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Antisemitismus in Deutschland„Vom Fluss bis zur See …“

Wo bleibt die Solidarität? Ein Appell an Politik, Medien und Wissenschaft: Hört endlich auf, Juden- und Israelhasser in Schutz zu nehmen.

Auf einer antiisraelischen Demonstration in Köln im Mai 2021 Foto: Roland Geisheimer/Agentur Focus

Das Spektrum der An­ti­se­mi­t:in­nen wird breiter. Auch der Ruf nach Mord, worauf der moderne Antisemitismus hinausläuft, wird deutlicher. Links, rechts und in der Mitte ist der Judenhass identitär aufgeladen und projiziert das schlechte Gewissen oder auch Angst auf eine Wahnvorstellung vom jüdischen Volk, das angeblich eine Gefahr für die eigene Gemeinschaft darstelle.

Rechtsradikale wie der Terrorist von Halle, der Ende 2019 betende Jüdinnen und Juden töten wollte, begründen ihren Hass mit der angeblich von Juden organisierten Migration, die das deutsche Volk bedrohe. Sie sprechen von der Bundesregierung als „ZOG“, Zionist Occupied Government, also einer Regierung, die von Juden besetzt sei.

Die Rhetorik gegen Zionisten ist bei linken Antiimperialisten noch stärker verbreitet. Sie projizieren auf den Zionismus und den jüdischen Staat all das, was in ihrem Weltbild böse ist, insbesondere Kolonialismus und Imperialismus. Auf der anderen Seite sehen sie sich und die Palästinenser:innen, die sie in ihrer Überidentifikation mit ihnen als das Ursprüngliche, Rebellische und Unschuldige schlechthin sehen.

Der Autor

Günther Jikeli, geb. 1973 in Köln, ist Historiker und Antisemitismusforscher. Er ist Mitbegründer des International Institute for Education and Research on Antisemitism (IIBSA) in London und Berlin.

Auch Islamisten beziehen sich auf das Reine und Ursprüngliche, allerdings mit Bezug auf den Islam, nach dem es die Gesellschaft auszurichten gelte. Sie glauben nicht, dass der Islam reformiert oder demokratisiert werden sollte, sondern dass er angegriffen wird und dass wir uns in einem von Juden angeführten weltweiten Religionskrieg befinden, in dem Mus­li­m:in­nen die Pflicht haben, den Islam zu verteidigen.

In der Mitte angekommen

Wenn der Antisemitismus auf einige wenige an den extremen Rändern beschränkt wäre, wäre das schlimm genug, aber wir wären in der Lage, den antisemitischen Wahn einzugrenzen und ihn weitgehend unschädlich zu machen. Die Gesellschaft könnte Jüdinnen und Juden ein Gefühl der Sicherheit geben, dass ihnen im Zweifelsfall Solidarität und Hilfe gewiss sei.

Dass dem aber nicht so ist, zeigt sich schon daran, dass Jüdinnen und Juden sich weit­gehend allein gelassen fühlen, dass sie Angst haben, sich in der Öffentlichkeit oder auch in der Schule als Jüdinnen oder Juden erkennen zu geben. Es zeigt sich auch daran, dass Versatzstücke der extremen Ideologien bis weit in die Mitte verbreitet sind. So weit, dass sich die Frage stellt, ob die extremen Ränder der Gesellschaft die Mitte beeinflussen oder ob sich nicht vielmehr der weit verbreitete Judenhass einfach nur offener und mordlustiger an den Rändern äußert.

„Tod den Juden“ wollen nur wenige brüllen. Die meisten An­ti­se­mi­t:in­nen geben vor, nichts gegen Juden zu haben, und leugnen den mörderischen Hass. So auch die Mutter des Terroristen aus Halle. Ihr Sohn habe nichts gegen Juden, erklärte sie im Interview. „Er hat ein falsches Vokabular. „Er hat nichts gegen Juden in dem Sinne. Er hat was gegen die Leute, die hinter der finanziellen Macht stehen – wer hat das nicht?“ Tatsächlich, sie steht mit dieser Meinung nicht allein. Im gleichen Monat, im Oktober 2019, meinten 24 Prozent in einer repräsentativen Umfrage, dass Juden zu viel Macht in den internationalen Finanzmärkten hätten.

