Morddrohungen gegen Hamburger Politikerin: „In die Fresse schießen“
Die grüne Abgeordnete Stefanie von Berg sprach über das Verschwinden „ethnischer Mehrheiten“ – und wird seitdem massiv bedroht. Nun will sie sich wehren.
Anlass für die Drohungen ist eine Rede vor der Bürgerschaft, die von Berg am 11. November hielt. In Hamburg werde es „in 20, 30 Jahren gar keine ethnischen Mehrheiten mehr geben“, sagte sie, sondern „eine superkulturelle Gesellschaft. Die Prognose würzte sie mit dem Zusatz: „Das ist gut so.“
Die Hamburger AfD und viele nationale aber auch internationale fremdenfeindliche Organisationen veröffentlichten die Rede – versehen mit entsprechenden Kommentaren – auf ihren Seiten. Der Blog Einwanderungspolitik etwa fälschte von Bergs Aussage um in: „Es ist gut, dass wir Deutsche bald in der Minderheit sind.“ Ein Mitschnitt dieser Passage landete im Netz, bei Youtube. Als die Wochenzeitung Die Zeit Ende Dezember nachzählte, hatten sich das Video auf den verschiedenen Seiten insgesamt mehr als 200.000 Menschen angeschaut, und über 5.000 User die Rede kommentiert.
In den an sie gerichteten Nachrichten wird von Berg wahlweise als „Schlampe“, „Mistsau“ oder „ausgetrocknete Emanze“ bezeichnet. Man wolle ihr „mit ’ner Schrotflinte in die Fresse schießen“, sie „beim Tierarzt einschläfern lassen“ oder sie „mit Knüppeln aus Deutschland raustreiben“. Andere wünschen ihr „von ganzem Herzen“ eine Vergewaltigung, einen Verkehrsunfall oder eine tödliche Krankheit an den Hals. Viele drohen nicht einmal anonym. „Drei von vier Personen machen sich nicht einmal die Mühe, ihre Identität zu verschleiern“, schätzt von Berg, die sich „erschrocken darüber“ zeigt, „wie breit und ungeniert diese braune Hetze“ sich Bahn bricht.
Gegen acht Hetzer hat sie jetzt Anzeige wegen Beleidigung gestellt, weitere werden folgen. „Eine befreundete Anwältin flöht jede einzelne Zeile nach strafbaren Inhalten durch“, kündigt die Politikerin eine juristische Gegenoffensive an. Obwohl sie sich „real bedroht fühlt“, will sie sich nicht wegducken, sondern „jetzt erst recht“ den Kampf gegen die fremdenfeindlichen Haßprediger aufnehmen.
Hamburgs AfD-Fraktionschef Jörn Kruse hat sich zwar dafür entschuldigt, was seine Partei mit ausgelöst hat. Da das Video mit ihrer Rede jedoch immer wieder neu auf die AfD-Homepage gestellt wird, die vielen Schmähkommentare hingegen nur zögerlich gelöscht werden, ist für von Berg „dieses halbherzige Lippenbekenntnis nichts wert“.
Nun „erwartet“ sie, dass sich die Hamburger Bürgerschaft auf ihrer nächsten Sitzung mit den Morddrohungen gegen sie beschäftigt, und ein klares Signal setzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Ringen um Termin für Neuwahl
Wann ist denn endlich wieder Wahltag?
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten