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Architekturdebatte Berliner StadtschlossAuf zum Schloss!

Für die einen ist es schlimmster Hohenzollernkitsch und reaktionär retro. Für die anderen ist es ein Ort, den man gerne mag. Wer hat recht?

Die Planer haben die Rechnung ohne die deutsche Empörungskompetenz gemacht: Stadtschloss in Berlin Foto: Jörg Carstensen/dpa

Ein Schloss hat uns grade noch gefehlt. Die ganze Welt reißt Denkmäler ein, aber die Deutschen bauen einen Herrscherpalast ins Herz ihrer Hauptstadt. Über dessen Geschmacklosigkeit scheint kein Zweifel möglich. Kein Feuilleton des Landes bleibt ohne scharfsinnige Phi­lip­pika, keine Intellektuelle und kein Mann von Geschmack vermag den Sinn des Bauwerkes zu begreifen. Selten herrschte so viel Einigkeit.

Das ist verständlich. Man weiß ja gar nicht, wo man anfangen soll. Das ganze Ding ist unauthentisch, gibt sich als altes Schloss und ist doch nur Fake. Kaum lagen die ersten Baupläne vor, erklang der Hilferuf der Gebildeten: Kein Disneyland! Dabei ist es ja nicht so, dass das Original des Schlosses satisfaktionsfähig gewesen wäre. Ein Machwerk, zusammengeschustert, von ­Andreas Schlüter notdürftig harmonisiert.

Irgendwie übler Barock, den man ja ohnehin nicht so mag. Es ist, da sind sich die Kritiker einig, steingewordene Rückwärtsgewandtheit. Hässlich, sinnlos, peinlich. Preußisch gar. Ein Königsschloss wird hier gebaut, also ein Bau, in dem ein Monarch residierte. Dabei haben es die Deutschen doch endlich geschafft, eine Demokratie zu sein.

Doch kaum war das Land wiedervereinigt, kam mit Wilhelm von Boddien einer dieser mecklenburgischen Adligen aus dem Westen zurück, der feudale Morgenluft witterte und 1992 den Förderverein für das Schloss gründete.

Hedwig Richter

Hedwig Richter, Jahrgang 1973, ist Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr. Am 28. August 2020 erscheint bei Beck ihr neues Buch „Demokratie. Eine deutsche Affäre“.

Aber es kommt noch schlimmer, weil die Deutschen es mal wieder besonders gut machen wollten. Gewiss, das ist ein Schloss, aber es sollte nicht mehr für Großmannssucht und Weltzerstörung stehen, sondern für Diversität und Offenheit. Der riesige Palast in der Mitte soll zum Forum des Fremden werden.

Er wird Sammlungen außereuropäischer Kunst präsentieren, die bisher zum großen Teil in einem Museum fernab des Zentrums vor sich hin geschlummert haben – das filigran geschmückte Boot von der Insel Luf im Pazifischen Ozean etwa oder die drei Skulpturen aus dem Kongo, jene Respekt einflößenden Kraftfiguren.

Eine Agora soll im Schloss entstehen, in dem sich die Menschen aus aller Welt begegnen. Namensgeber ist selbstverständlich kein König. Vielmehr wird das Gebäude nach den Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt benannt: Alexander, der die Welt erforscht hat, und Wilhelm, der Universalgelehrte. Als reformerische Persönlichkeiten stehen beide für die aufklärerische Idee: die Zukunft mit Wissen und in Offenheit und Humanität zu gestalten.

Deutsche Empörungskompetenz

Auch hier, so wurde schnell klar, haben die Planer die Rechnung ohne die deutsche Empörungskompetenz gemacht. Just in diese Zeit fiel der weltweite Aufbruch der westlichen Länder, sich endlich mit ihrer imperialen Vergangenheit zu beschäftigen. Die Forschung hat sich zwar längst intensiv mit dem Kolonialismus auseinandergesetzt, und schon lange gibt es die Forderung nach einer Aufarbeitung der europäischen Verbrechen.