Nicht nur der Antisemitismus von rechts, auch der Antisemitismus von links hat eine lange Vorgeschichte. Antizionistische Kampagnen begannen schon unter Stalin, einschließlich der Ermordung jüdischer Intellektueller. Sie intensivierten sich nach dem Sechstagekrieg 1967, als diese dann auch unter westlichen Intellektuellen Fuß fassten.

Die Rolle des Feuilletons

Bis heute sind die Auswirkungen spürbar, beispielsweise mit dem alten Slogan, Zionismus sei Rassismus, was auch im Mai 2021 auf zahlreichen antiisraelischen Demos zu sehen und zu hören war. Die auf Verdrehungen und Fälschungen basierenden Verleumdungen Israels findet sich heute aber auch in deutschen Feuilletons, in denen Israel pauschal des Rassismus, eines „Apartheid-Systems“, bis hin zum Genozid bezichtigt wird. Sie legitimieren damit den nur leicht verdeckten Ruf nach Mord, wenn zur Befreiung „ganz Palästinas“ „vom Fluss bis zur See“ aufgerufen wird.

Daran beteiligen sich auch deutsche Wissenschaftler:innen, wenn sie versuchen, umzudefinieren, was Antisemitismus ist, und die Infragestellung des Existenzrechts Israels vom Antisemitismusvorwurf per Definition auszunehmen. So geschehen mit einer auffallend großen Beteiligung von deutscher Seite an der clever titulierten „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ vom März, die darüber hinaus auch antiisraelische Boykotte in Schutz nimmt.

Dschihadisten hingegen sind für fast alle antisemitischen Morde im Europa des 21. Jahrhunderts verantwortlich, insgesamt 18, die meisten davon in Frankreich. Antisemitismus ist allen islamistischen Bewegungen inhärent, von der Muslimbruderschaft über Millî Görüş und Erdoğans AKP bis zu dschihadistischen Bewegungen wie al-Qaida, Isis und Hamas.

Aber auch unter Mus­li­m:in­nen zeigt sich, dass der Antisemitismus nicht nur an den Rändern unter Islamisten zu finden ist, sondern von vielen übernommen wird, die kein kohärentes islamistisches Weltbild haben. In Ländern wie Algerien, dem Irak oder der Türkei hat die Mehrheit der Bevölkerung antisemitische Einstellungen.

Islamistischer Extremismus

Eine Durchsicht aller bis zum Jahr 2015 veröffentlichten Umfragen zu Antisemitismus in verschiedenen europäischen Ländern, einschließlich Deutschlands, die unterscheiden zwischen muslimischen und nichtmuslimischen Teilnehmenden, zeigt übereinstimmend, dass Antisemitismus unter Mus­li­m:in­nen deutlich stärker verbreitet ist als unter denjenigen, die sich nicht muslimisch identifizieren. Alle nachfolgenden Umfragen bestätigen dies eindeutig und belegen auch, dass dies nicht mit der Einkommensschicht, dem Bildungsniveau oder Diskriminierungserfahrungen erklärt werden kann.

Das trifft auch für Berlin zu, wo in den letzten Wochen besonders viele und aggressive antisemitische Vorfälle zu verzeichnen waren. Der Berlin-Monitor 2019 untersucht auf Basis einer repräsentativen Umfrage Einflussfaktoren für antisemitische Einstellungen. Der bei Weitem größte Einflussfaktor war die Identifizierung als Muslim:in. Etwas abgeschlagen, aber immerhin auf Platz zwei kamen Sympathien für die AfD. Erst dahinter kamen Bildungs- und wirtschaftliche Faktoren.

Das heißt, der Prozentsatz der An­ti­se­mi­t:in­nen ist unter Mus­li­m:in­nen sogar höher als unter AfD Anhänger:innen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Mus­li­m:in­nen auch häufig unter den Tä­te­r:in­nen antisemitischer Vorfälle zu finden sind.

