Antrag auf neue Amtssprachen in der EU: Spanien bekommt eine Abfuhr
Pedro Sánchez scheiterte am Dienstag mit dem Versuch, auf einen Schlag Katalanisch, Galicisch und Baskisch als neue Amtssprachen in die EU einzuführen.
Madrid/Brüssel taz | Spanien, das derzeit den EU-Vorsitz inne hat, stellte am Dienstag beim Treffen der EU-Minister für europäische Angelegenheiten den Antrag auf Anerkennung der, neben Spanisch, drei offiziellen Sprachen im Land: Galicisch, Baskisch und Katalanisch. Eine Aufnahme in die Liste der EU-Amts- und Arbeitssprachen kann nur einstimmig beschlossen werden. Ein Konsens zeichnete sich am Dienstag aber nicht ab – die Beratungen sollen vorerst EU-intern weitergehen, hieß es am Rande des Treffens. Das nächste Treffen der EU-Minister für europäische Angelegenheiten findet am 24. Oktober statt.
Zur Begründung für das (vorläufige) „Nein“ verwiesen Diplomaten auf die Kosten und den Verwaltungsaufwand. Eine Aufnahme von Katalanisch, Baskisch und Galicisch würde bedeuten, dass alle EU-Verordnungen und andere offizielle Schriftstücke künftig auch in diese Sprachen übersetzt werden müssten. Dabei stößt die EU schon mit 24 Amts- und Arbeitssprachen an ihre Grenzen.
Spanien hatte zwar angeboten, die Kosten selbst zu übernehmen. Die meisten offiziellen Dokumente werden nur noch in Englisch produziert; die Übersetzung dauert dann oft Stunden, wenn nicht Tage. Einige Texte auf der Website der EU-Kommission werden nur noch auf Anfrage ins Deutsche übersetzt – von einer sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI), also maschinell.
Doch viele Länder hatten Bedenken – darunter auch Deutschland. Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) erklärte dies mit ungeklärten Fragen zu rechtlichen und finanziellen Auswirkungen. Andere Länder fürchten die Wiederbelebung alter Sprachkonflikte.
Pedro Sánchez braucht die Stimmen der Nationalisten
Für Verärgerung sorgte auch, dass der spanische EU-Vorsitz das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt hatte. Es gebe durchaus wichtigere Themen, sagte ein Diplomat. So wollten sich die Europaminister am Dienstag mit der Migrationskrise auf Lampedusa beschäftigen und den EU-Gipfel im Oktober vorbereiten. Der spanische Vorstoß habe wohl eher mit der Innenpolitik zu tun, hieß es.
Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE), der nach den Wahlen im Juli versucht, eine parlamentarische Mehrheit für seine Wiederwahl als Chef seiner bisher in Minderheit regierenden Linkskoalition zu schmieden, geht damit auf die nationalistischen Parteien aus drei Autonomen Regionen zu. Er braucht ihre Stimmen dringend.
Der Ruf nach Anerkennung der eigenen Sprache wurde vor allem in Katalonien laut: Die regierende Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die andere große Unabhängigkeitspartei, Junts per Catalunya (JxCat) des im Exil lebenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, hatten dies neben einem Dialog zur Lösung des “katalanischen Konflikts“ gefordert.
Anstatt wie bei diesen Sitzungen üblich, einen Vertreter zu schicken, reiste der spanische Innenminister José Manuel Albares höchstpersönlich nach Brüssel. „Die Mehrsprachigkeit ist eines der Ziele und einer der Werte der Europäischen Union (EU)“, erklärte der sozialistische Politiker und verwies auf den Artikel 3 des EU-Vertrags.
Regionalsprachen – zum ersten Mal im spanischen Parlament
Spanien fordere Rechte für „Sprachen, die von Millionen Menschen benutzt werden“, sagte Albares. Katalanisch wird von mehr als 10 Millionen Menschen gesprochen – „mehr als andere anerkannte Sprachen der EU“, fügte er hinzu. So sprechen etwa nur 2,5 Millionen Menschen Slowenisch, 5 Millionen Slowakisch, 5,2 Millionen Finnisch und Schwedisch genauso viele wie Katalanisch.
