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Verdeckte Ermittlerin „Maria Block“Undercover-Einsatz bricht mit Tabus

Die Polizistin Maria B. ermittelte zwischen 2008 und 2012 nicht nur in der linken Szene Hamburgs. Auch Linke im EU-Parlament soll sie ausspioniert haben.

Die Europa-Abgeordnete der Linkspartei, Sabine Lösing, hatte die NoBorder-Camp-Gruppe ins EU-Parlament eingeladen. Foto: dpa

Hamburg taz | Die als verdeckte Ermittlerin in der linken Szene Hamburgs eingesetzte Polizistin Maria B. mit der Tarnidentität „Maria Block“ hat im Rahmen ihres Undercover-Einsatzes 2008 bis 2012 offenbar auch versucht, die Fraktion der Linken im Europaparlament auszuspionieren. Das geht aus einem Brief des Sicherheitsdienstes des Europaparlaments in Brüssel vom 13. Januar 2016 hervor, der der taz vorliegt.

Maria Block war Ende September 2010 als verdeckte Ermittlerin zur Gefahrenabwehr mit Hamburgern zu einem NoBorder-Camp nach Brüssel gereist. Die linke Europa-Abgeordnete Sabine Lösing hatte die Hamburger Gruppe damals ins Parlament zu einem Gespräch mit der Fraktion eingeladen. An diesem Gespräch wollte auch Maria B. teilnehmen und nicht im Camp zurückbleiben, obwohl das Betreten des EU-Parlaments oder eine Datenerhebung über EU-Abgeordnete von ihrem Auftrag als Undercover-Agentin laut Hamburger Innenbehörde nicht gedeckt war.

„Eine Person, die nach eigener Aussage der deutschen Polizei angehört, und Teil einer Besuchergruppe war, wünschte das Parlament zu betreten“, schreibt Francesca Ratti vom „Deputy Secretary General“ im Auftrag von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) an die heutigen Linkspartei-Europa-Abgeordneten Sabine Lösing und Fabio de Masi über den damaligen Vorgang. „Bei der Sicherheitskontrolle wurde diese Person vom Sicherheitsdienst darüber informiert, dass, im Sinne der Unverletzlichkeit der Gebäude Europäische Union, der Polizei kein Zutritt gewährt wird“.

Ende 2015 hatte der vorige Woche zurückgetretene Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) in einem Brief gegenüber Lösing und de Masi behauptet, Maria B. habe zur Aufrechterhaltung ihrer Legende bei dem Besuch dabei sein müssen. Um nicht gegen bilaterale Grundsätze zu verstoßen, habe sie sich aber bei der Einlasskontrolle gegenüber einem Sicherheitsbeamten als verdeckte Polizeibeamtin geoutet. Um ein klärendes Gespräch ohne Beobachtung durch weitere Gruppenmitglieder führen zu können, habe sie mit dem Security-Mann die nahe gelegene Herrentoilette aufgesucht.

Das Betreten des EU-Parlaments war vom Auftrag nicht gedeckt

Lösing und de Masi halten diesen Sachverhalt für nicht glaubhaft. „Eine mit viel Aufwand in die linke Szene eingeschleuste Spionin will sich einem x-beliebigen Sicherheitsmann als Spionin zu erkennen gegeben haben? Warum?“, fragen sie.

Maria B. hatte das Gebäude nach 40 Minuten wieder verlassen und gegenüber der Gruppe damals angegeben, man habe bei ihrer Rucksack-Durchsuchung Gegenstände beschlagnahmt und ihr schließlich den Zugang zum Parlament verweigert.

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5 Kommentare

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  • Was hätte denn Frau „B.“ bei ihrem Einsatz im EU-Parlament schlimmstenfalls herausbekommen können? Bei dem Gespräch der „Links“-Fraktion mit der NoBorder-Camp-Gruppe wurde doch hoffentlich nichts erörtert, was gegen Recht und Gesetz verstößt?

    • @Pfanni:

      Könnte ja sein, dass man bei der Hamburger Polizei denk, alles was Politiker der Linkspartei sagen, verstößt irgendwie gegen Recht und Gesetz. Schließlich sind Linke grundsätzlich verdächtig. Das wusste schon Bismarck.

  • Die Polizistin hätte sich vollkommen korrekt verhalten. Fragwürdiger ist doch eher, dass die Linkspartei politische Extremisten überhaupt ins Europaparlament holt. Man kann nur den Kopf schütteln über diese Selbstgerechtigkeit. Ich vermute eher eine innerlinke Zersetzungsthese für die Annahme, dass es sich um eine "Ordnungskraft" handle. Es ist im übrigen nicht so, dass Polizisten keinen Zugang zum Europaparlament haben.

    • @Ansgar Reb:

      Was verstehen Sie denn unter politischen Extremisten?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Tja, offenbar betrachtet ANSGAR REB (mindestens) jeden als "politische[n] Extremisten", der von der Hamburger Polizei verdeckt überwacht wird. Man nennt diese spezielle Art der Selbst-Gerechtigkeit eine Vor-Verurteilung, glaube ich. Allerdings könnte sich die Polizei ihre verdeckten Ermittlungen glatt sparen, wenn sie genau so dächte wie ANSGAR REB (und es keine mehr oder weniger unabhängige Justiz gäbe, die auf Beweisen besteht). Es würde dann genügen, wenn sie die Verdächtigen (die dann ja Täter wären) gleich einsperrt oder erschießt, zum Beispiel auf der Flucht. Soll es alles schon gegeben haben, hört man. Gerade auch in Deutschland.