Wie groß deren Anteil an antisemitischen Vorfällen insgesamt ist, lässt sich aber nur schwer sagen, denn antisemitische Vorfälle werden noch immer nur unzureichend erfasst. Der religiöse Hintergrund wird nur erfasst, wenn die Tat eindeutig aus „religiös-ideologischer Motivation“ erfolgt.

Aus Polizeistatistiken lässt sich ein Anteil von über 90 Prozent rechtsextremer Taten an der Gesamtzahl der politisch motivierten, antisemitischen Straftaten herauslesen. Das ist jedoch irreführend, da antisemitische Straftaten, die keiner Ideologie eindeutig zugeordnet werden können, von den Be­am­t:in­nen vor Ort meist als „rechtsextrem“ eingetragen werden.

Tatsächliche Bedrohungslage

Dennoch lag der Anteil der antisemitischen Gewalttaten, die einer „ausländischen“ oder einer „religiösen Ideologie“ zugeordnet wurden, in den letzten Jahren (2017–2019) zwischen 12 und 20 Prozent. Die der rechtsextrem motivierten Gewalt­taten lag zwischen 71 und 85 Prozent.

Zwei voneinander unabhängige Umfragen unter Jüdinnen und Juden (der Europäischen Union/FRA sowie der Universität Bielefeld) zeigen dagegen übereinstimmend, dass Opfer von Antisemitismus Muslime als größte Gruppe von Tätern noch weit vor Rechts- und Linksextremisten benennen.

Die Wahrheit mag irgendwo dazwischen liegen. Muslimischer Antisemitismus ist jedoch keineswegs vernachlässigbar.

Wer das immer noch kleinredet oder wer den Judenhass und die Dämonisierung Israels als „Kritik“ an Israel uminterpretiert, macht sich mitschuldig am wachsenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft.

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14 Kommentare

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  • Kleines 1+1 der Durchsetzung Israels:



    1. es gab keine Alternative nach dem Völkermord. Nach 1945 gab es weitere Angriffe auf Juden in Polen und Rumänien.



    2. zahlreiche Juden, die den Zionismus ablehnten hatten eine "to-do-Liste" abgearbeitet, wohin sie auswandern, umsiedeln, eine Heimat finden könnten:



    Western Australia, Uganda-Plan, Angola-Plan, Texas-Plan, von den Sowjets kam "Birobidschan", von Ribbentrop "Madagaskar-Plan". Nirgends waren sie gewollt.



    Die Freilandliga mit Isaac Nachman Steinberg hatte Western Australia favorisiert. Aus allen Regionen kam Ablehnung und keines schien eine Alternative zu sein - zu Erez.



    Das müssen Sie einfach mal einsehen!

    • @nzuli sana:

      ich täts anders sagen: die palästinenserinnen waren die am leichtesten zu vertreibenden.

      • @christine rölke-sommer:

        Nicht nur. Die übergroße Mehrheit der Juden wollte nach Israel, dem Land, dass sie als historische Heimat betrachteten, wo es bereits eine große jüdische Ansiedlung mit hebräischer Umgangssprache gab und woher ein Großteil der Vorfahren der aschekanasischen Juden auch kamen, wie die heutige Genetik zeigt. Sprache, Kultur und Sehnsucht nach der verlorenen Heimat (nächstes Jahr in Jerusalem!) hatten die Leute 2000 Jahre lang bewahrt.

        • @Plonitalmonit:

          vielleicht denken Sie mal über www.youtube.com/watch?v=HNoFK-EEsZI? da wird aus religiöser/theologischer sicht der unterschied zwischen einer politischen/staatlichen hauptstadt und einem heiligen ort+kultischen zentrum erklärt.



          im übrigen empfehle ich Omri Böhm: Israel - eine utopie. da werden einige vergessee zionistisch ideen wieder in erinnerung gerufen.

  • Auch hier im Forum erkennt man, warum die bürgerliche 'alternative' Linke seit ihrem Abdriften in den identitären Essentialismus für den Schutz unserer jüdischen Mitbürger zu einem Totalausfall geworden ist - und die allemal mehr Grund haben, sich auf die CDU, die Polizei und den Springerverlag zu verlassen - und das nur wenige Jahrzehnte nach dem unvorstellbarsten Menschheitsverbrecher aller Zeiten, das unsere Vorfahren verbrochen haben.