Selbst in Spanien war bisher nicht vorgesehen, im Parlament Katalanisch, Galicisch oder Baskisch zu sprechen. Seit Dienstag ist das Geschichte – das wurde vom Parlamentspräsidium beschlossen, das gemeinsam von eben jener Mehrheit der Parteien der Linken und nationalistischer Abgeordneten aus den Regionen mit eigener Sprache gewählt wurde, und die Sánchez für seine Wiederwahl hinter sich vereinen will.
Erstmals gab es Kopfhörer und Simultandolmetschen sowie Untertitel auf den Bildschirmen. „Wir werden da nicht mitmachen. Wir spielen doch nicht den Dummen“, lehnte ein Sprecher der konservativen Partido Popular (PP) diese Initiative ab. „Das macht uns zu Ausländern im eigenen Land“, schimpfte eine VOX-Sprecherin gar. Die Abgeordneten der rechtsextremen Partei verließen den Plenarsaal, als der erste Abgeordnete statt auf Spanisch, auf Galicisch sprach. Beide Rechtsparteien verstehen diese Mehrsprachigkeit als ein Angriff auf die Einheit Spaniens.
Leser*innenkommentare
Priest
Entweder unterstützen Sie, DIMA, die Art und Weise, wie Spanien bisher "entsprechende Bestrebungen zu verhindern" versucht hatte, oder sie ist einfach nicht gut genug informiert.
Denn in der EU ist eine Rebellion als gewalttätiger Akt definiert, und nicht als Tat, welches ein gewaltsames Entreißen von Wahlurnen durch Polizei und Militärpolizei verursacht hat.
Die fast 2-jährige U-Haft von friedlichen Aktivisten und Politikerïnnen ist ebenso eine klare Grundrechtsverletzung, wenn sie auf einer bewusst falschen Annahme ("Rebellion") fußt.
Die Anwendung von Spionage (Pegasus, Catalan Gate) gegen unbescholtene Befürworter der Unabhängigkeit und ihr Umfeld ist ein Skandal fast ohnegleichen innerhalb der EU.
Selbst Pedro Sanchez meint, daß das politische Problem zwischen Katalonien und Spanien nicht vor Strafgerichte gehört, sondern politisch zu lösen ist, was immer auch der Wunsch katalanischer Politik gewesen ist.
Katalanisch, neben baskisch und galizisch, kann jetzt im spanischen Kongress gesprochen werden.
Katalanisch hat gute Chancen, bald offizielle EU-Sprache zu sein.
Nur wer fordert, kann etwas erreichen. Auch hier bedarf es der Zustimmung aller EU-Staaten.
Wer dagegen Forderungen auf undemokratische Weise unter Verletzungen von Grundwerten zurückweist, verspielt seinen Kredit in der EU.
DiMa
@Priest Ich unterstütze weder die Unionisten noch die Separatisten in Spanien.
Ich verlange lediglich, dass sich die EU in Übereinstimmung mit den geschlossenen Verträgen aus innerstaatlichen Angelegenheiten der Mitglieder raushält und sich im Rahmen der auf sie übertragenen Kompetenzen verhält. Das klappt bisher sehr gut.
Insoweit sehe ich jedoch Herrn Puigdemont nach, dass er im Zusammenhang mit seiner sogenannten Volksabstimmung vollkommen falsche Erwartungen geweckt hat (insbesondere das Versprechen der Mitgliedschaft). Damit zerstört er Vertrauen in die EU.
"Denn in der EU ist eine Rebellion als gewalttätiger Akt definiert..." Es gibt keine EU-weite Definition. Solche Definitionen ergeben sich aus den Strafgesetzbüchern der jeweiligen Mitgliedsländer.
Es gibt demnach auch keine "bewusst falschen Annahme". Auslegung ist Aufgabe spanischer Gerichte.
"gegen unbescholtene Befürworter der Unabhängigkeit" Ist das so? Schließlich war der Bruch der Verfassung bereits festgestellt.
"Selbst Pedro Sanchez" Das kann und soll Spanien behandeln, wie es möchte. Wenn Spanien die Leute verurteilt ist das in Ordnung, wenn nicht ist das auch in Ordnung - Nur hat das nichts mit der EU zu tun.
"Katalanisch, neben baskisch und galizisch, kann jetzt im spanischen Kongress gesprochen werden." Innerspanische Angelegenheit.
"Katalanisch hat gute Chancen, bald offizielle EU-Sprache zu sein." Im Falle eines Beitrittes von Andorra (Spanien müsste zustimmen) oder einer Änderung der spanischen Verfassung.
"Nur wer fordert, kann etwas erreichen." Jeder darf alles fordern, nur bitte lasst die EU raus.
Priest
@DiMa Ich verstehe Ihren Standpunkt.
Sie mögen sich als neutral darstellen und empfinden, aber Ihre Aussagen decken sich mit Argumenten der spanischen Nationalisten und Teilen der deutschen Presse, welche Madrider Presse direkt übernimmt.
Gerade deshalb halte ich diese Diskussion für interessant.
Punkt für Punkt:
Hat Puigdemont falsche Erwartungen bez. einer Mitgliedschaft Kataloniens in der EU geweckt?
Das wissen z.Z. weder Sie noch ich.
Die unilaterale Unabhängigkeitserklärung im Oktober 2017 wurde ja bewusst zeitlich ausgesetzt, um Raum für Verhandlungen zu lassen.
Bisher haben belgische, deutsche, britische und auch Schweizer Gerichte klargestellt, daß sie Kataloniens PolitikerInnen wg. angeblicher Rebellion oder auch Landfriedensbruches nicht ausliefern werden, da für beide Strafbestände in allen EU-Staaten physische Gewalt vorhanden sein muss. Diese war nicht gegeben, auch wenn spanische Polizisten sehr provokativ vorgingen.
Im Urteil wurde der Vorwurf der Rebellion dann auch fallengelassen, diente aber im Vorfeld der "Rechtfertigung" der U-Haft. Sehr verdächtig!
Nun, ich gehe davon aus, daß Europäische Gerichte den Schaden zumindest zum Teil wieder gutmachen werden, es sei denn, daß eine umfassende Amnistie der ganzen Aufarbeitung nicht zuvorkommen wird.
"Wenn Spanien die Leute verurteilt ist das in Ordnung, wenn nicht ist das auch in Ordnung - Nur hat das nichts mit der EU zu tun." schreiben Sie.
Das sehen in der Regel nur Zyniker so!
Ich persönlich lebe gerne in der EU, solange sie nicht Zustände wie in der Türkei oder Russland duldet.
Natürlich darf jeder EU-Staat seine Probleme regeln, wie er möchte. Aber eben nur solange, bis keine systematischen, elementaren Menschenrechtsverletzungen z.B. von Amnesty International, P.E N. International und HRW oder der UN angeprangert werden.
Dann werden solche Vorfälle nämlich zu Angelegenheiten der EU, wie wir gerade wieder alle mitverfolgen können. Wie weit das gehen wird, werden wir noch sehen.
DiMa
"Wenn elementare Grundrechte verletzt werden, wird eine innerstaatliche zur EU-Angelegenheit."
Ich sehe keine elementare Grundrechtsverletzung. Dem Ansinnen einer Region auf Eigenstatalichkeit nicht nachkommen zu wollen und entsprechende Bestrebungen zu verhindern stellt aus meiner Sicht keine Grundrechtsverletzung dar. Ansonsten gäbe es immer automatisch einen Anspruch auf Seperatismus, wenn und soweit eine Region dies mehrheitlich zum Ausdruck bringt. Insbesondere ist die Ablehnung des Separatismus meines Erachtens auch nicht mit einer Unterdrückung gleichzusetzen.
Anderweitige Grundrechtsverletzuungen sind in Spanien nicht ersichtlich; insbesondere nicht die bisherige Bestrafung von Politikern in diesem Zusammenhang.
Die katalanischen Seperatisten müssen für eine konsensuale Lösung werben und zwar nicht bei ihren Nachbarn, sondern in ihrem eigenen Land. Davon ist Herr Puigdemont weit abgewichen und es wird sicherlich eine ganze Weile dauern, bis die tatsächlich möglich wird.
Sie können und dürfen das gerne anders sehen, nur die gerade getroffen Entscheidung der EU reiht sich in eine ganze Reihe von Entscheidungen ein und innerhalb der EU scheint die von mir vertretene Meinung vorzuherrschen.
Am Ende passt auch das Versprechen von Herrn Puigdemont, Katalonien würde in die EU aufgenommen werden, nicht, den dafür bräuchte es die Zustimmung aller Länder (einschl. Spaniens).
Es ist also noch ein sehr langer Weg.
