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Anarchistische Proteste gegen KonsumSolidarität macht erwachsen

Konsum macht Kinder zu Erwachsenen und Erwachsene zu Kindern. Er lenkt ab von Missständen, gerade an Weihnachten. Einige Tipps für mehr Solidarität.

Solidarität in konsumgeilen Zeiten: Wohnungsloser in Hannover löffelt Eintopf vom Kältebus Foto: Moritz Frankenberg/dpa

E rwachsenwerden – das wird uns fast so früh eingeimpft wie die Lehre von den zwei Geschlechtern – ist vor allem bestimmt von Arbeit und Konsum. Das muss mensch nicht schlimm finden. Auch beim Geschlecht und bei der Sexualität geben sich die Dinge ja ganz selbstverständlich – zumindest für die heteronormative Mehrheit.

Der Weihnachtsexzess führt den Kindern dann beides in Festform vor Augen: Konsum und die heilige Heterofamilie. Dafür, so die Devise, lohnt es sich, zu arbeiten. Tritt mensch aber einen Schritt zurück und reibt sich die Augen, scheint es fast fahrlässig, solche Prozesse wie Naturereignisse über sich und andere ergehen zu lassen.

Denn, anders als das Coronavirus sind sie menschengemacht. „Kinder“, schreibt der Marketingexperte James U. McNeal, „lernen ihr Konsumverhalten von zwei Parteien: den Eltern und den Werbeleuten.“ Über die emotional-materiellen Tauschgeschäfte zwischen Eltern und Kindern wird selten gesprochen. Auch nicht über den Druck aus der Werbung, Kita und Schule.

Und – wie die eigene Erfahrung zeigt – das Kindermarketing setzt wieder verstärkt auf Geschlechterbinarität. Warum sollte Firma X nur ein Kindershampoo (Kriterium: brennt nicht in den Augen) anbieten, wenn sich Geschwisterkindern auch zwei Produkte („Frozen“ oder „Little Princess“ für Mädchen, „Piraten“ oder „Fußball“ für Jungen) andrehen lassen?

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Sobald die Bürger*innen dann im Sinne von Arbeit erwachsen werden, dürfen sie im Sinne von Konsum wieder zu Kindern werden: Sich essen liefern lassen, fernsehen oder netflixen, so lange sie wollen und sich bei Bier oder Prosecco erzählen, wie doof „die Jungs“ oder „die Mädels“ sind.

„Work hard, play hard“ bedeutet mehr als ein gutes Einkommen durch Arbeit. Das liberale Motto treibt Erwachsene von rechts bis links. Krisen aber verlangen nach Einsicht ins Menschengemachte- und mögliche. Der Rückzug ins Private ist keine Lösung.

Weihnachten lahmlegen

Schon im letzten Jahr luden anarchistische Aktionstage unter dem Schlagwort #keinmachten ein, Weihnachten als den ritualisierten Höhepunkt des westlichen Kapitalismus zu stören. In Bochum wurde die Zufahrt eines der größten Shopping-Center Europas besetzt.

In Münster wurden zwei der drei heiligen Könige aus Krippen geklaut, um auf unmenschliche Verhältnisse in Geflüchtetenlagern und an den europäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen. In Dresden und Dortmund fanden Treffen für Leute statt, die „keine Lust auf Xmas, Family oder alleine sein haben“. Auch 2020 heißt es: „Seid kreativ, widerständig und passt aufeinander auf!“ Unter dem Hashtag werden Aktionen auf Social Media zusammengeführt (1.-24.12, dezentral & online).

Auf die dramatische Situation von Geflüchteten möchte auch eine Fahrraddemo in Berlin unter dem Motto „Geflüchtete schützen! EU-Asylpakt stoppen!“ aufmerksam machen. Das Lager „Moria 2“ ist überfüllt und nicht winterfest. Im Mittelmeer werden Rettungsschiffe daran gehindert, Ertrinkende aus dem Wasser zu ziehen.

Gleichzeitig berät am 3.12. der EU-Innenrat das EU-Asylpakt, mit dem Haftlager und Schnellverfahren an Europas Außengrenze ausgebaut werden sollen. Der Fahrradkorso soll am Bundesinnenministerium und der CDU-Zentrale vorbei bis zum Breitscheidplatz fahren (Samstag, 28. 11, 14 Uhr, Alexanderplatz).

Auch im Mietshaus und auf der Straße davor gibt es Möglichkeiten, denen zu helfen, die in der dunklen Jahreszeit und in der Pandemie leiden. Bei solchem Engagement jenseits von Konsum besteht allerdings die Gefahr, tatsächlich erwachsen zu werden. Und dem Kern der Weihnachtsgeschichte nahezukommen: einer Geburt unterwegs, einer Familie auf der Flucht, der Menschwerdung.

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Stefan Hunglinger
Redakteur im Politik-Team der wochentaz. Schreibt öfter mal zu Themen queer durch die Kirchenbank. Macht auch Radio. Studium der Religions- und Kulturwissenschaft, Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Mehr auf stefan-hunglinger.de
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