Aber die Diskussionen darüber gewannen erst jetzt in einer breiteren Öffentlichkeit an Fahrt. Das erwies sich für die geplante Ausstellung der außereuropäischen Kulturen als Problem. Denn angesichts der asymmetrischen Beziehungen zwischen Kolonialherren und Kolonisierten muss wohl jedes fremde Artefakt aus der Zeit erst mal als schwierig gelten.

Spätestens jetzt, so hätte man denken können, war der Gipfel des Widersinns erreicht. Doch die Misere wurde gekrönt durch ein goldenes Kreuz auf der Schlosskuppel. Gespendet von der Otto-Versand­haus-Millionärs-Witwe Inga ­Maren. Unter dem Kreuz brachten die Bauleute gleich noch ein Spruchband in Preußischblau an: „Es ist in keinem andern Heil … denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ Die Empörung kennt nun keine Grenzen.

Der Spruch – mit seinen für das 21. Jahrhundert unhaltbaren Metaphern – triggert. Kreuz und Band waren erst 1854 von Friedrich Wilhelm IV. angebracht worden – also nach der vom König unterdrückten Revolution von 1848/49. Daher halten Kritiker das Kuppel­ensemble für den Ausdruck der offenbar absolutistischen Ansprüche, manche sogar für ein Zeichen kolonialer Vorherrschaft. Denn wurde das Christentum nicht den Kolonisierten aufgezwungen? Friedrich Wilhelm IV. schließlich ist jener Monarch, der 1849 die Kaiserkrone der Paulskirche abgelehnt und damit dem Traum von einem modernen Deutschland beträchtlichen Schaden zugefügt hat.

Kurz: Der ganze Grimm gegen das Schloss ist mehr als verständlich. Wir leben im 21. Jahrhundert. Warum neu errichten, was so offensichtlich der Vergangenheit angehört? In künftigen historischen Überblickswerken wird sich der Prunkbau als Metapher für den neuen Geist der Bundesrepublik anführen lassen: Was der Bonner Republik der sachliche Kanzlerbungalow, ist der Berliner Republik das abgeschmackte Schloss.

Und doch: Ist – bei Lichte betrachtet – dieses Stadtschloss nicht der Volksbau schlechthin? Denn sosehr ein Großteil der Denkerinnen und Dichter dieses Landes die Re­kon­struk­tion verabscheut, so beliebt ist sie bei vielen Menschen. Die Frauen, Männer und Kinder strömen zum Neubau, und es sind nicht nur die Touristen, die sich um Schloss-Selfies und Sonnenuntergang-Fotos mit Hohenzollernfassade bemühen.

Dem Schloss scheint das gleiche Schicksal bevorzustehen wie dem Potsdamer Platz. Vor der Errichtung der Gebäude, die entsprechend dem historischen Straßenverlauf mit engen Gassen geplant sind, wogten die Bedenken hoch, zu kitschig, zu künstlich, zu windig, zu wenig authentisch. Doch kaum stand das Ensemble, strömten die Menschen. Berlinerinnen und Berliner gingen Eis essen, Untersuchungen zeigten, dass kein Platz in Berlin so wiedervereinigt und paritätisch besucht war von Menschen aus Ost und West.

Touristen aus der Provinz bewundern die neue Welt, und viele gehen shoppen. Die gesichtslose Mall wurde mit ihren Springbrunnen im Untergeschoss zum Treffpunkt migrantischer Familien, deren Kinder neben Pizza Hut im Wasser plantschen. Den vielen gefällt, was dem erlesenen Geschmack nicht angemessen scheint. Es ist ein altes Gesetz: „Die Masse vernichtet alles, was anders, was ausgezeichnet, persönlich, eigenbegabt und erlesen ist“, klagte 1929 der spanische Kulturphilosoph José Ortega y Gasset.