Ihnen alles Gute!
Priest
@DiMa Sollte es der Bevölkerung in Katalonien gestattet werden, über ihre Zukunft friedlich (z.B. nach Aushandlung eines Referendums) selbst zu entscheiden, wäre viel im Sinne der demokratischen EU-Grundwerte erreicht.
Eine solche Lösung wird von der großen Mehrheit in Katalonien angestrebt.
Spanien sträubt sich dagegen vielleicht zu Recht, sollte aber in Zukunft auf Politik setzen und elementare Menschenrechtsverletzungen (wie z.B. "Catalan Gate") tunlichst vermeiden.
Ob Katalonien dann ein vollwertiges EU-Mitglied und Geberland oder ein unabhängiges Land wie Norwegen, GB oder die Schweiz sein wird, hängt kurzfristig vom Willen der Politiker, langfristig aber sicher von Wirtschaft und Pragmatismus ab.
Wer in einem unabhängigen Katalonien den Anfang vom Ende Spaniens oder der EU sieht, sollte sich mit Geschichte befassen. Denn das Rad dreht sich bekanntlich unaufhörlich weiter.
Danke für den ausführlichen Gedankenaustausch und auch für den Respekt, welchen Sie einem Andersdenkenden zukommen lassen!
meerwind7
"Katalanisch hat etwa 4 Millionen native Sprecher" (Wikipedia). Würde Andorra der EU beitreten, wo es Amtssprache ist, könnte es auf diesem Umweg ausgewertet werden.
Baskisch sprechen nur 750.000 Europäer und Galizisch ist mehr ein Dialekt des Portugiesischen oder Mischform zum Spanischen, das rechtfertigt ebenfalls keine eigene Amtssprache.
Carsten S.
Warum sollen spanische Staatsbürger kastilisch sprechen?
Null Substanz
@Carsten S. Weil sie es können?
Joachim Petrick
Kosten-, Organisationsaufwand neben 2 4 bestehenden weitere EU Amtssprachen in Brüssel einzuführen ist das Eine. Das Andere ist, Initiativen aus EU Regionen zu fördern, die widerstrebend nationalistische Geister in EU in den einzelnen Mitgliedsländern mit auflösender Wirkung auf den Prüfstand stellen, Blick auf das Europa der Regionen stellen und richten mit vielen grenzüberlappenden Sprachräumen, diesen anerkannte Identität in EU durch weitere Amtssprachen eines Europa der Vielstimmigkeit zu verleihen, die sich nicht in nationalistische Selbstfesselung begeben wollen entgegen Rechtsaußen Vox Populi nach zentralistischen Strukturen in EU der kleinen Dienstwege im Umlaufverfahren im Ministerrat mit kleiner Münze statt Debatten im Europaparlament für identitätsstiftenden Zusammenhalts beim Gebrauchs öffentlichen Raum für öffentliche Angelegenheiten?
Priest
Ein bedeutender Tag für das plurinationale Spanien und vielleicht alle nationalen Minderheiten.
Daß im spanischen Parlament heute nach über 40 Jahren Übergang zur Demokratie endlich möglich wurde, auch auf baskisch, katalanisch und galizisch die Meinung im Parlament zu äußern, war schon lang überfällig.
Falls Katalanisch in der EU nicht als offizielle EU-Sprache anerkannt werden wird, haben viele Bürger dort einen weiteren Grund, einen eigenen Staat anzustreben.
Daß die hypothetische Aufnahme von Andorra in die EU erreichen würde, was Millionen EU-Bürgern derzeit verwehrt wird, nämlich die Anerkennung von Katalanisch als offizielle EU-Sprache, ist schon irgendwie absurd.
Ajuga
@Priest So sieht's aus!
Sehr schön unprofessionell auch VOX: "Die Abgeordneten der rechtsextremen Partei verließen den Plenarsaal, als der erste Abgeordnete statt auf Spanisch, auf Galicisch sprach."
Das, *genau* das, wünsche ich mir von der PP auch. Und zwar völlig unironisch, denn in Galizien spielt VOX kaum eine Rolle, weil die dortige PP noch eine starke und ungebrochene faschistische Tradition hat. Zwar paläo-, nicht neofaschistisch, aber das ist ein eher formaler als inhaltlicher Unterschied.
