piwik no script img

Vor der kühlen Art der Deutschen fürchtet sich Lidia Mendes nicht: „Ich spreche einfach alle an“ Foto: Christine Wollowski

Anwerbung von Fachkräften in BrasilienGepflegte Aussichten

Deutschland braucht dringend Pflegekräfte – und findet sie in Brasilien. Die Diakonie Sachsen wirbt dort um Azubis wie Lidia Mendes.

Von Christine Wollowski aus Recife

D ie hochgewachsene 20-Jährige mit den wilden Locken scheint über den löchrigen Asphalt von Recife zu tanzen, während sie geschickt Obdachlosen ausweicht, die in Hauseingängen der Millionenstadt im Nordosten Brasiliens schlafen. Ihren Sonnenschirm bugsiert Lidia Mendes zwischen Straßenschildern und Ästen von Bäumen hindurch. Die Luft flimmert vor Hitze, der Asphalt dampft: 38 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Das Ziel der jungen Frau: der flache, rot gestrichene Bau des Deutsch-Brasilianischen Kulturzentrums CCBA in der Rua do Sossego. Dort verbringt die junge Afro-Brasilianerin seit zehn Monaten jeden Tag gut fünf Stunden. Sie will in Deutschland eine Ausbildung zur Pflegefachkraft machen – und dafür muss sie Deutsch lernen.

In Deutschland fehlen allein in der Altenpflege mehr als 160.000 Fachkräfte, ein alarmierender Zustand. Die Initiative „Pflegenot Deutschland“ bezeichnet die Situation als „akut“ und weist auf Personal­engpässe hin. Jede vierte Pflegekraft kommt aus dem Ausland. Die Anwerbung aus Ländern wie Marokko und Vietnam läuft seit mehr als einem Jahrzehnt, allerdings – vor allem wegen bürokratischer Hürden – eher schleppend. Die Zahl der unbesetzten Stellen nimmt weiter zu: Laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit vom Mai stehen 100 gemeldeten Stellen im Pflegebereich 55 Arbeitslose gegenüber. „Im gesamten Pflegebereich ist der Bedarf an examinierten Fachkräften um einiges höher als das Potenzial an Arbeitslosen mit diesem Qualifikationsprofil“, heißt es dort.

Im Juni 2023 reisten der damalige Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Ex-Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien, um dort eine vereinfachte Arbeitsmigration von Pflegefachkräften zu vereinbaren. Doch das hoffnungsvoll verkündete Programm wurde nach einem Jahr wieder eingestellt: Es war nicht mehr klar, ob tatsächlich ein signifikanter Überhang in Brasilien bestand oder ob das Land eher eine Pflegeelite an Deutschland verlieren würde, die fünf Jahre Universitätsstudium und mindestens zwei Jahre Praxiserfahrung hinter sich hatte.

Pflegekräfte aus Brasilien

AbkommenIm Juni 2023 unterzeichneten der damalige Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Ex-Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Hauptstadt Brasília gemeinsam mit der brasilianischen Regierung – vertreten durch Arbeitsminister Luiz Marinho – eine Absichtserklärung zur fairen und unbürokratischen Zuwanderung von Pflegefachkräften. Geplant war eine enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der brasilianischen Pflegekammer COFEN. Das Ziel: Jährlich sollten bis zu 700 Pflege­kräfte nach Deutschland vermittelt und der Fachkräftemangel in der Branche so gemildert werden.

AussetzungEnde 2023 äußerten brasilianische Behörden Zweifel daran, dass tatsächlich ein Überschuss an qualifizierten Pflegekräften im Land bestehe. Kritiker warnten vor einem sogenannten Brain Drain – dem Verlust gut ausgebildeter Fachkräfte, die im Ausland arbeiten, während sie im eigenen Gesundheitssystem dringend gebraucht werden. Im Mai 2024 wurde das Vermittlungsprogramm deshalb vorläufig gestoppt.

ZahlenZwischen Anfang 2022 und Mitte 2024 wurden nach offiziellen Angaben 266 Pflegefachkräfte aus Brasilien nach Deutschland vermittelt. Insgesamt liegt die Zahl der in Deutschland beruflich aktiven brasilianischen Pflegekräfte bei etwa 200 bis 266 Personen – deutlich weniger als ursprünglich geplant.

Global gesehenIn Deutschland stammen inzwischen rund 18 Prozent der Pflegekräfte aus dem Ausland – das sind über 300.000 Menschen. Staatlich unterstützte Programme zur Anwerbung von Pflegekräften bestehen unter anderem mit Vietnam, den Philippinen und Bosnien. Brasilien war zunächst als Pilotland Teil dieser Strategie.

Die hoch ausgebildeten Kräfte, die in Brasilien meist in Krankenhäusern und eng mit Ärzten zusammen arbeiten, waren in deutschen Pflegeheimen zudem oft weit unter ihrer Qualifikation gefordert. Seit Juni 2024 wirbt deswegen die Agentur für Arbeit keine ausgebildeten Pflegefachkräfte mehr aus Brasilien an.

Doch inoffiziell läuft die Migration der PflegerInnen weiter: Nicht nur das Deutsch-Brasilianische Kulturzentrum CCBA organisiert regelmäßig Intensivdeutschkurse für verschiedene private Agenturen. Wie viele MigrantInnen so das Land wechseln, ist in keiner Statistik erfasst.

Offiziell gibt es kein Migrations­abkommen mehr – weil auch Brasilien Pflegekräfte braucht

Lidia Mendes hatte sich in ihrer Heimat für ein Pflegestudium interessiert. Für einen Studienplatz in der Pflege sind allerdings ebenso gute Noten notwendig wie für Jura oder Psychologie. Also büffelte die junge Frau ohne große Hoffnung allein zu Hause für die ENEM-Prüfung (Exame Nacional do Ensino Médio), um eine Hochschulzulassung zu bekommen.

Bis Mendes von der Möglichkeit einer Ausbildung in Deutschland erfuhr. „Ich habe mich sofort beworben: Das war mein absoluter Traum, in der Pflege arbeiten und dann noch ins Ausland gehen!“, erzählt sie. „Ich konnte es erst gar nicht glauben, als ich angenommen wurde!“ Sie fügt fast schüchtern hinzu: „Andere Bewerber hatten schon eine entsprechende Ausbildung oder wenigstens Berufserfahrung, ich hatte nur zu Hause meine Uroma gepflegt.“

Die junge Frau stammt aus einer Arbeiterfamilie. Groß geworden ist sie in Moreno, einer 250 Kilometer von Recife entfernten Stadt, die von Zuckerrohranbau und Landwirtschaftsbetrieben geprägt ist. Mendes, die von ihrer Großmutter aufgezogen wurde, der sie bei der Pflege von deren Mutter half, wollte immer schon einen Heilberuf ergreifen. „In meiner Familie ist niemand reich, wir haben gelernt, uns durchzuschlagen“, erzählt sie. „Ich habe schon alle Jobs gemacht, die man sich vorstellen kann: mit der Schubkarre Sand karren, bei Umzügen helfen, ich bin da nicht wählerisch.“ Diese Resilienz dürfte Mendes im Ausbildungs­projekt in Deutschland zugutekommen.

Sebastian Steeck ist kaufmännischer Leiter der Diakonie Leipzig und erzählt: „Wir haben mit 40 Bewerbern in Recife Auswahlgespräche geführt, am liebsten hätten wir alle genommen. Die Kommunikationsfähigkeit hat uns ebenso begeistert wie das Engagement: Manche sind bis zu 12 Stunden angereist!“ Bedingungen für die Aufnahme sein außerdem Bestnoten in Portugiesisch, Englisch und Mathematik gewesen – und die Bereitschaft zum Lernen. Die theoretische Ausbildung ist anspruchsvoll, logisches Denken und Kommunikationsfähigkeit sind von Vorteil.

450 Interessierte innerhalb einer Woche

Steeck hat das Programm zusammen mit seinem Kollegen Christoph Ostendorf und weiteren Partnern entwickelt. „Wir waren uns schnell einig, dass wir keine ausgebildeten Kräfte abwerben, sondern selbst ausbilden wollten.“ Ziel sei es, Menschen eine Chance zu bieten, denen sonst weniger Türen offenstehen. Als die Ausschreibung von der Regierung des Bundesstaates Pernambuco veröffentlicht wurde, bewarben sich innerhalb einer Woche 450 Interessierte.

Der Beruf der Pflegekraft ist in Brasilien sehr angesehen, deutlich mehr als in Deutschland. Die Löhne allerdings sind so bescheiden, dass studierte Pflege­kräfte oft in mehreren Krankenhäusern und Gesundheitsstationen parallel Schichten machen, um über die Runden zu kommen. In Deutschland verdienen Azubis schon im ersten Lehrjahr zwischen 1.200 und 1.400 Euro brutto monatlich.

Intensiv: Deutschkurs für angehende Pflegeazubis in Recife Foto: Christine Wollowski

Doch der Weg nach Deutschland ist für viele dennoch sehr weit: In Brasilien gilt die Familie sehr viel, familiäre Strukturen sind wichtig. Nicht leicht, wenn man das alles zurücklassen soll für Ausbildung und Job in Deutschland. Man habe in Recife deshalb einen „Elternabend“ organisiert, um sich die Sorgen und Bedenken der Familien anzuhören. „Das war sehr emotional, es sind sogar Tränen geflossen“, sagt Steeck.

„Die Angehörigen wollten vor allem wissen, wer in Deutschland auf sie aufpassen würde“, erzählt Silke Ruiz, die sich im sächsischen Zwickau um die Neulinge kümmern wird. Anders als bei privaten Agenturen, die ihre Angeworbenen über ganz Deutschland verteilen, bleiben die jungen Leute aus dem Programm in Recife in zwei Gruppen in Zwickau und Leipzig zusammen. Ruiz hat bereits für eine begeisterte Fußballerin im Azubi-Projekt einen örtlichen Verein entdeckt. Gemeinsames Volleyballspiel, ein Open-Air-Kinobesuch und andere Aktivitäten sind ebenfalls geplant. Außerdem hat Ruiz Wohnungen gesucht und eingerichtet, wo jeweils mehrere der Azubis zusammen leben werden.

„Ich bin so etwas wie ihre deutsche Mama“, sagt Silke Ruiz und lacht. „Der Ton in Deutschland ist manchmal rau, wenn es stressig wird, die brasilianische Kultur ist viel herzlicher, liebevoller, da muss ich den Azubis helfen, zu lernen, solche Situationen nicht persönlich zu nehmen.“ Anfangs will die Krankenschwester und Praxisanleiterin sich mehrmals wöchentlich mit den SchülerInnen treffen.

Vereinzelt gibt es unter den KollegInnen auch kritische Stimmen gegenüber der Idee, „Menschen für viel Geld aus anderen Ländern zu holen und hier zu hofieren, während es doch genug junge Menschen in Deutschland gibt“. Ostendorf von der Diakonie Sachsen sieht die Lage vor allem nach der letzten Bundestagswahl kritisch. „Das Klima, das zurzeit durch die aktuellen Migrationsdebatten entsteht, beunruhigt uns“, sagt er. „Fachkräfte aus dem Ausland fühlen sich da nicht unbedingt willkommen, da muss sich die Politik unbedingt für mehr Differenzierung einsetzen.“

Die Wahrscheinlichkeit, rassistische Erfahrungen zu machen, sei in Sachsen, wo die AfD hohe Prozentzahlen erreicht habe, leider gegeben, sagt auch Sebastian Steeck von der Diakonie. Leipzig sei aber eine weltoffene Stadt, in der bereits 800 BrasilianerInnen und Hunderte weitere LateinamerikanerInnen lebten. Das Thema Rassismus wird in der Vorbereitung offen angesprochen.

Das Klima, das zurzeit durch die aktuellen Migrations-debatten entsteht, beunruhigt uns

Christoph Ostendorf, Diakonie Sachsen

„Ich lasse mich nicht blöd anmachen“, sagt Lidia Mendes selbstbewusst und klingt dabei sehr überzeugend. „Aber ich mache mir schon Gedanken, was uns da erwarten könnte.“ In den Pflegeeinrichtungen der Diakonie Westsachsen werden die BrasilianerInnen nicht die ersten Fachkräfte aus anderen Nationen sein, und „das läuft bisher sehr gut“, sagt Ausbilderin Silke Ruiz. „Unsere brasilianischen Azubis sprühen vor Energie und bringen auch hinsichtlich ihres Spracherwerbs sehr viel Engagement mit, was die perfekten Voraussetzungen sind.“

In Leipzig kümmert sich die Integrationsbeauftragte Taciane Murmel um die BrasilianerInnen. Sie ist selbst vor sieben Jahren von Brasilien nach Sachsen gekommen. Direkten Rassismus habe sie nie erlebt, weil sie als weiße Person angesehen werde, sagt sie. Aber diskriminierende Äußerungen über ihre Herkunft habe sie sogar von Freunden gehört, etwa: „Menschen, die so reden wie du, können hier in Deutschland keine Karriere machen.“ Wie verletzend so etwas sei, könne niemand nachvollziehen, der es nicht selbst erlebt habe. „Genau das motiviert mich heute, meine Arbeit und meine Projekte hier mit noch mehr Leidenschaft und Selbstbewusstsein zu machen und andere bei ihrer Integration in Deutschland zu unterstützen.“

Vom Auswahlverfahren in Recife berichtet Murmel: „Es waren Menschen dabei, die eine Unizulassung geschafft hatten, aber das Studium nicht antreten konnten, weil ihnen das Busgeld fehlte.“ Man merke den Bewerberinnen an, dass sie einer anderen Gesellschaftsschicht entstammen als die dortigen Uni-Absolventen: Die Motivation sei enorm.

Die 31-jährige Murmel sagt, sie lebe gern in Sachsen. „Als alleinerziehende Mutter finde ich die Menschen hier überwiegend sehr aufgeschlossen und hilfsbereit. Auch auf der Arbeit habe ich in jeder Mittagspause das Gefühl, dass ich hier sehr willkommen bin. Es ist eine ganz besondere Form von Nähe und Freundlichkeit, die ich eigentlich nur in Ostdeutschland erlebt habe und die mich glücklich macht“, erzählt sie. „Am Anfang ist das Wetter eine Herausforderung, diese saisonale Depression im Winter auszuhalten“, gibt sie zu, „auch sprachlich ist es am Anfang oft schwer.“ Für die Neuen gibt es deswegen zusätzlichen Sprachunterricht, der Fokus liegt auf Fachbegriffen aus dem Pflegealltag. Murmel hat Mentoren unter den KollegInnen identifiziert, die die Neuen unterstützen sollen.

Lidia Mendes ist inzwischen im Kulturzentrum angekommen und sitzt bei drückender Hitze mit ihren KollegInnen im Atrium des Gebäudes. Thema der Gespräche ist natürlich Deutschland: Wie kalt es ist, welche Kleidung sie mitnehmen sollen. „Die Deutschen sollen ja eher verschlossen sein, aber alle, die wir bisher kennengelernt haben, waren sehr offen“, sagt Mendes.

Ihre Vorstellungen von der neuen Heimat sind eher vage. Es ist vor allem ein großes Abenteuer, in das neue Leben auf der anderen Seite des Atlantik aufzubrechen. „Ach, wie es wirklich ist, werden wir sowieso erst wissen, wenn wir dort sind“, fasst der 21-jährige Vinicius Bezerra zusammen. „So eine Chance werde ich nie wieder im Leben bekommen“, erklärt Mendes. „Ich will auf jeden Fall auf Dauer da bleiben!“

Vor der kühlen Art der Deutschen fürchtet sie sich nicht: „Ich spreche einfach alle an“, sagt sie, bricht in ein ansteckendes Lachen aus und ergänzt: „Wenn ich denn genug Deutsch kann.“ Minuten später müssen die SchülerInnen im Unterricht kurze Vorträge halten. Manche stottern noch unsicher, andere schaffen es bereits, mehrere Minuten fast fehlerfrei und mit erstaunlich reichem Vokabular frei zu sprechen.

Deutsch-Arbeit: Lidia Mendes Schulhefte Foto: Christine Wollowski

Als Vorbereitung für die Prüfung hält das Goethe-Institut 700 bis 1.000 Unterrichtsstunden für notwendig; die Gruppe in Recife hat diese Summe in weniger als einem Jahr absolviert. „Notfalls können wir noch einen Nachprüfungstermin vereinbaren, falls es jemand nicht auf Anhieb schafft“, sagt Ostendorf. Das CCBA ist zugelassene Prüfstelle für die Goethe-Sprachzertifikate und dadurch flexibel. In der Folge­woche sollen die Schü­le­rIn­nen die Deutschprüfung auf dem Level B2 machen, die ihnen ausreichende Kenntnisse für einen Berufsalltag in der fremden Sprache bescheinigt. „Wenn wir die hinter uns haben, kann uns nichts mehr umhauen“, erklärt Azubi Maria Eduarda.

15.000 Euro Kosten pro Azubi

Die Betreuung der AnwärterInnen ist umfassend, man investiert recht viel: Schon Monate vor der Abreise treffen die Azubis ihre Betreuerinnen in Deutschland alle vierzehn Tage online, machen zusammen Hausaufgaben, besprechen praktische Fragen nach Visa und auch Persönliches. Die Kosten trägt vollständig die Diakonie: den aufwendigen Sprachkurs, die Lehrmaterialien, Fahrkosten und ein Stipendium, dessen Höhe bei den nicht aus Recife stammenden SchülerInnen den Mindestlohn ihrer Regionen übersteigt. „Insgesamt kostet uns jeder Schüler rund 15.000 Euro, bis er fertig ausgebildet ist“, rechnet Sebastian Steeck von der Diakonie Leipzig vor.

Dementsprechend wichtig ist es dem kirchlichen Träger, dass ihm die teuer ausgebildeten SchülerInnen später auch erhalten bleiben. Laut Vertrag sollen die BrasilianerInnen nach der dreijährigen Ausbildung mindestens weitere drei Jahre in einer der Einrichtungen der Diakonie arbeiten. „Ich bin sicher, dass alle hier bleiben“, meint Steeck, der extra eine Sprachsoftware auf den Stationen einrichten lassen hat, mit denen die Neuen diktieren können, was sie an Pflegehandgriffen dokumentieren müssen: Die Software verbessert sprachliche Mängel automatisch.

„Die Deutschen sollen ja eher verschlossen sein, aber alle, die wir bisher kennengelernt haben, waren sehr offen“, sagt Lidia Mendes. Anfang Juli geht es los, das Visa ist da, der Flug gebucht. Die Diakonie rekrutiert bereits die nächste Gruppe in Recife.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • Ein hoffnungsvoller Artikel!



    So macht Zuwanderung für beide Seiten Sinn. Es ist gut, dass die Auszubildenden bereits einen angemessenen Lohn erhalten, während sie die Kurse absolvieren.



    Dass die Auszubildenden das Projekt als Chance annehmen ist sehr erfreulich.



    Es spricht auch für die Diakonie, die es an Menschlichkeit offenbar nicht fehlen lässt.



    Ich wünsche Allen Beteiligten des Projekts Erfolg und hoffe dass solche Beispiele Schule machen.

  • Brasilianerinnen haben eine sehr liebe Art, mit Menschen umzugehen. Ein Riesengewinn für Deutschland. Da können wir viel von Brasilien lernen!



    Und vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn Krankenschwestern hier auch ein Universitätsstudium machen müssten und dementsprechend bezahlt würden. Und vor allem das selbe Ansehen geniessen würden wie in Brasilien.

  • Ja genau, holt möglichst viele junge Leute aus anderen Ländern heierher, damit wir hier unser brutalisiertes Arbeitsleben nicht rehumanisieren müssen. Angenehmer Nebeneffekt, diese jungen Menschen fehlen dann in ihrer Heimat, um die dortigen Wirtschafts- und Aufstiegsprozesse zu beschleunigen - so kann man natürlich auch konkurrierende Volkswirtschaften schwächen.



    Und ihr wollt eine linke Zeitung mit angeblich emanzipatorischen Absichten sein?

    • @Kabelbrand Höllenfeuer:

      Wenn die Afd an die Macht kommt, werden diese jungen Leute wieder zurückgeschickt oder sonstwie zum politischen Spielball. Und dann stehen sie nach 6 Jahren in Deutschland bei der Diakonie beruflich mit nichts da denn diese Ausbildung wird in Brasilien gar nicht anerkannt.

      Diese Ausbildung geht am brasilianischen System vorbei. Hier wird eine extrem prekäre Situation erschaffen die in der Taz viel zu unkritisch hinterfragt wird.

  • Laut OECD leisten wir uns das ungerechteste Schulsystem der Welt, was der deutschen Mittelschicht und deren mittelmässigem Nachwuchs sehr zugute kommt. In keinem anderen Land entscheidet die soziale Klassenzugehörigkeit der Eltern dermassen über die Zukunft der Kinder. Wie vergeuden enormes Potenzial um uns diesen Kleinbürger-Feudalismus zu leisten. Aber klar, dann holen wir uns halt neue Gastarbeiter die in großer Armut mit wenig Ansprüchen aufgewachsen sind und bei unfairen bzw fremdenfeindlichen Bedingungen in Sachsen schon die Zähne zusammenbeissen und für uns schuften werden.

  • Hat man ihnen auch gesagt, daß sie in Sachsen als dunkelhäutige Ausländer in ständiger Lebensgefahr sind?

    • @Alberta Cuon:

      Warum sollte man ihnen das sagen?

    • @Alberta Cuon:

      Und in anderen Bundesländern nicht?

  • Das ist "next Level" der Ausbeutung:



    "Es war nicht mehr klar, ob tatsächlich ein signifikanter Überhang in Brasilien bestand oder ob das Land eher eine Pflegeelite an Deutschland verlieren würde, die fünf Jahre Universitätsstudium und mindestens zwei Jahre Praxiserfahrung hinter sich hatte."



    Die EU verkauft teure Maschinen gegen Rindfleisch und Soja, ruiniert (mit) den Regenwald und wirbt jetzt die hoch ausgebildeten Fachkräfte ab um sie hier für 14,60 € schuften zu lassen.



    Vorschlag: machen wir Trump ein Angebot: wir nehmen jeden für den akuten Bedarf "vorsortierten" Facharbeiter aus seiner AbschiebungsOrgie an, wenn er uns die Reisekosten und 2 Jahre Aufenthalt plus der Sprachkurse bezahlt.



    Natürlich nur die ohne Familie.

    • @LeKikerikrit:

      Das Programm, das Sie in Ihrem Zitat erwähnen, wurde doch aber ein Jahr später wieder eingestellt.

      Die 40 Brasilianer, die jetzt kommen, sind keine hochausgebildeten Fachkräfte.

      Sie machen ihre Ausbildung erst in Deutschland, vorfinanziert von der Kirche.

      Der Artikel erwähnt, dass es sich wohl um Leute handelt, die diese Ausbildung in Brasilien nicht einfach erhalten würden.

      Deshalb freuen sie sich.

      Übrigens: so ganz schlecht verdienen Krankenpfleger hier nun auch nicht.

  • In den vergangenen drei Jahre, also 2022, 2023 und 2024, sind fast 6,3 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert.



    Und da findet man niemanden, den man ausbilden kann ?

    Scheinbar ist die Zuwanderung doch keine Erfolgsgeschichte, wie uns immer erzählt wird.

    • @Don Geraldo:

      Ihre Zahlen sind irrefuehrend oder falsch.

      2021 300 000 netto zu (1.3 zu 1.0 ab)



      2022 1 500 000 netto zu (2.7 zu 1.2 ab)



      2023 700 000 netto zu (1.9 zu 1.3 ab)



      2024 400 000 netto zu (1.7 zu 1.3 ab)

      Somit kommt man auf 2.6 Millionen im von Ihnen genannten Zeitraum, nicht 6.3. Sie vernachlaessigen weiterhin die ab 2022 hohen Zahlen der Ukrainischen Kriegsfluechtlinge von denen man nach Ende des Krieges eine Rueckwanderung erwarten kann.



      Schaut man sich die Zahlen von etwa 2016 ab an kann man wohl bei Ausklammerung der Ukrainischen Fluechtlinge von etwa 0.4 Millionen als durchschnittliche Nettozuwanderung per Jahr ausgehen.



      www.destatis.de/DE...D25_224_12411.html

      • @Sam W:

        Es ließen sich ja offensichtlich unter 6,3 Millionen Zugewanderten keine Pflegekräfte oder dazu ausbildbare finden.



        Ihre Brutto- und Netto-Rechnung ist für diese Feststellung vollkommen irrelevant. Oder haben Sie Informationen, daß unter den Abgängen überproportional viele Pflegekräfte waren ?

      • @Sam W:

        Ist die Argumentation mit der Nettozuwanderung da wirklich sachgerecht? Ich habe meine Zweifel, dass die abwandernde Bevölkerung für eine Pflegeausbildung in Frage gekommen wäre.

        Die auswandernden Deutschen sind deutlich überproportional hochqualifizierte Menschen. Es verlassen ja nicht die Ungebildeten und Perspektivlosen Deutschland bzw. dessen Sozialsystem.

        Typische deutsche Auswanderer sind nach meiner Erfahrung Rentner die günstig in der Sonne oder ihrem ursprünglichen Herkunftsland leben wollen, Wissenschaftler und andere Spezialisten ("Expats") oder Selbstständige die von der deutschen Bürokratie frustriert sind. Potentielle Pflegekräfte sind das eher nicht.