Keine Frage, Demokratie bedeutet nicht einfach Mehrheitsrecht. Demokratie muss, wenn sie funktionieren und die Menschenwürde schützen will, immer eingeschränkt sein. Kein Mehrheitsbeschluss kann Menschenrechte außer Kraft setzen. Und die pauschale Kritik an Intellektuellen und Eliten, die Populisten gerne vor sich her tragen, offenbart den zerstörerischen Charakter dieser Radikalen. Denn jede Demokratie ist auf die Unterstützung der Intellektuellen und der bürgerlichen Schichten angewiesen. Für eine Demokratie, deren Eliten sich gegen sie wenden, sieht es schlecht aus.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Doch ist Geschmack kein Menschenrecht. Sosehr das Schloss das ästhetische Bewusstsein kränkt, sein Aufbau wurde vom Parlament besiegelt, und alles spricht dafür, dass es vom Publikum gemocht, besucht und gepostet werden wird. Vermutlich steht auch dem Wiedervereinigungsdenkmal vor dem Schloss, der von Intellektuellen bespotteten „Wippe“, eine glänzende Zukunft als Heidenspaß für Kleingeister bevor.

Ist das traurig? Oder hat hier nicht der Volkstrotz etwas ganz Wunderbares hervorgebracht? Zeigt nicht diese Schlossrekonstruktion einen unglaublichen Witz, der weit über jede „Ironie der Geschichte“ hinausgeht?

Das beginnt mit der Authentizität, um die sich die Massen offenbar wenig scheren. Während jede Altstadtrekonstruktion den Abscheu geistiger Eliten weckt, tummelt sich das Volk unbeschwert auf frisch gepflasterten Gässlein, fröhlich Cappuccino trinkend unterm Tchibo-Sonnenschirm. Sind die Massen damit nicht Avantgarde? Denn was soll das sein: Authentizität?

Sie ist eine bürgerliche Vision des späten 19. Jahrhunderts, als die Menschen sich ihre nationalen Geschichten konstruierten und damit begannen, einen Denkmalschutz zu initiieren. Bis dahin wurden ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht, um Neues, Höheres, Schöneres zu errichten.

In vielen Epochen sahen die Menschen keinerlei Sinn darin, Statuen vergangener Gewalten stehen zu lassen. Als 2019 Notre-Dame abbrannte, stand kein gotisches Original in Flammen, sondern der bürgerliche Traum vom Mittelalter, den sich die Menschen im 19. Jahrhundert – inspiriert von Victor Hugos Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ – in den Mauern und Trümmern der von den Revolutionen zerstörten Kirche errichtet hatten.

Weltweit gilt die Bewunderung für das Schöne längst dem Wiederhergestellten. Zu den zahlreichen Rekonstruktionen in Europa gehören nicht nur die wunderbare Alte Brücke in Mostar und der Westminster-Palace, den deutsche Bomben 1941 zu großen Teilen zerstört hatten, sondern auch der Dogenpalast in Venedig und die von Stalin verwüstete Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Die Verächter des Schlosses sind womöglich die Letzten, die an authentische Architektur glauben.

Säkularisierung in Ehren

Und das Kreuz? Gerade hier, wo die Empörung besonders hohe Wellen schlug, wäre mehr Gelassenheit angesagt. Säkularisierung in Ehren, aber wenn sich „aller Knie beugen“ sollen, so ist natürlich der fromme König der Erste, der sich unterwirft. Der preußische Monarch hielt – wie aus der Zeit gefallen – seine verfassungsfreie Königsherrschaft hoch, aber noch viel höher war ihm die Herrschaft Gottes.

Friedrich Wilhelm IV., der Romantiker auf dem Thron, hat politisch verheerenden Schaden angerichtet, aber seine fromme Architektur ist zu komplex und zu wunderlich, um sie auf eine forsche Aburteilung zu reduzieren. In traumhaft schönen Gotteshäusern hat er seine sehnsüchtige Italienliebe und sein tiefreligiöses Programm in Architektur gegossen. Ihm hat Köln auch die Fertigstellung des Doms zu verdanken.