Fran Zose
@Priest Eher ein Rückschritt und ein Zerfall ins Kleinstaatliche. Wollen wir die EU atomisieren und möglichst handlungsunfähig machen, dann ist genau das der richtige Weg. Jeder, wirklich jeder, der das spanische Schulsystem egal in welchem Landesteil durchlaufen hat, ist in der Lage Spanisch zu sprechen. Bestenfalls kann er zusätzlich noch eine der regionalen Sprachen. Welchen Grund gibt es also nicht im Spanischen zu kommunizieren sondern in einer der anderen Sprachen, welche eben nicht von allen gesprochen und verstanden wird? Doch nur den um sich absichtlich abzugrenzen. Mit anderen Worten es ist nicht die Fähigkeit allgemeinverständlich zu kommunizieren sondern der Unwille es zu tun. Das sollte nicht unterstützt werden. Ähnlich wie den ganzen separatistischen Bewegungen kein späterer EU Beitritt in Aussicht gestellt werden sollte.
Zangler
@Fran Zose Eben, und was fällt eigentlich den frankophonen Schweizern ein, dass sie nicht einfach Deutsch sprechen?
Aber im Ernst: In den seltensten Fällen ist die eine Nationalsprache Ausdruck des Wunsches gewesen, wirklich alle an der demokratischen Willensbildung zu beteiligen (von gewissen Phasen in Frankreich vielleicht einmal abgesehen), meistens diente die Unterdrückung kleinerer Sprachen oder schwer verständlicher Dialekte der Kontrolle der Bevölkerung durch eine Diktatur (in Spanien ganz eindeutig).
Die Tendenz ist eindeutig: Demokratische Staaten neigen eher dazu, mehrsprachig zu sein oder gar keine echte Amtssprache zu haben, Diktaturen verpflichten alle auf eine Sprache (1990 konnte „wirklich jeder“ in der UdSSR Russisch ...).
Es wäre schon schön, das einmal friedlich gelöst zu sehen und nicht in einem ewigen Kampf zwischen einer übergriffigen Zentrale und Separatisten/Freiheitskämpfern.
Fran Zose
@Zangler Ihr Vergleich ist in meinen Augen nicht treffend: Spanien hat mehrere Amtssprachen und das ist auch gut so. Was ich hingegen absolut für nicht gute heiße ist der Versuch, einen originär spanisch-innenpolitisches Problem zu versuchen über die EU zu lösen. Damit ist niemand geholfen; im Gegenteil die EU wäre am Ende um nicht etwas mehr bürokratischen Aufwand reicher. Wollen Sie das wirklich?
Priest
@Fran Zose Was die Europäische Sprachenpolitik -deren Ziele die Mehrsprachigkeit und der Schutz der mehr als 200 indigenen, europäischen Sprachen vorsieht - betrifft, sind Sie offenbar unzureichend informiert.
Laut EU-Beschlüssen sind alle offiziellen EU-Sprachen gleichwertig. Solange Katalanisch keine offizielle EU-Sprache ist, haben spanische Chauvinisten leider ein gutes Argument, das Erlernen von Katalanisch zu verweigern, selbst wenn sie in Katalonien leben und arbeiten, denn es gibt ja "keinen Grund, nicht im Spanischen zu kommunizieren".
Beatrice Ortlepp
@Priest Nicht alle die eine zweite Sprache schlecht oder gar nicht lernen wollen, sind Chauvinisten. Manchen/vielen fällt es einfach wahnsinnig schwer und manche fällt es nicht nur schwer sondern Sie können es einfach nicht. Denen fällt schon die eine Sprache schwer zu schreiben, zu sprechen und zu denken, die sie als Muttersprache gelernt haben.
Fran Zose
@Priest Es gibt hehere Ziele und es gibt pragmatische Politik. Wenn man sich nur auf Ersteres konzentriert verliert man leicht das große Ganze aus den Augen. Das heutige Spanien ist nicht das Spanien Francos, niemand will wie damals das Katalanische oder das Baskische verbieten; die Autonomierechte innerhalb Spaniens sind sehr weitreichend.
Priest
@Fran Zose Leider ist der Geist Francos noch vielerorts gegenwärtig, nach 40 Jahren Diktatur und Gehirnwäsche kein Wunder.
