Arabischer Gipfel in Kairo: Gegenplan von arabischer Seite abgesegnet
Auf einem Sondergipfel stellt Ägypten seinen Plan zum Wiederaufbau des zerstörten Küstenstreifens vor. Er ist ein Gegenentwurf zu Trumps Vision.

Der grundsätzliche Unterschied zu Trumps Gaza-Vision: Laut dem arabischen Plan werden die Palästinenser nicht aus dem Gazastreifen vertrieben. Die über zwei Millionen Einwohner des Küstenstreifens sollen dort bleiben.
In drei Phasen soll der Wiederaufbau vonstatten gehen. In der ersten sollen nicht explodierte Granaten und Raketen entschärft und die Trümmer geräumt werden. Gleichzeitig sollen 200.000 temporäre Wohncontainer und Zelte zur Verfügung gestellt werden, die in designierten Zonen aufgestellt werden. Dort soll auch die notwendige Infrastruktur aufgebaut werden. 60.000 beschädigte Gebäude sollen repariert werden. In späteren Phasen soll dann die gesamte Infrastruktur erneuert und über 400.000 permanente Wohneinheiten und ein Flughafen und ein Seehafen gebaut werden.
Dafür veranschlagt werden 53 Milliarden Dollar. Den Ägyptern war es nicht gelungen, im Vorfeld dafür finanzielle Versprechen zu erhalten. Dafür soll nun zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine weitere Geberkonferenz in Kairo einberufen werden.
Die große Frage: Wer zahlt?
Der Plan hat auch eine politische Komponente. Die Hamas soll in der Verwaltung des Gazastreifens ausgeschaltet werden. Stattdessen soll ein Komitee aus palästinensischen Technokraten geschaffen werden, das den Gazastreifen verwalten soll, bis die palästinensische Autonomiebehörde diese Aufgabe übernehmen soll. Die Ägypter werden außerdem neue palästinensische Polizeieinheiten ausbilden, die so schnell wie möglich zum Einsatz kommen sollen.
Einer der größten offenen Punkte ist, wer für die 53 Milliarden Dollar aufkommen soll. Die Golfstaaten haben prinzipiell ihre Bereitschaft erklärt, ohne aber konkrete Versprechungen zu machen. Auffällig war die Abwesenheit des saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman und des Emirs der Arabischen Emirate Muhammad Bin Zayed in Kairo. Beide ließen sich überraschend vertreten.
Saudi-Arabien will keine finanziellen Versprechungen machen, solange es keinen internationalen Konsens für diesen Plan gibt. Der saudische Kronprinz will nicht etwas finanzieren, das zu einem späteren Zeitpunkt von der israelischen Armee wieder in Schutt und Asche gelegt werden könnte. Die Emirate stoßen sich daran, dass der Plan nicht die vollkommene Auflösung der Hamas fordert. Andere arabische Länder, etwa Algerien, bestehen hingegen darauf, dass die Zukunft der Hamas allein von den Palästinensern entschieden werden kann.
Im Abschlusstext des Beschlusses der Arabischen Liga ist dann nur die Rede davon, dass militante Organisationen ein „Hindernis“ darstellten, das nur überwunden werden könne, wenn auch die Gründe für den Konflikt mit Israel beseitigt würden.
Israel erteilt dem Plan eine Absage
Die Hamas war beim Arabischen Gipfel nicht präsent. Bereits im Vorfeld erklärte sie sich bereit, administrative Macht im Gazastreifen abzugeben. Die Entwaffnung der Hamas aber bezeichneten Vertreter der Organisation als „rote Linie“. Im Nachgang bezeichnete die Hamas den Gipfel als „einen Schritt nach vorne“ und rief dazu auf, alles zu unternehmen, um sicherzustellen, dass der arabische Plan erfolgreich wird.
Alle arabischen Staatschefs sowie der ebenfalls anwesende UN-Generalsekretär António Guterres betonten, dass der arabische Plan nur im Kontext einer Zweistaatenlösung Sinne ergebe.
Das israelische Außenministerium hingegen erklärte, der ägyptische Plan gehe „nicht auf die Realität der Situation ein“, so werde etwa der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober nicht erwähnt. Das Ministerium bekräftigte Israels Unterstützung für Trumps Plan, die Bevölkerung des Gazastreifens in andere Gebiete umzusiedeln,
Die neue arabische Einheit geht weit über den Gazastreifen hinaus. Viele haben ihr eigenes nationales Problem mit Netanjahu. Der jordanische König prangert die israelische Aggression im Westjordanland an, aus Angst die Palästinenser könnten von dort nach Jordanien vertrieben werden. Die Libanesen fordern, dass sich die israelische Armee endgültig vollständig aus dem Süden ihres Landes zurückzieht. Und Ahmad Scharaa, der erstmals als neuer syrischer Übergangspräsident an einem arabischen Gipfel teilgenommen hat, warf Israel vor, seine Militäroperationen in Syrien zu eskalieren und noch mehr syrisches Territorium zu besetzen.
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