  • Das sich der brasilianische Arbeitsminister jüngst offiziell bei deutschen Stellen beschwert hat, die deutsche Seite würde sich nicht an Absprachen halten, passt hier scheinbar nicht rein in den Artikel. Brasilien leidet ja inzwischen selbst am Mangel an Pflegekräften. Wir ziehen ja inzwischen auf neokoloniale Weise in einigen Ländern bis zu 20% aller medizinischen Absolventen eines Jahrgangs ab und verschlechtern damit die Situation vor Ort dramatisch. Sonst ist der Artikel natürlich ein weiterer Beleg wie erfolgreich die Integration bei zielgerichteter und gesteuerterMigration selbst in Sachsen ablaufen kann.

    • @Šarru-kīnu:

      Neokolonialismus ist nun nicht, den Leuten bessere finanzielle Angebote zu machen, damit sie kommen.

      Dann würde die Schweiz Deutschland erzneokolonialistisch ausbeuten.

      Die Migration ist die Sphäre, wo sich Wirtschaftsliberalisten sich mit Linken treffen und das Ganze "progressiv" nennen.

      Aus Sicht der Auswanderungsländer erscheint das naturgemäß oft wenig progressiv.

      Zumindest wenn es um wirkliche Fachkräfte geht.

      Das Heer der Perspektivlosen lassen diese Länder natürlich gerne ziehen.

      Hat man weniger Unzufriedene im Land, die womöglich noch demonstrieren und Unruhe stiften.

      Zudem profitieren sie von den "Rücküberweisungen".

      Doppelter Gewinn.

      Der Punkt scheint aber auf Brasilien nicht zuzutreffen.

  • Danke für den Beitrag.

    Bevor so hochmotivierte Personen wie Lidia Mendes aus Brasilien nach Deutschland kommen hier angesagt in der Pflege Arbeit aufzunehmen, sollte deutscher Wohnungsmarkt mithilfe Diakonie, Kirchen u. a. Pflegeeinrichtungen Trägern privat wie staatlich einem Resett Upgrade unterworfen werden im Sinne einer Mietwohnwende weg vom Kapitalmarkt Renditedenken hin zu Gemeinwohl orientiert bezahlbarem Wohnraum, damit nicht wie andere Millionen hierzulande auch noch Personen wie Lidia Mendes wenn sie überhaupt eine Wohnung finden 40 % ihres Einkommens allein für Kaltmiete aufbringen müssen. Genau in diese Richtung zielt Petition "Mietwohnwende" change.org

    www.change.org/p/f...l-zur%C3%BCckgeben



    Für soziale Wohnwende – Wohnraum der Gemeinwohlnutzung zurückgeben

  • Ich seh die Anwerbung von Pflegekräften als Postkolonanismus. Durch hier sicherlich höhere Gehälter ziehen wir aus Ländern wie Brasilien dort genauso nötige Fachkräfte ab.



    Es sollte hier mehr Druck auf die Ausbildung in Schule und Beruf stattfinden, sodaß sich arbeiten von hier lebenden Menschen lohnt. Dann braucht man keine "modernen" Sklaven.

  • Kolonialismus 2.0 - und alle Linken sind begeistert. Früher haben wir Rohstoffe und Arbeitskraft abgezockt, heute ziehen wir die Ressource Mensch gleich vollständig ab. Hierzulande war man zu geizig oder zu faul, Kinder groß zuziehen, Kindern und Jugendliche auszubilden. Sogar die Bildung der Kinder der Einwanderer war einem zu teuer. Jetzt schaut die saturierte alte Bevölkerung, wem sie Jungen abziehen kann, die andere Eltern mit viel Mühe erzogen und gebildet haben.

    Ich finde, es wäre mehr als recht und billig, wenn man die Hälfte der hier ausgezahlten Renten, Pensionen, aber auch andere Erträge aus Kapital und Immobilien, an die Nationen abgeben würde, deren Kinder wir jetzt für die Pflege unserer Alten abwerben.

    Ja, das würde zu einer erheblichen Verarmung unserer Rentner führen, aber so ist das nun mal, wenn man niemanden in die Welt setzt und in die Welt einführt, der wirtschaftet, wenn man das selbst nicht mehr kann oder will. Und fühlen sich auch noch als die Guten dabei!