    Dabei sehe ich jedoch keine Brücke zwischen den hiesigen Linken, die durch und durch Bürgerkinder sind, und der späten Politik der SU aus Zorn über die geopolitische Anlehnung Israels an den Westen. Vielmehr gehen die Wurzeln des westdeutschen Antisemitismus zurück auf das Umkippen der unmittelbar nach dem Krieg einsetzenden Israelromantisierung in einen Israelhass, nachdem das Land nach dem gewonnenen Sechstagekrieg aus ihrer Sicht vom 'guten David' zum 'bösen Goliath' wurde. Dass es sich hier aber keineswegs um eine linke Regierungspolitik (an Israel) handelte, sondern um genuinen Antisemitismus, der nur zwischendurch die Form einer Überindentifikation mit "dem Juden" angenommen hatte.

    Hier komme mir niemand mit dem billigen Vorwurf der "Verwechslung" von Antizionismus und Antisemitismus. Der Zionismus entwickelte sich in Deutschland als Reflex auf den tödlichen Antisemitismus der völkischen deutschen Rechten bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert. Ihn, den 90% der deutschen Juden nicht ernstnahmen, generell als Nachkomme der Massenmörder generell zu verdammen, zeigt eine ressentimentgeladene Projektion, die den Kern allen Antisemitismus bildet.

    Auch die im linksidentitären Milieu erfolgende Verschwisterung noch mit den chauvinistischsten arabischen Strömungen ist ähnlich zu bewerten. Vor allem aber besteht deer Sündenfall der identitären Linken in der Aufgabe des aufklärerischen Universalismus zugunsten eines tribalistischen Minderheitenverständnisses. Denn immer verkörperte für Judenhasser "der Jude" den Universalismus.

    • @Anja Böttcher:

      aus der Luft gegriffene Psychologisierungen. Was die identitäre Linke so zu Israel sagt, weiß ich nicht, da stecke ich nicht drin, Universalismus finde ich auch per se besser. Allerdings weiß ich auch nicht wo in der israel. Rechten und ihrer Politik nun der "Universalismus"zu finden sein soll, die ist doch gerade sehr tribalistisch, chauvinistisch, was aus ihrer Warte also doch sehr kritikwürdig sein müsste, oder? Ja, die Juden wurden überall verfolgt, hinzu kam der Holocaust, ein eigener Staat als Savespace hat also eine Berechtigung. Dieser hat sich mit der Staatsgründung erfüllt, die Westbank wird dazu nicht benötigt, der Wunsch sie zu annektieren folgt einzig religiösen und äh,ja, chauvinistischen, tribalistischen Motiven. Als Sahnehäubchen obendrauf: die Wiedererrichtung des Tempels (auf den Trümmern von Al-Aqsa und Felsendom). Universale Menschenrechte, das Bedürfnis und das Recht der Palästinenser nach einem eigenen Staat als Save Space sind der staatstragenden israel. Rechten völlig egal. Wie man dieser Tage wieder gut besichtigen kann sind sie sogar bereit die Demokratie für den Machterhalt im Inneren zu opfern. Rückblickend betrachtet fällt es schon schwer die Politik der staatsgründenden Arbeitspartei und des Histadrut als links u universalistisch zu betrachten. Boykott arabischer Arbeitskräfte, die Vertreibungen sind nun mal alles andere als das. Das war ja alles aus der Not heraus, anders wäre ein Staat nicht mgl gewesen, werden einige sagen. Diese Rechtfertigung gilt aber heute nicht mehr, wenn es auf die Besatzung u weitere Besiedlung kommt. Auch die Naqba lässt sich nicht mehr schönfärben: Für eine Versöhnung und Befriedung des Konflikts wird es nötig sein, das Israel sich hier ehrlich macht und Abbitte u Kompensation leistet. Der arab. Chauvinismus heute ist letztlich der Spiegel des israelischen. Hätte Israel frühzeitig dem Siedlungsprojekt widerstanden o es spätestens mit Oslo beendet, könnte der Konflikt längst vorbei sein.

