piwik no script img

Antifa-Aktion gegen BurschenschaftMauer gegen rechts mal praktisch

An­ti­fa­schis­t:in­nen haben die Hannoversche Burschenschaft Ghibellinia-Leipzig eingezäunt. Einige warfen Farbkugeln auf die Villa.

Antifa ist auch Handwerk: die Wand vor der Villa der hannoverschen Burschenschaft Ghibellinia-Leipzig Foto: Michael Trammer

Hannover taz | Wie auf einer Ameisenstraße schlängeln sich am Samstagmittag etwa hundert Menschen schweigend durch die hannoversche Nordstadt. Einige haben Warnwesten an, andere sind vermummt. Zwischen sich tragen sie riesige Holzwände.

Als der Tross in die Rühlmannstraße einbiegt, wird es hektisch. Nach und nach werden die Holzwände vor einer Villa, dem Haus der Burschenschaft Ghibellinia-Leipzig, aufgestellt und verdübelt. „Nazizentren Dichtmachen!“, steht über die gesamte Länge der Wand gesprüht.

Drinnen in der Villa soll um 14 Uhr eine Sitzung des Gesamtvorstandes der Burschenschaft steigen. Laut Semesterprogramm wird normalerweise erst getagt und danach gebechert.

Den An­woh­ne­r:in­nen hinterließen die Ak­ti­vis­t:in­nen Flugblätter, um sie über das Treiben in der Villa zu informiere – einem faschistischen Zentrum, wie die Ak­ti­vis­t:in­nen schreiben. Beispielsweise kann nur, wer zum „deutschen Volk“ gehört (und Student ist), im Männerbund Mitglied werden.

Treff für Rechte

Genauer heißt es in einem Beschluss des Dachverbandes der Deutschen Burschenschaft: „Die deutsche Volkszugehörigkeit ist danach an verschiedene Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur und Bekenntnis geknüpft.“

Die Immobilie wird auch für einschlägige Veranstaltungen genutzt. Hier trug der AfD-Politiker Joachim Paul am 18. November 2023 zum Thema „Schicksalsfrage Einwanderung – warum Remigration nötig und machbar ist“ vor. Das zeigen Bilder. Joachim Pauls Nähe zum rechtsextremen Vorfeld der AfD, deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) und auch Kadern der Identitären Bewegung kann jeder selbst auf den sozialen Medien nachverfolgen.

In der Ghibellinia-Leipzig träfen „Rechtsextremisten auf Unterstützer in bürgerlichen Parteien und finanzstarke Unternehmer“, heißt es in dem Flugblatt weiter. Damit sind vor allem die Mitglieder des Altherrenverbandes gemeint, die teils hohe Posten in großen Unternehmen bekleiden.

Nach 15 Minuten ist die Mauer fertig. Die Gruppe fackelt Pyrotechnik ab und während sich alle zerstreuen, werfen ein paar wenige Christbaumkugeln mit Farbe auf die Fassade. Zu einer direkten Konfrontation zwischen denen im und vor dem Haus kommt es nicht. Erst als die Polizei eintrifft, wagen sich ein paar Burschen heraus.

Polizisten mit Brecheisen

Am Abend steht ein Großteil der Wand immer noch. Eine technische Einheit der Polizei demontiert sie fluchend mit einem Brecheisen. Übrig bleiben die kleinen Löcher, in denen die Dübel saßen. Die Fassade, die voller Farbflecken früherer Attacken ist, hat ein paar frische Kleckse.

Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der Nötigung und des Landfriedensbruchs, wie ein Sprecher der taz sagte. Außerdem sei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Pyrotechnik eingeleitet worden. In der Nähe seien Personen kontrolliert worden. Ob die aber wirklich zur Gruppe gehörten, habe man nicht ermitteln können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • In den Kommentaren: "Danke", "Geil".

    Einen antifaschistischen Schutzwall hatten wir schon früher, der hat eher Menschen denen die DDR misstraute drin gehalten, als Faschisten in West-Berlin eingekesselt. Poröse war dieser Schutzwall z.B. für libanesische Flüchtlinge und Palästinenser*innen, welche vor der durch die Intifada entfesselte Gewalt über die DDR nach West-Berlin flohen (wie viele weiß ich nicht, aber zwei Familien kann ich persönlich bezeugen).

    Als Reaktion auf die Intifadas wurde dann der vom realexistierenden Sozialismus unter Planungshilfe aus Moskau bereits etablierte Mauerbau dann in Israel betrieben und Gaza und de-facto Grenzgebiete in Judea und Samaria, der sog. West Bank (später unter Oslo mit Gebieten A,B und C) so gesichert.

    Dieser Mauerbau wurde entgegen dem ersteren stark von links kritisiert, führte allerdings zu einer starken Abnahme der Todesopfer in Israel, von Tausenden zu einziffrigen.

    Ich halte fest, in der taz Kommentarspalte wird Mauerbau gefeiert, aber nur gegen Burschenschaftler, nicht gegen Kriegsverbrecher.

  • Wenn deutsche Linke mit symbolischen Mauern hantieren, ist das ungefähr so hinreißend wie Konservative, die die Hausfrau als Motiv für einen intakten Haushalt vorzeigen.

    Das lenkt irgendwie vom Problem ab.

  • Nötigung in Tateinheit mit Sachbeschädigung. Geht gar nicht.

  • Danke an die Aktiven. So muss das.

    • @aujau:

      "Danke an die Chaoten. So muss das."

      Herzlichst,



      Alice Weidel

      • @Normalo:

        Die Aktion hat zivilen Ungehorsam und Abgrenzung erzeugt. Sie hat keine Mauer mit Selbstschutzanlagen und Minenfeldern erzeugt. Sie hat die Verbindungen zwischen Nazis und Burschenschaften sichtbar thematisiert. Das ist korrekt und eine gute Aktion. Danke an die Aktiven. So muss das.

