An der Selbstscan-Kasse: Karmapunkte sammeln im Supermarkt

Bezahlen heißt in Lebensmittelläden meist: warten. Die Alternative: Kassen zum selber scannen. Doch dabei stellen sich mitunter existenzielle Fragen.

Ein Barcode

Wenn es am Laufband länger dauert: Einfach selber scannen! Foto: YAY Images/imago

Kürzlich stand ich im Supermarkt an einer Selbstscan-Kasse. Wie ich dahin gekommen bin ist ein bisschen kompliziert. Es hatte jedenfalls mit einer sehr langen Schlange von Menschen an der Laufband-Kasse zu tun, einem Geräusch, das nach zerbrochenem Glas klang und einer etwas flehenden Bitte der Kassiererin.

Und was soll ich sagen? Es war dann meine beste Technik-Erfahrung seit langem. Die Bedienung an der Selbst-Scann Kasse war intuitiv, samt Bildern für alle, die sich mit Buchstaben schwer tun. Es gab ein funktionierendes Touch-Display, eine Möglichkeit zum Barzahlen und nirgends gab es Probleme, nirgends. Ein technischer Prozess, der keine Fehlermeldungen produziert, der keine Verbindungsprobleme hat, keine fies klingenden Warntöne von sich gibt, der nicht etwas anderes macht als erwartet und der ganz ohne eingefrorenen Bildschirm endet.

Selbstscan-Kassen haben das Zeug, die Gesellschaft in zwei Hälften zu teilen. Und diese Eigenschaft haben sie mit ziemlich vielen technischen Entwicklungen gemeinsam. Android oder iOS? Nachricht tippen oder Sprachnachricht? Cookie-Ablehnmenü oder alles akzeptieren? Elektronische Patientenakte oder Röntgenbilder von Arzt zu Ärztin tragen? Und in der Kassenfrage manifestiert sich direkt eine ganze Reihe von Konfliktlinien: Eile versus Entschleunigung. Mensch versus Maschine. Alles-wie-immer versus alles-neu. Kleiner Schnack versus meditatives Schweigen.

Aber manchmal rücken diese ganzen Grundsatzfragen in den Hintergrund und es geht nur darum, wie man schnellstmöglich mit der Nudelpackung wieder aus dem Laden kommt. Diese ich-hab-doch-nur-drei-Sachen-Käufer:innen sind schließlich die klassische Zielgruppe der Selbstscan-Kassen. Positiver Nebeneffekt für die Angehörigen der XXL-Wocheneinkauf-Fraktion: Sie müssen sich nicht ständig damit auseinandersetzen, wie viele Menschen mit wie wenigen Waren sie vorlassen müssen, um ihr Karmakonto wieder in den positiven Bereich zu kriegen.

Jedenfalls: Nach der Kassen-Erfahrung fragte ich mich, warum nicht mehr Technik so sein kann wie diese Kasse. Einfach zu bedienen, super Datenschutz dank Bargeldzahlung und funktionstüchtig, wenn man sie braucht. Ob es an der Auffassung von Software als Bananenprodukt liegt – reift bei den Kund:innen? Oder daran, dass in Zeiten, in denen sich nicht einmal alle Menschen darauf einigen können, dass die Erde rund und der Klimawandel ein Problem ist, das gemeinsame Schimpfenkönnen über Technik etwas sehr Verbindendes hat?

Für diesen Fall rechne ich bei der nächsten Generation von Selbstscan-Kassen mit entsprechenden Anpassungen: Eingebauten Kameras, ausgebauten Bargeldfächern oder umgebauter Programmierung, die Äpfel als Birnen abrechnet. Und perspektivisch natürlich mit einer Künstlichen Intelligenz, die schon weiß, was ich kaufe, bevor ich auch nur den Laden betrete. Ich werde dann wohl wieder die Seite wechseln, rüber zur Laufband-Kasse. Zumindest, wenn es sie dann noch gibt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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