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Aktuelle Daten zum KlimawandelDie CO2-Pleite rückt näher

Seit 2020 hat sich das CO2-Budget für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze halbiert. Grund sind hohe Emissionen und ein aktualisiertes Klimamodell.

Im Juni hüllen Brände in Kanada New York in Rauch Foto: Jashim Salam/NurPhoto/imago

Berlin taz | Neue Daten zur Klimakrise zeichnen ein düsteres Bild: Die vom Menschen verursachte Erderhitzung hat das Jahrzehnt von 2013 bis 2022 bereits um durchschnittlich 1,14 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmt, heißt es in einer neuen Studie im Fachjournal „Earth System Science Data“. Mittlerweile nehme die Erwärmung mit einer Geschwindigkeit von über 0,2 Grad pro Jahrzehnt zu, so die Wissenschaftler*innen.

Die Au­to­r*in­nen berechneten auch die verbleibenden CO2-Budgets für verschiedene Klimaziele neu. Demnach hat sich das Budget, um die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderhitzung mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einzuhalten, seit der Veröffentlichung des IPCC-Berichts bereits halbiert. War dieser noch von 500 Milliarden Tonnen CO2 ausgegangen, sind es seit Anfang des Jahres 2023 nur noch 250.

Für Prognosen, die eine höhere Wahrscheinlichkeit des Erfolges beinhalten, ist dieses Budget noch geringer. Um mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit die Grenze noch einzuhalten, bleiben nur noch 150 Milliarden Tonnen CO2 – bei dem jetzigen Treibhausgasausstoß wären diese bis 2026 aufgebraucht. Das zu 2020 berechnete Budget aus dem Weltklimabericht hätte bis 2029 gehalten.

Je früher Emissionen reduziert werden, desto länger hält das Budget. „Eine rasche und strikte Verringerung der Treibhausgasemissionen könnte jedoch die Erwärmungsraten in den nächsten 20 Jahren halbieren“, so die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Wissenschaftler. Dass das Budget geschrumpft ist, liegt an dem Berechnungsmodell des Weltklimarates (IPCC), das auf Basis des neuesten Weltklimaberichtes aktualisiert wurde.

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Zu wichtigen Klimaindikatoren soll es dem 50-köpfigen Team – darunter Au­to­r*in­nen des Weltklimaberichts – zufolge künftig jährlich aktualisierte Werte nach Vorbild der Methodik des IPCC geben. Maßgebliche Quelle für wissenschaftliche Informationen zum Zustand des Klimas bleibe der IPCC, bei dem die Bearbeitungszeit für Bewertungen aber fünf bis zehn Jahre betrage.

„Die Zeit ist nicht mehr auf unserer Seite“, sagt Projekt-Koordinator Piers Forster. „Der Zugang zu aktuellen Informationen ist von entscheidender Bedeutung.“ Derzeit reichen den Ex­per­t*in­nen zufolge weder Tempo noch Umfang der Klimamaßnahmen aus, um die Eskalation klimabedingter Risiken zu begrenzen.

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16 Kommentare

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  • Verlässlich



    Zumindest was verlässlich erscheint, an gebotenem Zahlenmaterial, kann mensch erstmal glauben und ins eigene Weltbild verbuchen. Was aber tut leser mit folgendem Satz ??? - "Die vom Menschen verursachte Erderhitzung hat das Jahrzehnt von 2013 bis 2022 bereits um durchschnittlich 1,14 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmt"

    Entweder beträgt die Erwärmung von 2013 auf 2022 1,14 Grad.



    oder die Erwärmung zwischen vorindustrieller Zeit und 2022 beträgt 1,14 Grad.



    Was denn nun ? Den nicht zutreffenden Rest aus dem Satz muss mensch ersatzlos streichen, so wie jetzt ergibt er überhaupt keinen Sinn. Darauf allerdings ist Verlass ...

    • @lesnmachtdumm:

      Ja, ja, habs nach nur 5 Tagen oder so dann doch noch kapiert. Für Nichtsoumdieckedenker wie meine Wenigkeit wär es verständlicher etwa so formuliert gewesen: Der Durchschnittswert der 10 Jahre von 2013 bis 2022 lag um 1,14 Grad über dem Wert der vorindustriellen Zeit.

