piwik no script img

Aktivistin zu Landratswahl in Thüringen„Nicht zu schnell Nazi schreiben“

Das Bündnis „Dorfliebe für alle“ hat den CDU-Wahlsieger Herrgott unterstützt – obwohl es mit dessen politischen Überzeugungen nicht übereinstimmt.

Positionen von der AfD übernommen? CDU-Plakat vor der Landratswahl in Pößneck, Saale-Orla-Kreis Foto: Daniel Biskup
David Muschenich
Interview von David Muschenich

taz: Frau Grundmann, der AfD-Kandidat Uwe Thrum hat die Wahl verloren. Das war doch das Ziel Ihres Bündnisses „Dorfliebe für alle“. Ende gut, alles gut?

Lena Grundmann: Stimmt, das Ziel bei dieser Landratswahl wurde erreicht. Aber wir als Bündnis wollten von vornherein langfristig politisch arbeiten – zum Beispiel am Demokratieverständnis. Deswegen sind wir so gesehen noch nicht fertig, noch nicht am Ziel.

Nun ist Christian Herrgott (CDU) der neue Landrat. Ihr Bündnis hat nicht direkt zu seiner Wahl aufgerufen.

Nein, und das war für uns nicht leicht. Wir kritisieren Christian Herrgott immer noch an vielen Stellen, weil er ja einige seiner Ziele scheinbar eins zu eins von der AfD übernommen hat. Aber für uns stand im Vordergrund, die AfD zu verhindern.

Wenn er nun Landrat ist, wollen Sie mit ihm zusammenarbeiten?

Im Interview: Lena Grundmann

Lena Grundmann ist 23 Jahre alt und eine von 20 Ini­tia­tor:innen des Bündnisses „Dorfliebe für alle“. Sie arbeitet beim Rettungsdienst und lebt in Neustadt an der Orla.

Da spiegelt sich wider, dass unser Verständnis von Politik und Demo­kratie mehr ist als das, was in den ­Parlamenten passiert. Uns geht es darum: Wie gestaltet man eine ­Nachbarschaft, sein Dorf oder eben das Leben in der Kleinstadt? Da wollen wir auch in Zukunft für unsere Werte einstehen, damit die durch den Landrat vertreten werden. Von der Parteienpolitik wollen wir uns nicht abhängig machen. Natürlich spielt es eine Rolle, wie diese Wahl gezeigt hat, wenn eine ­rechtsextreme Partei droht, an die Macht zu kommen. Das kann auf jeden Fall große Veränderungen bringen. Aber eigentlich wollen wir das mehr im praktischen Alltagsleben angehen.

Fast die Hälfte der Wäh­le­r:innen hat trotzdem für Thrum gestimmt, und auch Herrgott kommt bei vielen gut an. Wie wollen Sie die überzeugen?

Wir planen nun die weiteren Schritte. Jetzt, wo die Situation etwas entspannter ist, wollen wir uns erst mal in Ruhe zusammensetzen und uns austauschen. Dann wollen wir die Menschen im Saale-Orla-Kreis besser kennenlernen: Denn wir sind nur 20 Menschen beim Bündnis, und da kann man natürlich nicht direkt auf 80.000 weitere schließen.

Also stehen erst mal viele Gespräche an?

Genau, und mit den Gesprächen eine gemeinsame Grundlage zu erarbeiten, eine gemeinsame Kritik an den Entscheidungen der letzten Jahre zu entwickeln. Die haben ja zu der aktuellen Situation geführt. Von da aus können wir weitere Lösungen angehen. Das wird ein schwieriger Weg. Aber solange wir den angehen und versuchen, wieder mehr zusammenzukommen und ins Gespräch zu gehen, ist es auf jeden Fall möglich. Allerdings heißt das hier, grundsätzlich nicht mit Rechten zu reden, geht an der Realität vorbei.

Auf dem Land muss man mit Rechten sprechen?

Ja, und ich glaube, man darf auch nicht zu schnell die Kategorien „Nazis“ über alles und jeden schreiben.

Auf Ihren Kundgebungen gegen die AfD kam es immer wieder zu Konfrontationen mit Rechten.

Natürlich kommt es da zu Konfrontationen. Gerade wenn sich eine Polarisierung so deutlich abzeichnet. Aber es gibt auf jeden Fall noch die Möglichkeit, nicht zwischen die Fronten Mauern zu ziehen, sondern die Fronten zu überwinden.

Seit dem Bericht über ein Geheimtreffen der AfD protestieren bundesweit hunderttausende Menschen ­gegen die AfD. Was hat sich dadurch für Sie geändert?

Das ist eine sehr spannende Frage, und ich kann die auch noch gar nicht richtig beantworten. Aber ich glaube, wie sich Politik verändern wird, wird nicht in den Städten entschieden. Ich glaube vielmehr, gerade was den Rechtsruck betrifft, kommt es sehr auf die ländlichen Räume an. Für uns haben die Proteste eine breitere Öffentlichkeit hergestellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • ,,Nicht zu schnell ,,Städter'' schreiben",

    möchte ich gerne noch hinzufügen!

    Bei der Demo am Sonntag (28.2.) in Melle waren es 4000, viele aus den umliegenden ,,Stadtteilen", die eigentlich Dörfer sind (Neuenkirchen (und Schiplage), Buer (und Rabber) etc.) waren auch dabei!



    Es lohnt sich, die Proteste in den kleineren Städten genauer anzuschauen!



    Wer macht sich denn da alles auf den Weg und wie viele sind es im Verhältnis, wenn man es auf die Proteste der größeren Städte umrechnet?!