      • @ingrid werner:

        In der Tat, auch Israel hat dem tribalistischen Nationalkonzept nicht abgeschworen (wer hat das schon, eine weltweit gesehen ganz kleine Minderheit von Staaten bzw. deren Elite, es klappt ja nicht mal in Belgien).



        Was Sie im Folgenden sagen ist grundfalsch:



        "Der arab. Chauvinismus heute ist letztlich der Spiegel des israelischen. Hätte Israel frühzeitig dem Siedlungsprojekt widerstanden o es spätestens mit Oslo beendet, könnte der Konflikt längst vorbei sein."



        Daran stimmt nichts. Über all in Westasien, angefangen vom Balkan blühen die Chauvinismen, warum sollten ausgerechnet die Araber ("der Islam ist die beste Religion", "Arabisch ist die göttliche Sprache", Personenkult von Leuten wie Saddam Hussein) ohne Israel davon eine Ausnahme sein? Die Reaktion auf die erste große Räumung der besetzten Gebiete (derer in Gaza) vor 20 Jahren und das Ende der Besatzung dort waren Raketen auf Israel und die Wahl der Hamas.



        Eher umgekehrt wird ein Schuh daraus, die lange Rechtsdrift der israelischen Gesellschaft ist nicht nur, aber auch eine Reaktion auf den arabischen Extremismus und die Wahrnehmung, dass man mit diesen Leuten keine Kompromisse machen kann und niemals sicher sein wird.

        • @Plonitalmonit:

          nein, es ist andersherum, andersherum ist es auch ein Schuh. Ich sehe ihr Argument nicht, Sie behaupten nur, ohne jede Belege. Ich mach jetzt mal ein Argument auf, eigentlich ganz einfach: Der Anfang des Konflikts liegt an dem Zeitpunkt als aschkenasische Juden nach Palästina einwanderten mit dem Ziel dort einen Staat zu gründen, lange vor dem Holocaust, in ein Land das zuvor dominant arabisch- muslimisch war. Ohne diese Einwanderung hätte es keinen aggressiven Nationalismus gegeben außer vllcht irgendwann gegen die Osmanen oder die Briten. Auch die zuvor in Palästina lebenden Juden waren voll integriert, arabischsprachig, sie unterschied außer ihrer Religion im wesentlichen nichts vom all den anderen Bewohnern, auch hatten Sie keine Absicht einen Staat für sich allein gg die Mehrheitsbevölkerung zu gründen. Diese Konstellation hätte überall, ganz unabhängig von Kultur und Religion zu einem Konflikt geführt, und auch in allen anderen Weltgegenden und Kulturen hätte dies zu einer bewaffneten Auseinandersetzung geführt, auch das Argument, wir waren da schon mal vor 1400- 2000 Jahren, ist in dem Moment nicht so ganz überzeugend, auch in allen anderen Weltgegenden wäre man da wenig kompromissbereit. Die Räumung Gazas ist auch nur einer Balagerung/ Einsperrung gewichen. Man darf die psychologische Komponente nicht vernachlässigen. Was macht das mit Leuten die dauerhaft eingesperrt sind? Wenn Sie sich nur mal vor Augen führen wieviel Leute mit der Corona- Krise hier plötzlich freigedreht sind und sich vorstellen wir wären viele Jahre eingezäunt, vor dem Abzug aus Gaza gab es auch Checkpoints und eingezäunte Gebiete, also gab es schon zuvor eine enorme Belastung für die Zivilbevölkerung, selbst einige intelligente Menschen verlieren da den Halt wenn sie eingesperrt sind, das erzeugt neue gesellschft. Dynamiken. Bin mir sicher, bei uns würden da auch einige Leute nach einiger Zeit anfangen Raketen zu bauen und "extremistisch". Druck erzeugt Gegendruck. 1x1 der Psychologie

      • @ingrid werner:

        ich anschließe mich

    • @Anja Böttcher:

      Respekt! Ein sehr guter Beitrag, dem ich mich nur voll und ganz anschließen kann. Danke!

  • Nachtrag:



    Es wird dann problematisch, wenn Staaten sich über die Religion definieren...



    Aber genau dann muss man zwischen der Religion und dem politischen Gebilde unterscheiden!