Wer im Kreuz nichts als ein Symbol der Unterdrückung sieht, sollte zumindest seine theologische Unbildung eingestehen. Das Kreuz ist nie zu trennen von dem gemarterten, bespuckten Gott, dem Allerverachtetsten. Wenn von seinem Ruhm und seiner Herrschaft die Rede ist, geht es immer auch um das Paradox, dass die Mächtigen vom Thron gestoßen und die Letzten die Ersten sein werden.

Mit Kolonialismus vollends, der erst 30 Jahre später mit seiner ganzen Entsetzlichkeit das Deutsche Reich ergriff, hat diese uns heute so fremd anmutende Gegenwelt wenig zu tun. Ganz abgesehen davon, dass die einstigen Kolonisierten sich heute oft viel stärker dem Christentum verbunden fühlen als viele der entzauberten Europäerinnen und Europäer.

Monarchie war ja grundsätzlich kein dubioses Unrechtsregime, sondern die übliche, von den Menschen weithin akzeptierte Regierungsform. Das ist grade in Deutschland vielen nicht ganz klar. Der republikanische Gegenpart, die amerikanische Demokratie, wirkte im 19. Jahrhundert oft wenig überzeugend – nicht zuletzt aufgrund des mangelhaften Rechtsstaats und der anhaltenden Unterdrückung und Ermordung der People of Color.

Bemerkenswert ist schließlich, dass die nun auf 68 Meter erhöhte Kuppel ein Kunstwerk des großen Baumeisters Friedrich August Stüler ist. Die bedenkenlosen Schaulustigen werden sich an der Engelschar hoch oben freuen, die als Statuen elegant den Gipfel tragen und die mit der Smartphone-Kamera gut einzufangen sind. Vermutlich wird die Mehrheit des sich zuverlässig säkularisierenden Volkes aus Berlin, Hessen und dem Rest der Welt auch das Kreuz nicht stören.

Die feingliedrige Kuppel verweist darüber hinaus auf eine Niederlage der Monarchie gegen die immer herrschaftskritischen Berliner und Berlinerinnen. Denn als die Bürger in den 1860er Jahren nicht weit entfernt das Rote Rathaus errichteten, sorgten sie dafür, dass sein Turm mit 97 Metern das Königsschloss bei Weitem überragte und mit seiner hochmodern mit Gas beleuchteten Uhr der ganzen Stadt von einer neuen Zeit kündete. Zum Verdruss von Kaiser Wilhelm II. übertraf 1894 auch der Reichstag in seiner Höhe die Schlosskuppel.

Das Schloss als Ort des Aufbruchs

Überhaupt, wer sich Preußen und das Kaiserreich als stillgehaltene Untertanengesellschaft vorstellt, wird beim Studium der Schlossgeschichte eines anderen belehrt. Das Schloss diente immer wieder bürgerlichen Aufbrüchen. Die Preußische Generalsynode von 1846 etwa, ein Auftakt zum Parlamentarismus, fand dort statt, aber ebenso die Eröffnung von Landtagen und Parlamentssitzungen. Und immer wieder traf sich das empörte Volk auf dem Schlossplatz und schüchterte die Herrscher ein – beim Protest für Brot, für Respekt oder für ein gerechteres Wahlrecht.

Alles spricht dafür: Die Menschen werden wieder zum Schloss ziehen, und sie werden es lieben. Wahrscheinlich werden die Scharen mit großer Unbefangenheit die außereuropäischen Sammlungen bestaunen. Und wie bisher schon wird die neue Aufmerksamkeit auch die Aufarbeitung befördern. Viele werden die furchtbare Geschichte des Luf-Bootes zum ersten Mal hören, das von einem deutschen Überfall gegen eine Inselbevölkerung erzählt und vom tragischen Widerstand der indigenen Männer und Frauen.

Sollten wir uns nicht frei machen und gestehen: Könnte es ein schöneres Symbol der bundesrepublikanischen Demokratie geben? Hier kulminiert all das rührend Streberhafte der Deutschen. Alles wollen sie richtig machen: die Fremden umarmen, den Kolonialismus verurteilen, die Bildung fördern, die Tradition befragen und bewahren, oben Kreuz und unten Wippe – und alles wird ein bisschen schief.

