Verdeckte Ermittler in Hamburg: Die Polizei außer Rand und Band

In Hamburgs linker Szene ist die dritte Polizeispitzelin in eineinhalb Jahren aufgeflogen. Was rechtfertigt eigentlich diesen Aufwand?

Verkleidete „Criminalpolizei-Offizianten“, die im 1890 als verdeckte Ermittler „gemeingefährliche Bestrebungen der Sozialdemokratie“ aufdecken sollten. Foto: dpa

HAMBURG taz | Schon wieder hat Hamburgs linke Szene eine verdeckte Ermittlerin enttarnt, die dritte in eineinhalb Jahren. Die Polizei hatte seit 2006 ständig eine Beamtin in der Roten Flora, zeitweise flankiert durch eine weitere Ermittlerin – mindestens. Denn vermutlich tummeln sich in der Szene bis heute weitere Polizisten, zur „Gefahrenabwehr“. Muss ja mächtig gefährlich sein, diese linke Szene.

Durch was eigentlich? Der letzte große Prozess gegen Autonome war vor 25 Jahren der „Plattenleger-Prozess“ gegen zwei Flora-Aktivisten. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten einen Vorortzug entgleisen lassen wollen. Urteil: Freispruch

Farbe, schlimmstenfalls Steine

Die häufigste schwere Straftat, zu der sich linke Gruppen in Hamburg bekennen, ist das Anzünden der Autos von politischen Gegnern, von Firmen oder der Bundeswehr. Auch auf Häuser von Politikern hat es immer wieder Angriffe gegeben – meist mit Farbe, schlimmstenfalls flogen Steine. Kein Fall kam zur Anklage, auch durch die Erkenntnisse der verdeckten Ermittlerinnen nicht.

Und die Angriffe auf Polizeiwachen? Als 2009 Vermummte die Lerchenwache im Schanzenviertel angriffen, die Tür verriegelten und zwei Streifenwagen in Brand setzten, taten zwei Polizistinnen Dienst in der linken Szene. Geahnt hatten sie offenbar nichts.

Sonst hätten sie ihre Kollegen warnen müssen, denn die Bundesanwaltschaft ermittelte hinterher wegen versuchten Mordes. Für den Angriff auf die Davidwache, der drei Jahre später den Anlass für das Gefahrengebiet St. Pauli lieferte, gibt es bis heute keine Beweise. Belegt ist nur, dass in der Nähe ein Polizist schwer verletzt wurde. Nichts weist auf linke Täter hin.

„Keine Zwischenauskünfte“

Darüber hinaus ist seit Jahren niemand ernstlich zu Schaden gekommen – außer bei Demonstrationen. Ein Fall ist verbürgt, in dem zwei verdeckte Ermittlerinnen in der Demoleitung die Antifa in den offenen Kampf mit der Polizei geschickt hatten.

Welche Gefahren will die Polizei also abwehren? „Zum jetzigen Zeitpunkt“ erteile man „keine Zwischenauskünfte“, heißt es. Schon klar, laufendes Verfahren und so. Nur wird sich daran nie etwas ändern. Weil ein verdeckter Einsatz den nächsten ablöst.

Die radikale Linke muss sich daran gewöhnen, faule Eier in den eigenen Reihen zu haben, und hat das nach eigenem Bekunden auch längst getan. Die Folgen: Einerseits geht viel Energie von Aktivisten in das Schaffen klandestiner Strukturen statt in inhaltliche Arbeit. Und manche Interessierte werden sich durch diese Strukturen davon abschrecken lassen, mitzumachen.

Die Szene wird also doppelt geschwächt. Andererseits stärkt die Bespitzelung das Selbstbild der Autonomen, „wild und gefährlich“ zu leben, und macht sie so für manche zusätzlich attraktiv.

Teure Einsätze

Die Grenzen dieser Gefährlichkeit macht die Äußerung einer Polizeiführerin deutlich, in der rechten Szene seien verdeckte Ermittlungen „ohne Saufen und Straftaten“ gar nicht möglich. Da lasse man lieber die Finger von. Die Rechten zünden eben gleich Flüchtlingsheime an, sind wirklich gefährlich.

Was kostet es eigentlich, drei Polizistinnen mit Legenden zu versehen, über Jahre zu bezahlen und auch den Ausstieg abzufedern? Das kann leicht in die Millionen gehen. Da kann sich jeder Steuerzahler fragen, was das rechtfertigt.

Den gesamten Schwerpunkt zu den verdeckten Ermittlerinnnen in Hamburg finden Sie in der gedruckten Wochenendausgabe der taz.nord oder hier.

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