  • Sorry,



    bitte unterscheiden Sie zwischen Judentum und Zionismus und dem Statt Israel.



    Das eine ist eine Religion, die jeden Respekt verdient hat und hier muss man gegen jeden Antisemitismus vorgehen.



    Zionismus ist eine "Nationalbewegung und nationalistische Ideologie" (s. Wikipedia, "Zionismus"), gegen den man durchaus sein kann, denn immerhin wurde hier ein Staat auf einem fremden, bewohnten Territorium errichtet und wird heute mit aller Macht durchgesetzt.



    Und Kritik am Staat Israel (zumindest an dem Staat, wie er sich heute politisch präsentiert) sollte erlaubt sein (wie an jedem Staat...) und hat nichts mit Antisemitismus zu tun.



    Wenn man z.B. den Iran, Saudi-Arabien, die Türkei e.a. wegen der dortigen Vorgänge kritisiert (oder den militanten Islam) ist man doch nicht sofort Antischiit, Antisunnit oder Antimoslem...



    Das gleiche gilt für erzkonservative /militante Auswüchse jeder Religion (mit der jeweiligen Verteufelung der anderen Seiten!)

    • @Falkner2010:

      Ich glaube das ein wesentlicher Unterschied ist da aber, dass niemand das Existenzrecht von der Türkei, dem Iran oder meinetwegen irgendeinem anderen Land infrage stellt.



      Meiner Meinung nach ist Kritik an Israel natürlich zulässig, aber man muss halt aufpassen nicht in die Schiene zu kommen, dass man Israel als Gesamtprojekt kritisiert.

      Und selbst wenn man die Zionistische Idee kritisiert, dann Frage ich mich immer: welche Konsequenzen wollen sie denn daraus ziehen? Also jetzt morgen einfach keinen Staat Israel mehr? Und was passiert dann mit den Millionen jüdischen Bewohnern und Bewohnerinnen?

      Es ist doch für Kritik am Zionismus einfach 100 Jahre zu spät. Wir haben halt den Zustand jetzt so wie wir ihn haben und was wir brauchen ist eine Lösung die für alle Menschen dort Frieden bieten kann und das kann doch nur eine Zwei-Staaten-Lösung.

    • @Falkner2010:

      "Zionismus ist eine Nationalbewegung...gegen den man durchaus sein kann,"



      Kann man. Sollte man dann aber nicht auch gegen andere Nationalbewegungen sein, wie z.B. der Palästinenser oder Kurden?

      "wurde hier ein Staat auf einem fremden, bewohnten Territorium errichtet"



      Das Land der jüd.Ansiedlug vor d. Staatsgründung wurde legal von arabischen Landbesitzern erworben. Juden hat es in der Region die ganze dokumentiert Geschichte über gegeben. Das Gebiet war bis 1. Wk. osmanisch. Im/nach den Weltkriegen . WK hat es überall Eroberungen/Gebietsverschiebungen oder Staatsneugründen gegeben, nach denen heute kein Hahn mehr kräht. UN haben damals entschieden, ein kleines Stück der Levante für eine jüdische Selbstverwaltung zur Verfügung zu stellen (wovon ein Teil jüdische Ortsgründungen und dünnst besiedelte Wüste war) u Jerusalem international zu verwalten.



      Wer diesen sehr kleinen Landverlust für die große arabische Welt auch nach 70 Jahren nicht akzeptieren kann, Kriege anfängt und verliert, muss mit den Konsequenzen leben. Die Araber haben die Levante selber auch erobert, vorher lebten dort aramäischsprachige oder griechischsprachige Christen und die Juden, die nach den Vertreibungen durch die Römer und den vorherigen Umsiedlungen durch die alten Reiche noch übrig waren. Die Mischna und der Jerusalemer Talmud sind hier entstanden.

      Ansonsten, ja ich finde auch, dass Kritik an Israel nicht Antisemitismus ist. Wenn man einen so "netten" Nachbarn hat wie die Hamas, ist es dann aber vielleicht auch kein Wunder, wenn man israelischerseits zu dem Schluss kommt, dass man mit diesen Leuten besser keine Kompromisse macht und sie unter der Knute hält.