  • Was für ein beknacktes Thema.

     

    Ich hatte noch nie eine Putzfrau, aber wer eine Putzhilfe meint zu brauchen und sie ordentlich und offiziell bezahlt soll so einen Teilzeitarbeitsplatz schaffen. Es gibt wahrscheinlich viele Menschen die sich freuen so eine Arbeit zu haben.

     

    Keine Arbeit ist, wie hier schon gesagt wurde, erniedrigend, nur die eventuellen Arbeitsbedingungen.

     

    Ich kannte sogar eine Reinigungskraft an meinem Arbeitsplatz, die hatte zu Hause eine Putzfrau, weil sie nach Feierabend nicht auch noch das selbe tun wollte wie schon 8 - 10 Stunden vorher. Auch verständlich.

  • hmmm eine seltsame Frage!

     

    Ein vollkommen anderer Denkansatz -

    Fest steht, dass das Bildungsniveau in Deutschland sinkt, es also Menschen gibt, die schon beim sauber formulieren / zusammenhängenden Sätzen bilden manchmal Probleme haben. Folgt man nun dem ursächlichen Gedankengang, müssen solche Menschen die (aus welchen Gründen auch immer) für manche Tätigkeiten einfach ungeeignet sind, entweder bei Nazis, der AfD usw. putzen oder vom Staat versorgt werden.

     

    Gehört es nicht zum Selbstverständnis eines „Linken“, dass jeder Mensch Anspruch auf ein selbstbestimmtes / im Rahmen seiner Möglichkeiten erfolgreiches Leben hat?

  • "Dürfen Linke putzen lassen?"

    Diese Frage ist nicht mal als rhetorische zu gebrauchen. Und daraus wird sogar noch ein Diskussionsforum kreiert?

    Köstlich und gleichzeitig ein Kopfschütteln erzeugend.

  • Meiner Meinung nach bleibt in dem Artikel unerwähnt, dass es völlig legitim ist, selbst darüber zu entscheiden, wie man seine Freizeit verbringt. Es gibt genug berufstätige Menschen, die von Montag bis Freitag abends nur erschöpft ins Bett fallen und sich am Wochenende – statt dem wohlverdienten Müßiggang zu frönen – mit alle den liegengebliebenen Hausarbeiten rumplagen müssen. Dass einem die Entscheidung, sich seine Freizeit zu erkaufen, indem man man die Putzarbeit gegen Geld auslagert, hier sofort klischeehaft als Sich-die-Hände-nicht-Schmutzig-machen-Wollen vorgworfen hat sicherlich in manchen Fällen seine Berechtigung, in anderen aber auch nicht.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Die Welt ist so wie sie ist. Das muss nicht immer so bleiben, doch wem oder was nutzt es, alles gleich ad absurdum zu führen? Fragt doch mal ALLE Beteiligten...

  • Wir sind weder Sozial noch Christlich. 62 Suprerreiche besitzen mehr als die Hälfte der armen Weltbevölkerung? Das hat seine schlechten Gründe!

    Diese Leute kaufen sich Alles, ganze Ländschaften, Infrastruktur (Wasser, Nahrung, Medizinische Versorgung) etc alles woraus sich ein Monopol machen lässt. Sogar ganze Regierungen. s. TTIP, TPP …

    Am günstigsten sind Menschen in Not. Die "schaffen das!" unseren Dreck wegzuräumen. Damit wird hier sogar Pro-Asyl argumentiert, denn es gibt dabei intelligente Jugendliche, die wir den armen Ländern auch noch abwerben s. Griechenland!

    Europas Schande - hat Günter Grass gedichtet. Ich schäme mich.

    • @Peter Meisel:

      Damit haben Sie !00% Recht, aber lassen sie uns nicht so sehr (Global) in die Ferne schweifen, sondern mal im eigenen (???) Land bleiben. Dazu ein guter Beitrag von Monitor vom 4.2., in dem mal explizit auf die Vermögesverteilung in Dschland Bezug genommen wird. Daraus geht hervor, das allein in den letzten 20 Jahren die Politik maßgeblich verantwortlich ist für die Vermehrung von, nicht nur großen, Vermögen. Analog dazu sanken die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung beträchtlich. Hatten die "unteren" 50% der Bevölkerung noch einen Anteil am "allgemeinen Reichtum" von 3%, so ist dieser im genannten Zeitraum auf 1% geschrumpft, also ca. um 2/3!!! In der gleichen Zeit ist das Vermögen der oberen 10% von 45% auf 52% angestiegen! Allerdings sind die reichsten Haushalte, mit mehr als 18000€, erst gar nicht mit in die Berechnung eingeflossen. Also ein Bericht über Reichtum, ohne dieses Klientel mit ein zu beziehen! Tut man dies aber, landet man nicht bei 52%, sondern bei fast 2/3. Hier der Link zur sendung, ist der letzte Beitrag... http://www.ardmediathek.de/tv/Monitor/Monitor-vom-04-02-2016-mit-Geb%C3%A4rdenspra/Das-Erste/Video?documentId=33205086&bcastId=438224

      Immer und immer wieder frage ich mich, WARUM stehen die Menschen nicht dagegen auf, demonstrieren? Oder besser noch wäre ein GENERALSTREIK, denn auf die Politik zu warten...da treten dann die "Sachverständigen" der Lobbyisten auf den Plan, und erlassen andere Gesetze, welche am Besitzstand der "Oberschicht"absolut nichts ändern!

      Genau da ist für mich als Linker die "Lügenpresse" schuld, oder wird dies , weil wirklich nötig, ausreichend in den Medien behandelt? Eher wohl nicht, stattdessen täglich, auf fast allen Kanälen, inkl. TS und HEUTE die Börsennachrichten mit dem Geschwurbel über Märkte, Stimmungen, Kapitalflüsse, Notenbankentscheidungen, oder die Milliarden, womit die EZB, bzw. die Goldman-Sachs Clique die Märkte flutet!!!

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    War dass jetzt ein Dada-Artikel?

  • Meine Mutter hatte auch eine Putzhilfe, allerdings nicht aus fernen Ländern, sondern von einem Sozialdienst. Denn leider war sie mit ihren 78 Jahren nicht mehr in der Lage, Treppenhaus und Keller selbst zu putzen.

    Deswegen kann sie ja nur reich und rechts gewesen sein, gell?

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    "(...) um zu arbeiten, während sie (SIE !?!?!?!?!?!?!?, eigene Anmerkung) in ihrem eigenen Haushalt eine Lücke hinterlässt (...)"

    Das soll doch hoffentlich nicht heißen, dass Frauen zu Hause nur für den Haushalt zuständig sein müssen, oder?

    Und: Hier sehe ich eine Diskriminierung der Männer: Die Arbeiter (meistens sind es Herren) der Müllabfuhr müssen auch meinen Müll entfernen - bei jedem Wetter.

    • @73176 (Profil gelöscht):

      Was? Ein Linker der seinen Dreck von anderen wegfahren lässt? Womöglich lassen sie sich auch noch von einem Busfahrer kutschieren, statt sich selbst hinter das Steuerrad zu klemmen. Und den Gehweg vor ihrer Haustür muss auch noch ein anderer fegen. Pfui! ;)

      • @Karlheinz:

        Schlimmer noch. Der zu pflegende Gehweg wurde auch noch von jemand anders gebaut, und das gewiss nicht zum Spitzenlohn. Dürfen Linke Gehwege benutzen?

  • Allein schon um einen (1) philosophischen Selbstbeschiß in meinem Leben zu vermeiden, putze ich selber.

    Wer andererseits der im Artikel aufgeführten Putzfrau soviel zahlt, dass sie davon die geschmäcklerische Lückenbüßerin in der zurückgelassenen Heimat bezahlen kann und sie selbst auch dann noch, ordentlich über die Runden kommen kann, der dürfte doch wohl kein ein nur so links-tuerisches A...loch sein?

  • Im Regelfall lassen diejenigen putzen, die es entweder aus körperlichen Gründen nicht mehr selbst können (was akzeptabel ist), oder solche, die anderenfalls zu wenig übrige Zeit und Energie hätten, um noch jede Menge Geld zu verdienen. Doch gerade letztere zeichnen sich dadurch aus, daß sie dem Putzpersonal nur einen geringen Bruchteil von dem Stundenlohn zahlen, den sie für ihre eigenen Arbeit kassieren.

     

    Wer diesbezüglich genauer hinschaut, erkennt bereits daran, was er vom Charakter seiner Mitmenschen zu halten hat.