Am schönsten aber ist vermutlich, dass wir alle oder doch zumindest unsere Mütter die Kuppel und das Kreuz mit Bestellungen bei Otto bezahlt haben, mit halbseidenen Träumen vom Konsum. Der Kapitalismus, das ist eine der vielen nüchternen Lehren der Schlossgeschichten, ist nun mal eine Grundlage moderner Demokratien, weil er nicht nur ausbeutet, sondern eben auch Kultur für alle finanziert, weil er in einem Rechtsstaat die Massen ermächtigt und sie zu zahlungsfähigen Konsumenten und potenten Steuerzahlerinnen macht. Die Logik gilt auch für „Disneyland!“, den Empörungsruf der Gebildeten. Disney ist die Kunst fürs Volk, für jeden in irgendeiner Form erschwinglich. Und, ganz ehrlich, welche Sonnenuntergänge sind schöner als die in Disney-Filmen?

Allenfalls die Abendröte überm Berliner Schloss.

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36 Kommentare

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  • Die Autorin war wohl schon lange nicht mehr am Potsdamer Platz. Es gibt keinen öderen Ort als den. Eine Gastronomie nach der anderen musste schließen, und das lag nicht Corona. Es ist ein Ort, der nur von Touristen besucht wird - und eben so wieder dieser ästhetischen und politischen Katastrophe von einem Schloss ergehen.

  • Da es ein Symbol, kann es nicht schaden, wenn es hohl! (W. Busch

    Wie schrieb ein Leser namens rathauspiefke im Tagesspiegel?

    "Plagiate, Surrogate, Nippes



    Mon Dieu,



    was für eine Apotheose der Einfallslosigkeit!



    Links ein wilhelminisches Renaissance-Plagiat, nach Bombenschäden rekonstruiert. Rechts ein historisierendes "Schlosskubatur"-Surrogat.

    Dazwischen die brutale Schneise für die freie Fahrt der freien Bürger.



    Jetzt fehlt nur noch, dass die Schlossbrücke in Hundebrücke zurückumbenannt wird. Über Hofprediger verfügt der Dom bereits, vielleicht sollte man die Amtsbezeichnung allmählich ändern.



    Dieses "Stadtzentrum" dokumentiert das Berlin-Bild von phantasielosen Piefkes und Muckern.



    Herr, tue die Erde auf und lass diesen ganzen pseudohistorischen Bouletten- und Krämerplunder für alle Zeiten darin verschwinden!"

    Wo Se recht ham, ham Se recht, lieber rathauspiefke.



    Allerdings, Sie sehen das mit der Schlosskulisse einseitig ästhetisch und historisch.

    Hier aber geht es um Geschichtspolitik!

    Welch eine Symbolik! Honeckers Palast der Republik musste weichen, weil er an den sozialistischen deutschen Staat erinnerte.:

    Klar muss werden, nie gab es einen richtigen Staat DDR.



    Über die Ansehnlichkeit von "Erichs Lampenladen" lässt sich ja streiten. Nicht aber über ein Parlament, in der außer der üblichen auch gekonnte, professionelle Volksbelustigung stattgefunden hat, an die sich die ehemaligen Untertanen des Unstaats nicht ungern erinnern. Eines konnte so was nie im Leben sein:



    Eine ordentliche, würdige, einschüchternde Volkszertretung!

    Nicht einmal einen wahrhaftigen "Palazzo Prozzo" hat das Unrechtsregime hingekriegt; die freiheitliche Demokratur wird jetzt zeigen, wie ´s gemacht wird.

    Und - sollten alle finanziellen Stricke reißen – die Disney Corporation steht Gewehr bei Fuß:

    1-Euro-Schauspieler, die als Hofstaat den Diener machen zu haben.



    Besser Verdienende dürfen gegen einen guten Batzen das geliebte kaiserliche Paar spielen.

  • Fehlt noch eine flotte Hohenzollernparade in Berlin mit Glanz und Gloria rund ums Schloss...



    Köln hat ja auch den Karneval.