      • @Normalo:

        Es ist kein Argument, Dinge nicht zu tun, weil sie vielleicht die AFD stärken könnten....klingt übrigens in diesem Fall nicht so als ob hier "Chaoten" am Werk warn, das ganze wirkt sehr geplant und durchdacht

        • @PartyChampignons:

          Was WÄRE denn ein Argument, sowas zu tun - wenn nicht, den Rechtsaußen das politische Wirken SCHWERER statt LEICHTER zu machen? Mütchen kühlen?

          Und sorry, im Vergleich zu dem absehbaren Negativeffekt, einem weiteren unnötigen Schwung Neuwähler für die AfD zu produzieren, dürfte es einen zu vernachlässigenden Positiveffekt haben, ein kleines Häufchen korporierter Rechtsextremer mal für einen Tag geärgert und an den Pranger gestellt zu haben. Gerade wenn man die als Hinterzimmer rechter Machtgelüste begreift, sollte doch klar sein, dass die das keinen Millimeter zurückwirft, wenn vor der Tür Bambule ist.

          ...und wie gut geplant die Aktion war, dürfte auch die - hier in concreto natürlich fiktive - Wortwahl einer A. Weidel oder die Einschätzung der Klientel, die sie anspricht, nicht groß beeinflussen. Jeder (nicht nur die Rechten) weiß, wer mit "Chaoten" gemeint ist, und das reicht schon.

  • Ein offenbar übler Verein.



    Dennoch. Freiheitsberaubung? Ich weiß ja nicht...

  • Geile Aktion!

  • 'Die Gruppe fackelt Pyrotechnik ab und während sich alle zerstreuen, werfen ein paar wenige Christbaumkugeln mit Farbe auf die Fassade.". Und das alles schwarz vermummt, wie Verbrecher.

    Mir fehlt ein bisschen die Verurteilung dieses demokratischen Akts im Artikel.

    • @Wonneproppen:

      Ziehen sie weiter hier gibt es für sie nix zu gewinnen. Antifaschismus darf schon auch mal wehrhaft sein. Wenn sie das als undemokratisch ansehen, was ist dann die Organisation im Haus. Immer nur nett auf Nazis hinweisen reicht halt nicht. Und jetzt kommen sie mir nicht damit, dass diejenigen die Nazis mit Gewalt bekämpfen letztendlich auch nicht besser seien. Entscheidend ist schließlich auch die völkische Ideologie.

      • @wirklich?:

        "Ziehen sie weiter hier gibt es für sie nix zu gewinnen"

        Richtig erkannt. Schließe mich voll und ganz an.

      • @wirklich?:

        Manche brauchen aber auch nur einen Vorwand, um ihre Gewaltphantasien auszuleben..

      • @wirklich?:

        "Entscheidend ist schließlich auch die völkische Ideologie."

        "Auch" ist nicht "nur". Das ist der Punkt, an dem sich die selbsterklärten Bestrafer von Thought Crime an die eigene Nase packen sollten.

        Entscheidend sind vor allem Hass als Motivation und Repression als Mittel. Beides hat in einer demokratischen Zivilgesellschaft nichts zu suchen - weder in Aktion noch in Reaktion. Wer sich davon freisprechen kann, werfe den ersten "Notwehr"-Pflasterstein...

        • @Normalo:

          Ziviler Widerstand und ziviler Ungehorsam sind Kernelemente einer jeden Demokratie. Daraus beziehen sowohl die Letzte Generation als auch die Antifa ihre Legitimation.

          Die Protestaktionen braucht der brave Bürger nicht gutheißen, ändert aber nichts an ihrer Legitimation und wie die gegenwärtigen Zustände aufzeigen, an ihrer Notwendigkeit.

          Die Rechtmäßigkeit und die Art der Proteste sind wiederum ein anderes Thema.

          Und Menschen die sich im Kampf gegen Antifaschismus engagieren pauschal als Chaoten zu bezeichnen, ist schon reichlich selbstgerecht.

          • @Sam Spade:

            "Ziviler Widerstand und Ungehorsam" ist aber weder Selbstzweck noch erfüllt er sich in einer Unverhältnismäßigkeit der Mittel. Im Gegenteil setzen ihn derart repressive Mittel ihn in den Augen vieler Leute (also solchen AUSSERHALB der ohnehin hundertfuffzigprozentig überzeugten Blase der "Widerständler") nicht nur juristisch sondern auch moralisch ins Unrecht. LG und Antifa sind eben bei der Mehrheit NICHT "legitimiert" sondern vielmehr augenfällige Beispiele von Leuten, die vor lauter Überzeugtheit, dass ihre Sache SO gerecht sei, dass die Gesellschaft die Wahl der Mittel gefälligst ihnen zu überlassen hätte, aus den Augen verlieren, was für einen ausgemachten Bärendienst sie besagter Sache damit erweisen.

            ps das Wort "Chaoten" habe ich oben bewusst (und natürlich fiktiv) der dankbaren Rechtspopulistin in den Mund gelegt. Über deren Selbstgerechtigkeit müssen wir zwei nicht streiten, schätze ich. Über den unerfreulich starken Resonanzraum, den GENAU diese Sorte Selbstgerechtigkeit bei Teilen des Wahlvolks hat, aber im Zweifel auch nicht.

          • @Sam Spade:

            War als Antwort auf die Kommentare von @normalo gedacht.

            • @Sam Spade:

              Geehrter @normalo im Text ist mir ein Fauxpas unterlaufen. Es muss im letzten Absatz selbstverständlich "gegen Faschismus engagieren" heissen. Entschuldigung für das Missgeschick.