Der Kampf zweier Kulturen bzw. Nationen seit der Beschneidung des katalanischen Estatuts durch ein politisiertes Verfassungsgericht unter Ausschluss des katalanischen Richters wg. angeblicher Befangenheit 2010, hat die Fronten sicher verhärtet. Die Polizeieinsätze am Tag des Referendums und die Absetzung einer gewählten Regierung incl. U-Haft der PolitikerInnen und Aktivisten hat das Fass zum Überlaufen gebracht.
Für viele dort ist die Chance eines vernünftigen Miteinander vertan.
Das kann ich nachvollziehen.
Klaus Waldhans
@Fran Zose Kann mich Ihrem Kommentar nur anschliessen. Schon heute spüren viele 'kastillianischsprechende Spanier' in Katalonien den Unwillen mit Ihnen 'spanisch' zu sprechen. Als Ausländer hat man hingegen keine Probleme mit dem Spanisch.
DiMa
Das Problem ist doch eher anderer Natur. Niemand darf innerhalb der EU bei Verwendung einer Amtssprache von Behörden diskriminiert werden. Bei genauer Auslegung hat dies zur Folge, dass ich jeden Antrag bei jeder Behörde in der EU in meiner Amtssprache stellen darf und dieser Antrag dann nicht unter Hinweis auf die jeweilige nationale Amtssprache abgelehnt werden dürfte. Werden also Minderheitensprachen anerkannt, könnte es demnächst passieren, dass ein Sorbe einen Antrag bei einer Behörde in Wales stellt und dieser Antrag dann bearbeitet werden müsste (und ebenso vice versa). Viel Spaß dabei.
Octarine
@DiMa Was Amtssprache ist, wird von dem jeweiligen Staat und Deutschland von den Bundesländern festgelegt. So gibt es entsprechende Regelungen für Frisisch, Dänisch, Sorbisch und Romanes.
Die EU Amtssprachen sind für die Kommunikation der EU Behörden untereinander und mit den Einrichtungen der EU Länder von Belang.
Sanchez versucht alles, um sein politisches Überleben zu sichern, das ist alles.
Priest
@DiMa Ihre "genaue Auslegung" ist schon sehr konstruiert, denn welcher Slowene stellt in Irland einen Antrag auf slowenisch.
Wales gehört ja nicht mehr zur EU, wie Sie wissen sollten.
Wie der span. Außenminister heute recht gut erläutert hat, ist Katalanisch mit rund 10 Millionen Sprechern eigentlich keine Minderheitensprache, auch wenn sie von Chauvenisten und Vox-Politikern gerne als minderwertig erachtet wird.
DiMa
@Priest Hinsichtlich Wales und der EU haben Sie Recht.
Sie haben auch damit Recht, dass es konstruiert klingen mag, nur beachten Sie bitte Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in welcher der benannte Nichtdiskriminierungsgrundsatz festgelegt ist. Dieser bindet jede Behörde in der EU und jede Behörde innerhalb der EU ist damit verpflichtet, einen Antrag in einer anderen amtlichen Sprache zu bearbeiten.
Ich bin übrigens kein Fan der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und halte diese für vollkommen überflüssig (was jedoch für deren Anwendung egal ist).
Amtssprache in Spanien ist das kastillische (siehe Art. 3 Nr. 1 der span. Verfassung). Alle anderen Sprachen sind Regionalsprachen. Und bei rd. 50. Mio. Einwohnern sind ca. 10 Mio. noch immer eine Minderheit (über eine Minderwertigkeit habe ich nichts gesagt).
Priest
@DiMa In Zeiten von künstlicher Intelligenz kann ich solche Sorgen (Bürokratie, Kosten, etc.) nicht nachvollziehen, aber es sind meist die Sprecher der anerkannten Sprachen nebst Chauvinisten, welche solche Gründe anbringen.
Laut Artikel 3 der "vordemokratischen" spanischen Verfassung, welche die Regionalsprachen systematisch weiterhin diskriminiert und welche in vielerlei Hinsicht immer noch nicht an westeuropäische Standards angepasst wurde, ist es die Pflicht, Spanisch zu können und zu verstehen.
Die Rechte der Muttersprachler "historischer Nationalitäten" (laut Verfassung), ihre Sprache z.B. als Kunden zu gebrauchen, verpufft leider in der Praxis, da diese Menschen oft als unhöflich, engstirnig und radikal in der spanischen Presse und hier in Foren verunglimpft werden, und deshalb freiwillig auf ihre Rechte verzichten.