    • @Hartz:

      Und auf der Karl Marx Allee eine Militärparade! ;-)

      • @Justin Teim:

        Der Hohenzollerndarsteller natürlich!



        ...



        Mit Wilhelm zwo an der Spitze auf einem stolzen Hengst und blankem Säbel in der gepanzerten Faust.

        • @Hartz:

          Ah ne - mehr so mit Brüderkuss und Waffengruß - vorwärts und so...

          • @Justin Teim:

            Man kann ja beides machen.



            So für jeden Geschmack.

            • @Hartz:

              Disneyland für alle ;-)

              • @Justin Teim:

                Karneval der Kulturen...

              • @Justin Teim:

                Is ja jetzt schon.

  • "Vielmehr wird das Gebäude nach den Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt benannt: Alexander, der die Welt erforscht hat, und Wilhelm, der Universalgelehrte. Als reformerische Persönlichkeiten stehen beide für die aufklärerische Idee: die Zukunft mit Wissen und in Offenheit und Humanität zu gestalten."

    Als Geograph und finanziert vom preußischen König steht Humbold vor allem auch für den deutschen Kolonialismus und dessen wissenschaftliche Basis.

    • @Rudolf Fissner:

      Finanziert vom preußischen König? Wo haben Sie denn diese bahnbrechende neue Erkenntnis her, Fissner? Und, by the by: Was verstehen Sie denn unter der wissenschaftlichen Basis für den deutschen Kolonialismus? Und - auch nicht ganz unwichtig ob Ihres Kommentares: In welchem Humboldtschen Werk wird derartiges dargelegt? Wenn es aber nicht nur ein Schreibfehler war und Sie bezögen sich auf einen mir unbekannten Geographen "Humbold" (sic!), der, finanziert vom preußischen König, in aller Welt unterwegs war, um den deutschen Kolonialismus des endenden 18./beginnenden 19.Jh wissenschaftlich zu untermauern, so sei mir mein Minderwissen bitte verziehen und ich behaupte in allem das Gegenteilige!

      • @charis:

        Beschäftigen Sie sich einfach mal mit der Rolle der Geographie als Wissenschaft und für den Kolonialismus Deutschlands.

  • Der Potsdamer Platz verödet. Es ist ja eben genau das eingetreten was viele Kritiker des Bauvorhabens damals befürchtet haben. Der Potsdamer Platz ist in seiner ursprünglichen Konzeption gescheitert. Den Potsdamer Platz nun als positives Beispiel hervorzubringen ist absurd. Zumal er ja architektonisch weit aus harmloser daherkommt.

    www.tagesspiegel.d...mbau/25467710.html

  • "Sosehr das Schloss das ästhetische Bewusstsein kränkt"... Als ob es darum ginge! Die politische Aussage des Schlossneubaus ist verheerend. Schockierend auch, dass der Abriss des des Palastes der Republik mit keinem einzigen Wort erwähnt wird. Der wurde im Übrigen auch gerne fotografiert. Sollte nach der Logik der Autorin doch für die Bewahrung gereicht haben.

    • @My Sharona:

      Wer den Abriss des Palastes schlimm findet, kann dich eigentlich nicht den Abriss des ursprünglichen Schlosses gut finden. Der war aber wieder Voraussetzung für den Palast. Verzwickt, wo einen die Logik so hinführt...

      • @Suryo:

        Der angeblich logische Widerspruch leuchtet mir nicht ein. Es wird ja nicht das abreißen von Häusern an sich kritisiert, sondern die politische Äußerung, die durch Abreisen und Aufbauen versendet wird. Da kann man natürlich anderer Meinung sein, sprich DDR (Abriss Palast der Republik) ganz schlimm und preußische Monarchie (Aufbau Stadtschloss) ganz toll finden.

        • @Colonel Ernesto Bella:

          Mir fällt halt kein Grund ein, warum das Kaiserreich nun so viel schlimmer als die ddr gewesen sein sollte.

  • Danke. Ich hab alles brav zu ende gelesen und wurde mit dem Spruch des Tages belohnt.