  • Die Bremser bei der Dekarbonisierung haben in den letzten 30 Jahren aus unterscheidlichen Gründen ganze Arbeit geleistet - beim Ausbau der Erneuerbaren und dem Ausbau der Kernkraft. Zeit für "all in".

    • @Pi-circle:

      Ja, und haben wir daraus gelernt, wie schädlich Neoliberalismus und Lobbyismus in der Politik ist, und dass dieser unterbunden werden muss?

      Nein, ich habe den Eindruck, dass dieser Einfluss sowohl in der Bundesrepublick, als auch im Besonderen in der EU besonders stark geworden ist.

  • " aktualisiertes Klimamodell "

    Die aktuelle Klimaentwicklung (2000-2022) sieht man am besten hier:

    ceres.larc.nasa.go...d_presentation.pdf

    " Satellite and in situ observations independently show an approximate doubling of Earth's Energy



    Imbalance (EEI) from mid-2005 to mid-2019 "

    Das Erdenergie-Ungleichgewicht (EEI) ist der wichtigste Wert aller Klimaparameter und entscheidet darüber, wie schnell die Erderwärmung stattfinden wird.

    Seit 2000 hat eine abnehmende Erdalbedo (weniger Wolken, Eis- & Schneealbedo) als gewichtigster Faktor den Hauptteil der Erderwärmung zu verantworten, was weder die NASA noch der IPCC ausreichend kommuniziert.

    Ein aktualisiertes Klimamodel sieht dann so aus:

    climateprotectionh...0finish.png?w=1024

    Es zeigt die Entwicklung der Energieströme zwischen 2000 (kleine Ziffern) und 2020 (große Ziffern).

  • Alles über 2 Grad wird wohl den Zusammenbruch der Zivilisation bedeuten. Ist doch toll, dass wir das vorraussichtlich noch zu Lebzeiten der Boomer hinbekommen. Dann erleben die zum Lebensabend noch die Konsequenzen ihrer eigenen Taten. /s

    • @Okti:

      Das von Ihnen entworfene Szenario wird davon abhängen wann am Südpol das Eis ins Rutschen kommt. Wann das sein wird weiß niemand.

  • "Grund... (ist)... ein aktualisiertes Klimamodell."



    Der ist gut.

  • Das 1,5 Grad ist mittlerweile völlig unrealistisch (falls es jemals realistisch war). Der IPCC sagt seit langem, daß das 1,5-Grad-Ziel nur bei massiven globalen Anstrengungen noch vor 2030 machbar sein könnte. China, Indien und andere sagen ganz klar, daß sie dazu nicht bereit sind. China lehnt jegliche Zusagen für eine Begrenzung der Emissionen bis 2030 strikt ab. Damit ist klar, daß 1.5 Grad nicht geht.



    Man sollte also über 2 Grad reden. Klar, bei 2 Grad gibt es mehr Probleme als bei nur 1,5 Grad.



    Aber wenn man jetzt rhetorisch so tut, als würde bei Punkt 1,5 Grad die Welt untergehen, dann kann das nur zu Verzweifelung, Hoffnungslosigkeit oder Eskapismus führen. Nicht aber zu einer sinnvollen Klimapolitik.

    • @yohak yohak:

      Das Thema Dekarbonisierung wird uns alle noch bis weit in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts beschäftigen. Selbst das Ziel von China (C02-Neutralität bis 2060) ist sehr wahrscheinlich überambitioniert. Zusätzlich zu den Erneuerbaren wird es Kernkraft und mittel bis langfristig Kernfusion erfordern. Die einseitige Festlegung auf Erneuerbare ist nicht nur naiv sondern auch verantwortungslos. Eines ist dabei auch klar: eine weniger einsetige Energiepolitik würde den gesellschaftlichen Konsens für die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele deutlich erleichtern.