Hier muss dann die Gesetzgebung, die EU und verantwortliche Regierungen den besonderen Schutz der sog. Regionalsprachen ermöglichen und fördern.
DiMa
@Priest Wir hatten das Thema ja kürzlich erst, daher fasse ich mich abschließend und kurz:
Die EU ist nicht dafür zuständig, innerpolitische Angelegenheiten ihrer Mitglieder zu regeln. Auch die europäischen Staaten haben keine Befugnis, sich insoweit in innerstaatliche Fragen einzumischen.
Im Übrigen kann man die spanische Verfassung kaum als vordemokratisch bezeichnen, da diese nach dem Francoregime die Grundlage des heutigen demokratischen Staates bildet und im Rahmen einer Volksabstimmung auch mit überwiegender Mehrheit in allen Regionen angenommen worden ist. Damit hat sie eine stärkere demokratische Grundlage als das deutsche Grundgesetz, welches bis zum heutigen Tag von Bayern noch nicht einmal angenommen worden ist.
Priest
@DiMa Wenn elementare Grundrechte verletzt werden, wird eine innerstaatliche zur EU-Angelegenheit.
Wie alle wissen, wurde die spanische Verfassung (incl. Amnestie für Verbrecher gegen die Menschlichkeit!) mit Vertretern des Franco-Regimes unter Aufsicht des von Franco designierten Nachfolgers und der Militärs ausgehandelt.
Es gibt Zusätze wie die Unteilbarkeit des Staates, die von den Militärs erzwungen wurden.
Deshalb macht ein Referendum, welches im Baskenland übrigens verloren wurde, eine solche Verfassung nicht vorbildlich sondern eher vordemokratisch.
Auch ein von Franco erwähltes Staatsoberhaupt bzw. die Monarchie fördert nicht gerade die Legitimation des Konstrukts.
In vorbildlichen Demokratien werden außerdem Verfassungen modernisiert und den aktuellen Bedürfnissen angepasst.
Spanien befürchtet jedoch eine grundlegende Debatte zur Verfassung und zur Staatsform, weil 1978 der Konsens nur unter Zwang (weiterhin Diktatur oder unsere (frankististisch geprägte parlamentarische Monarchie?) zustande kam.
Tanz in den Mai
@Priest Aber natürlich ist es eine Minderheitensprache, im Hinblick auf das Kastilische, das ungeachtet der verbreiteten Mehrsprachigkeit von der Bevölkerungsmehrheit gesprochen wird. Der Begriff hat nur eine relative Bedeutung, keine absolute. Auch das Französische ist z.B. in Kanada - mit einer grob vergleichbaren Sprecherzahl - eine unstrittige Minderheitensprache.
Das Politisieren von Sprache(n) ist grundsätzlich unschön und hinterlässt leider schnell den Eindruck, dass von Sprechern selbst empfundener Wert oder Sinn sich eben (nur noch) darin erschöpft. Wie allen anderen wäre auch diesen Minderheitensprachen wahrscheinlich weit mehr damit geholfen, über bloß situative, sporadische oder zeremonielle Anlässe hinaus tatsächlich öfter gesprochen zu werden. Optimal nicht gerade dort, wo sie wissentlich nicht verstanden werden (sollen) und das vielleicht auch nicht unbedingt Maschinen und Künstlicher Intelligenz überlassend. Schliesslich ist ein Anlauf wie dieser dann ganz offensichtlich, und wohl oder übel auch kein Glanzstück in puncto Sympathie und Vermarktung.
Priest
@Tanz in den Mai In puncto Sympathie und Vermarktung hat der Zentralstaat natürlich alle Trümpfe in der Hand.
Allein ist oft die Kraft der Bilder entscheidend.
Wer wählt die Photos aus, welche z.B. dpa-Agenturberichte schmücken?
Zum Glück gibt es noch relativ unabhängige Blätter und Journalisten, welche sich nicht kaufen lassen, da sonst die Schlacht nationaler Minderheiten gegen den übermächtigen Zentralstaat ( incl. Pegasus-Bespitzelung unbescholtener PolitikerInnen, als ob es sich um Terroristen handeln würde etc.) schon lange entschieden wäre