    "Am schönsten aber ist vermutlich, dass wir alle oder doch zumindest unsere Mütter die Kuppel und das Kreuz mit Bestellungen bei Otto bezahlt haben" :)

  • Das Thema ist schon interessant: Das "Volk" liebt den Kitsch, das Läppische, worüber die Elite die Nase rümpft. Allerdings hätte man dann statt des Schlosses Disneyland bauen sollen, darüber wäre das Volk noch mehr begeistert.

    Im zweiten Teil driftet der Artikel leider ins Niveaulose ab. Das Schloss war eben noch nie ein schönes Beispiel für Demokratie, schon gar nicht, wenn das Volk dort gegen die Herrschaft demonstrierte (und zusammenkartätscht wurde). Es ist und bleibt ein Symbol für Unterdrückung und Ausbeutung.

    Übrigens: Ein altes Gebäude umzufunktionieren ist etwas grundlegend anderes als ein Symbol der Reaktion schlicht neu zu bauen.

    Man kann es drehen und wenden, wie man will. Auf dem angeblich wichtigsten, politischsten Platz Deutschlands ist im 21. Jahrundert ein Schloss entstanden. Es ist Sinnbild für diese angebliche Demokratie, die sich meist im Formalen erledigt.

    Demokratie ist übrigens ein bisschen mehr als Selfies vorm Schloss mit Sonnenuntergang zu knipsen. Komisch, dass man das einer Historikerin sagen muss.







    (...)







    Beitrag wurde bearbeitet.



    Die Moderation

    • @genova:

      Das haben Sie gut auf den Punkt gebracht.

      Jetzt ist mir mein flapsiger Beitrag etwas peinlich.

      • @Jim Hawkins:

        Grämen Sie sich nicht, lieber Jim Hawkings, die Idee mit dem Centre Pompidou ist gut.

        • @genova:

          Wenn man das Baugerüst am Schloß lassen würde, dann hätte man die Anmutung eines Centre Pompidou.

          • @Rudolf Fissner:

            Gar nicht übel.

            Noch eine Rolltreppe dran und fertig ist die Laube.

            • @Jim Hawkins:

              Stimmt die fehlt noch :-).

  • Welcher Grimm?

    Das Schloss ist - natürlich subjektiv - schön. Jedenfalls schöner als alles was einerseits zwischenzeitlich da war und was man sich andererseits unter zeitgenössischer Architektur vorstellen möchte.

    Und wie jede andere Kunstform auch ist Architektur halt eine Modeerscheinung. Da kommt halt alles Alte irgendwann wiedereinmal in Mode.

    Die Autorin soll uns ein einziges Gebäude der letzten hundert Jahre benennen, welches schöner wäre. Mir fällt keines ein.

    Natürlich ist das Nutzungskonzept blöd. Nur vergehen möglicherweise vier oder fünf Jahre und dann wird das ganze Gebäude möglicherweise an Lego verpachtet. Wäre doch super, wenn man darin die Sets der letzten 50 Jahre vollständig ausstellt und am Ende ein großes Legoland wartet.

  • Warum konnte man dort nicht einfach so etwas wie das Centre Pompidou hinbauen?

    Aber nein, ein Schloss muss es sein. Und obendrauf das Heilige Kreuz.

    Proudly Presented By: Otto Versand - Hamburg.

    Und: Natürlich werden die Leute hingehen. Die gehen überall hin, wo draufsteht:

    Hier ist was los.

  • Sehr schöner und zutreffender Beitrag. Besonders schön, so etwas in der taz zu lesen!

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Kreuz und Band "triggern" - nein, das ganze Gebäude triggert in mir einen antideutschen Widerstand. Es ist eine Schande, dass man den bereits asbestbefreiten, entkernten Palast der Republik nicht als das gesehen hat, was er mitten in Berlin war: ein historisches Gebäude von unschätzbarem Wert, das die Geschichte dieser Stadt in Vollendung verkörperte. Und das man ebenso gut für ein Humboldt-Forum hätte nutzen können. Es war wie gesagt im Rohbauzustand, man hätte es nur wollen müssen!