      • @Pi-circle:

        Nukleare Energiegewinnung kannste dir leider abschminken, die kann mit der verfügbaren Technik garnicht signifikant Energie gewinnen. Für Kernspaltung im großen Stil gibts nicht genug geeignetes Uran, und signifikante Aufbereitung will niemand machen derzeit. Man kann also die Kapazitäten in Spaltreaktoren derzeit garnicht hochfahren. Die jetzige Flotte hat das geeignete Uran schon in ~150 Jahren verbraucht. Bleiben vielleicht langsame Brüter, aber da weiß keiner ob die realistisch auch gehen. Prototyppahase, ein Massenweises Deployen vielleicht 2060-2070 möglich. Bis dahin sollten wir längst alles decarbonisiert haben sonst ist eh essig.



        Und von Kernfusion braucht man garnit anfangen. Da ist nicht mal klar, ob man das nötige Tritium erzeugen kann, davon Q-total positiv uns kostendeckend zu bekommen gar zu schweigen. Fusion, haha, vielleicht in hundert Jahren, wenn überhaupt.



        Es bleibt einfach nix außer erneuerbarer Technik, Sonne, Wind, Gezeiten, Geothermie usw. Die Batterietechnik für globale Speicher im TWh Bereich ist auch inzwischen vorhanden. Wir müssen einfach wieder anfangen mit der Natur zu leben, also ihr Energieanhebot mehr nutzen wenn es da ist, und weniger wenn es fehlt. Bestimmte Energieintensive Industrie muss und wird vermutlich auch einfach Saisonal, so wie es auch schon immer andere Wirtschaftsbereiche gab die Saisonal sind, Landwirtschaft, Tourismus usw.

        • @Jasmin Reeh:

          "Vorhanden"



          ... die Batterietechnik. Die Rohstoffe dafür auch ?



          Und wieder werden weitere Landschaften umgegraben vergiftet verwüstet für eine Technologie. Da erneuerbart sich dann garnix - und wir hier fahren, batteriebetrieben mit anderthalbmalsoschweren Autos, weiter fröhlich zum Brötchenholen.



          Wenn Landschaftszerstörung für Energiekonsum, dann immer NUR beim Verbraucher direkt überm Gartenzaun: Pumpspeicherwerke in die deutsche Landschaft. BaWü-Minister Untersteller wollte eins im Südschwarzwald und wurde ausgebremst. Schön für unsre Landschaft, aber stattdessen Argentinien umgraben für "unser" Lithium: Das geht garnicht. Batterieautos wie stationäre Batteriespeicher sind, auch wenn das viel zu 'natürlich' klingen mag: ein Holzweg. taz.de/Grosse-Stra...789&s=Argentinien/

    • @yohak yohak:

      Die von Ihnen genannten Staaten haben laut Klimarat aber deutlich länger aufgrund ihres geschichtlich niedrigen ausstosses. Wie wäre es wenn Sie den Finger stattdessen auf Hauptverursacher wie USA oder Deutschland zeigen würden, und da mehr fordern?

      Auch lustig ist wie Sie so tun als ob 1,5 oder 2 Grad einfach nur ein kleiner Unterschied von Anpassung sei. Nur als kleine Info: im Moment sind wir bei nur 1,1 Grad und in größeren teilen Deutschlands fängt Wasserknappheit an. Vom globalen Süden, den Hauptleidenden gar nicht zu sprechen.

    • @yohak yohak:

      "mehr Probleme" scheint mir für das Überschreiten der Grenzen der Anpassungsfähigkeit doch arg untertrieben.

  • Na, nach diesem gut recherchierten Artikel könnte es jetzt doch an der Zeit sein für ein Update für die CO2 Uhr in der TAZ?

    Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind die dort immer noch angezeigten 6 Jahre wohl zu halbieren, oder?

    Solche Rückwärts-Uhren für ein angeblich noch vorhandenes CO2 Budget sind Beruhigungspillen für Kriegstreiber, Vielflieger, Kreuzfahrttouristen, Massentierhalter, Zementhersteller und Betreiber von fossilen Kraftwerken.

    Und mal ganz ehrlich, alle Klimawissenschaftler wissen durch ihre Forschung, das die Zeit für ein eventuell noch zu erreichendes (imaginäres) 1,5 Grad Limit schon abgelaufen ist (Siehe auch die "Time is up" Vorträge von Dr. Mark Benecke).

    • @Goldi:

      "von Dr. Mark Benecke"



      Ob ausgerechnet der eine seröse und qualifizierte Referenz für Klimafragen ist scheint mir doch eher zweifelhaft.