    Melle konnte da z.Bsp. mit Bielefeld mithalten, denke ich. Denn da kamen gestern Abend ,,nur" 25 000, aber die schafften es sogar in die Tageschau (30.1.24) !!

  • Solidarische Grüße!



    Es ist bewundernswert, wenn sich Menschen im schwierigen Umfeld für die Demokratie stark machen.



    Das wurde auch bei Demos gegen Rechts, hier im Rheinland, thematisiert und somit Solidarität bekundet.



    Es lässt hoffen, dass " endlich mal wieder" was passiert.



    Es zeigt sich für Alle DemonstrantInnen, dass sie nicht alleine stehen.



    Eine Brandmauer gegen Rechts funktioniert nur mit der Gesellschaft. Wer vorher schon Steine aussortiert, bringt höchstens ein Mäuerchen zustande.



    Danke an Alle DemokratInnen im Saale - Orla Kreis, Ihr seid aus dem gleichen Holz geschnitzt, wie Diejenigen, die die einzige erfolgreiche Revolution in Deutschland erkämpft haben!

  • Wenn ich die Zahlen richtig deute, erhielt der AfD-Kandidat 47,6 Prozent, der "Gemeinschaftskandidat" aller anderen Parteien 52,4 Prozent.

    Bei der Kommunalwahl 2019 war das Verhältnis noch etwas anders.



    Da erhielt die AfD 20,6 Prozent, alle anderen zusammen 79,4 Prozent.



    Die Parteien der Ampel kamen dabei auf ganze 18,4 Prozent.



    Vielleicht sollten die gar nicht mehr antrete, sondern gleich die CDU-Liste unterstützen um eine AfD-Mehrheit zu verhindern.



    Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die Kommunalwahl, die dort in diesem Jahr stattfindet.

  • "Ja, und ich glaube, man darf auch nicht zu schnell die Kategorien „Nazis“ über alles und jeden schreiben."

    Endlich stimmt mir mal jemand zu. Der inflationäre Gebrauch dieses Wortes soll oft nur fehlende Argumente ersetzen und nicht jeder, der rechts der Mitte steht, nicht jeder, der konservativ ist, ist ein Nazi.

    • @Strolch:

      Ich denke, dass ich weiß, was Sie meinen. Allerdings hängt das Argument über ein Zuviel, oder das Inflationär, in Verbindung mit der Nennung des Begriffes "Nazi", denn wer bemisst denn nach welchem Maßstab, ob ein Zuviel oder Inflationär vorliegt? .. Das Argument von User BesorgteBürger ist ebenso verständlich.

    • @Strolch:

      Wer eine Partei wählt, die mich aus Deutschland deportieren will, den bezeichne ich als Nazi. Punkt. Und ich bin das scheinheilige Rumgeflenne deswegen auch satt.

      Es gibt mittlerweile keinen Grund mehr, die Wählerinnen und Wähler in Schutz zu nehmen.

    • @Strolch:

      Es ist schon erstaunlich, wie Linke jetzt Werbung machen die Union bei den Landtagswahlen zu wählen. Aber sie haben recht. Nur eine (sehr) starke Union kann eine AfD-Regierung verhindern, auch wenn linke Parteien an der 5%-Hürde scheitern.

    • @Strolch:

      Nach Nazi kommt ja auch nichts mehr. Was wäre schlimmer als ein „Nazi“. Deshalb haben sie recht, das Wort wird wirklich zu oft gebraucht.



      Aber „nicht jeder“ meint aber die allerallermeisten der Konservativen? Oder?

    • @Strolch:

      Ich glaube, es ist im Interview klar geworden, dass es nicht um Konservative oder allgemein um Menschen rechts der Mitte geht (das sind viele, selbst in der SPD gibt es sie), sondern um AfD-Wähler. Diese unterstützen direkt oder indirekt Nazis wie Höcke.

      Dennoch stimme ich zu. Wenn man Menschen gewinnen will, hilft es nicht, sie in eine abqualifizierte Ecke zu stellen. -Das gilt nicht nur für das N-Wort, sondern für viele andere auch.

  • Ich denke, darauf wird bei den Wahlen in diesem Jahr im Osten hinauslaufen: das vermeintlich kleinere Übel zu wählen - die CDU. Die Themen und Rethorik der CDU gerade im Osten Deutschland sind zum Teil allerdings ... schon sehr AfD-artig. Natürlich nicht alle; jemanden wie Kretschmer würde ich selbstredend ausnehmen.

    Und wenn man sich die Spitze der Bundes-CDU ansieht, auaua.

    • @Jalella:

      Interessant ist ja, dass ausgerechnet Kretschmer bei manchen Linken fast so verhasst ist wie die AfD - hat sich aber vielleicht zuletzt auch etwas geändert. Ich glaube ihm jedenfalls, dass er ein ehrlicher Mensch ist, der um jede "Seele kämpft".

    • @Jalella:

      Die CDU ist definitiv das Größte unter den kleineren Übeln. Ich halte es bei der Frage mit Geralt von RIva.

      • @Šarru-kīnu:

        Und ich denke ebenfalls, dass die CDUCSU iVm mit der ebenfalls hässlichen Schwester FDP dazu geführt hat (haben), dass sich die AfD ausbreiten könnte.

        • @Gerhard Krause:

          Ich kann hier in Ostsachsen keinen wesentlichen Unterschied zwischen CDU und AfD feststellen. Die einen sagen halt nur offen was die Anderen wegen Druck aus Berlin nur umschreiben dürfen. Die CDU hier ist doch verantwortlich für die aktuelle Situation und ich sehe da auch keine Selbstreflektion.