Anschlag in Magdeburg: Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Indem er ihre Narrative verbreitete, bediente er die Agenda von Rechtsextremist:innen. Und sorgt so dafür, dass sich Migrant:innen unsicher fühlen.
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B ei Anschlägen wie dem am Freitagabend in Magdeburg sind nicht nur die direkt Betroffenen das Ziel. Die Täter:innen wollen in der Regel Angst und Schrecken verbreiten, für Chaos sorgen. Das hat auch der Täter in Magdeburg getan, indem er mit einem Auto durch den belebten Weihnachtsmarkt fuhr. Bislang gibt es fünf Tote, darunter ein Kind, und 200 zum Teil Schwerverletzte. Bei rund 40 von ihnen muss man weiterhin um ihr Leben bangen. Hinzu kommen ungezählte Traumatisierte. Der Schock sitzt tief. Bundesweit überlegen Menschen nun, ob sie noch Weihnachtsmärkte besuchen. An vielen Orten wurden die Sicherheitsmaßnahmen erhöht.
Doch ungeachtet dessen hört der Schrecken des Anschlags nicht auf. Denn abseits des Gedenkens ist die Situation für Migrant:innen in Magdeburg bedrohlicher. Obwohl der Täter öffentlich rechtsextreme Narrative reproduziert hatte, betonen Neonazis und andere Rechtsextreme jetzt seine saudi-arabische Herkunft und den Anschlagsort Weihnachtsmarkt, um Stimmung für ihre migrationsfeindliche Politik zu machen. Dass der Täter Deutschland vorwarf, zu viele Geflüchtete aufzunehmen und verschwörerisch eine Islamisierung Europas voranzutreiben, klammern sie aus oder negieren es sogar. Die Faktenlage interessiert offenbar wenig. Stattdessen motivierte der Anschlag Rechtsextreme in Magdeburg dazu, Migrant:innen anzugehen, sie zu beleidigen und zu schlagen.
Die ersten Übergriffe gab es Berichten zufolge schon in der Nacht des Anschlags. Während dann am Samstagabend mehr als tausend Menschen vor dem Magdeburger Dom still der Opfer gedachten, zogen laut Polizei rund 2.100 Rechtsextreme brüllend und mit Böllern werfend durch die Stadt. Viele von ihnen waren vermummt, sie forderten „Remigration“, bedrängten Journalist:innen und verbreiteten dabei vor allem eins: Angst.
Genau das wollte auch der Täter, er hat also, im schlechtesten Sinne, sein Ziel erreicht. Und so warnten sich migrantische Communitys in Chatgruppen vor der rechtsextremen Demo. Wer rausgehe, solle nicht allein unterwegs sein und den Kundgebungsort meiden. Manche blieben zu Hause, andere sollen zur Sicherheit sogar die Stadt verlassen haben.
Auch andernorts nutzten Rechtsextreme das Gedenken an die Opfer aus. Bei einem Fußballspiel in der dritten Bundesliga stimmten die Fans von Dynamo Dresden rassistische Gesänge an. Es ist niederträchtig, den Anschlag für die politischen Ziele zu instrumentalisieren. Das Gedenken an die Opfer, die Trauer der Hinterbliebenen und die Versorgung der Verletzten sollte jetzt im Fokus stehen. Gleichzeitig darf der Schock nicht dazu führen, dass Rechtsextreme ihrer Gewalt gegen vermeintliche und wirkliche Migrant:innen oder politisch Andersdenkende einfach freien Lauf lassen.
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