    • @fleischsalat:

      Der Vorwurf des Kolonialismus ist im Zusammenhang mit Arbeitseinwanderung zwar sehr beliebt, trifft aber nicht zu, wenn die Menschen, die nach Deutschland kommen in ihrem Heimatland die Ausbildung gar nicht machen könnten. Das scheint hier doch der Fall zu sein. Wenn es hier genügend geeignete Bewerberinnen gäbe, dann gäbe es das Problem doch gar nicht. Hier sind Lösungen gefragt. Weniger gefragt ist Gejammer und Gemecker, weil die inländische Geburtenrate nicht stimmt. Fleischeslust und Familienplanung lassen sich nunmal nicht staatlich verordnen und das ist auch gut so. Man muss sich mit dem arrangieren, was ist. Bevölkerungspolitik hat noch nie so funktioniert, wie man es sich gewünscht hat und man sollte die Finger davon lassen.

      • @Georg Groeg:

        Vernünftige Bedingungen für Frauen mit Kindern schaffen und schon wäre das ein Selbstläufer

    • @fleischsalat:

      Sehe ich ganz genauso. Die Jugend anderer Länder soll dazu vergeudet werden, unsere Alten zu pflegen.

      Anstatt durch Nachwuchs den eigenen Sozialstaat aufrechtzuerhalten, haben die Deutschen ihre Zeit und ihr Geld lieber in dekadenten Luxuskonsum gesteckt. Im Alter wollen sie dann aber versorgt werden. Ich bin schon lange dafür, dass der volle Leistungsanspruch bei Rente und Pflege, eingeschränkt auch bei der Krankenversicherung, erst ab 2 Kindern erworben wird.

      Die das nicht geschafft haben, ob gewollt oder ungewollt spielt dabei keine Rolle, hatten genug finanziellen Spielraum um selber vorzusorgen. Ich finde auch nicht, dass die Gemeinschaft nachträglich den Kinderlosen ihre Autos oder Urlaube subventionieren sollten.

    • @fleischsalat:

      "Kolonialismus 2.0 - und alle Linken sind begeistert. "



      Zerlegen wir diesen Satz: "Kolonialismus 2.0", stimmt.



      "und alle Linken sind begeistert" das ist eine vulgäre Unterstellung.

  • Und Punkt 3.: In Brasilien ist es nicht üblich, bei Unternehmen zu bleiben, wenn andere besser zahlen. Selbst wenn das Unternehmen die Ausbildung bezahlt hatte. Die Erfahrung mußten bereits deutsche Unternehmer in Br machen. Diese "Loyalitätskultur", wie sie bei uns z.T. gibt, gibt es in Br einfach nicht. Da finde ich es optimistisch, so einen hohen Betrag für die Ausbildung zu bezahlen. Würde mich natürlich freuen, wenn es klappt..

  • Meine Frau ist Brasilianerin,u.ich habe einen guten Einblick in die brasilianische Gesellschaft u.auch das Gesundheitssystem.Drei Dinge,die mich bei dem Artikel sehr irritieren:

    "Afro-Brasilianerin"



    Mir ist bewusst,daß vielen Menschen Aussehen sehr wichtig ist. Daß unbedingt klargemacht werden muß,ob Menschen helle Haut, dunkle Haut, Asiaten, Araber o.sonst was sind.Ich persönlich finde es ja ziemlich unnötig,aber wems hilft... Bei Brasilianern stellt sich die Frage,welchen Sinn so eine Aussage hat(funfact: keine).Ich kenne keine,noch so hellhäutige,Brasilianer,die keine afrikanischen Vorfahren haben.Aber wie gesagt,wem die Hautfarbe wichtig ist,kann das ja erwähnen...

    "Die hoch ausgebildeten Kräfte"



    Wer das brasilianische Gesundheitssystem und die Ausbildung kennt, kann so eine Aussage eigentlich nicht treffen.So erhält man z.B.nach d.br. Medizinstudium,das weniger anspruchsvoll ist als z.B.das deutsche,automatisch den Doktortitel.In D.dagegen muß man promovieren,was aufwendig u.anspruchsvoll ist.Auch Ausbildung und,leider,Arbeitsqualität,auch v.Pleger:innen,ist entsprechend niedrig.Da werden auch gern Diagnosen erfunden.