  • Das Schloss ist eine vertane Chance auf einen gemeinsamen Neuanfang nach der Wende.



    Die historisierende Fassade sagt eben - genau wie die geplante Rekonstruktion der Garnisonskirche, dass man bruchlos zurück in die schöne Kaiserzeit (alles andere als eine freie emanzipierte oder demokratische Zeit) wollte. Das wollte der Adel ja schon zu Zeiten der Weimarer Republik.

    Außerdem ist es schlicht ein klobiges Ding, wo man eine weitere offenere Gestaltung der Stadt hätte wählen können. Aber die Zwischenzeit musste ja getilgt werden.

    Da ist jede Diskussion über die Schwierigkeit fremder Artefakte im Inneren wohlfeil und im Grunde überflüssig, da das Äußere schon diesen rückwärtsgewandten Geist darstellt.

  • Und wieder wird hier die Demokratie als das Gegenteil einer Monarchie bezeichnet:



    Das ist falsch, denn Großbritannien, Belgien, die Niederlande, Spanien und drei skandinavische Staaten sind Demokratien _und_ Monarchien!



    Das Wort welches hier besser gepasst hätte wäre einfach Republik gewesen...denn das Gegenteil einer Demokratie ist nämlich eine Diktatur, da hatten wir die schlimmste übrigens erst anderthalb Jahrzehnte nach Kaisers Zeiten...

    • @Saile:

      Richtig. Und selbst zu Kaisers Zeiten war Deutschland immerhin demokratischer als die DDR.

  • Eine Anmerkung zu der im Bild-Hintergrund sichtbaren Kugel des Berliner Fernsehturms:



    Bedingt durch die Außengestaltung ist bei geeignetem Sonnenstand weithin ein Kreuz auf der Kugel sichtbar. Dem ehemaligen Staats- und Parteichef der DDR, Walter Ulbricht, der seinerzeit den Fernsehturm als Bestandteil der Neugestaltung von Berlin-Mitte in Auftrag gegeben hatte, dürfte das kaum gefallen haben. Im Planungsprozess war dieser „Nebeneffekt“ wohl nicht abzusehen gewesen.



    Der Volksmund hatte sofort einen Spitznamen parat: „Walter-Ulbricht-Gedächtniskirche“!

  • Krieg und Völkermord

    Hohenzollernschloss passt in die reaktionäre Landschaft.



    Hohenzollern sind verbunden mit Krieg und Völkermord (Hereros 1904). Alles schon vergessen?

    • @Hartz:

      Man könnte sie aber zB auch mit weitgehender Religionsfreiheit und der ersten Regierung Europas, die Juden volle Bürgerrechte gab, assoziieren...die Geschichte der Hohenzollern beginnt nämlich nicht erst in den 1890er Jahren, als Deutschland zur Kolonialmacht wurde. Anders als zB die Niederlande, die da schon fast 300 Jahre Kolonien hatten - steht nun das Holländische Viertel in Potsdam für die niederländischen Kriege auf Java?

      • @Suryo:

        Viel Dreck am Stecken!

        Man muss die Hohenzollern nicht reinwachsen. (oder irgendwen sonst)



        Geht sowieso nicht.



        Ich erwähne noch den preussischen Militarismus und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Und die Untaten in "Oberost" 1917 ff. unter führender Beteiligung von Ludendorff und Hindenburg (Völkermord!). Ferner Löwen 1914. Ach ja - und der kaiserliche Generalfeldmarschall von Hindenburg ernannte den Gefreiten A. H. 1933 zum deutschen Reichskanzler.



        Unmd richtigf: Die Geschichte der Hohenzollern beginnt nicht ab 1890 (was ich auch nirgendwo behauptet habe!) - Friedrich II. war ein dreifacher Angreiger und Brecher des damaligen Völkerrechts (Schlesien). Das gab es nämlich schon seit dem Westfäölischen Frieden von 1648 zu Münster und Osnabrück...