80-Cent-Jobs für Geflüchtete: Ausbeutung statt Integration
CDU-Landrat Christian Herrgott will im Saale-Orla-Kreis Geflüchtete zur Arbeit verpflichten. Nicht nur der örtliche Flüchtlingsrat kritisiert das.
Der neue Landrat, Christian Herrgott (CDU), sagt, das fördere die Integration. Doch unter anderem Thüringens Integrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne) kritisiert: Herrgott bediene damit rechte Narrative, die so nicht stimmen.
„In rechten Kreisen wird schon immer erzählt, Geflüchtete wollten Sozialsysteme ausnutzen“, erklärt Denstädt gegenüber der taz. „Doch die meisten wollen eigene Arbeit und ein eigenes Einkommen.“ Geflüchtete zur Arbeit zu verpflichten, „das bringt uns in der Debatte nicht weiter.“
Christian Herrgott betont in einem Interview mit dem Tagesspiegel, er habe von den Geflüchteten „eine Reihe positiver Rückmeldungen“ erhalten. „Sie wünschen sich eine reguläre Tätigkeit und fragen, wie sie in den ersten Arbeitsmarkt gelangen können.“ Allerdings berichtet die Thüringer Integrationsbeauftragte Mirjam Kruppa, schon jetzt gebe es viele Freiwillige in den Unterkünften – ohne Verpflichtung. Der Vorstoß im Saale-Orla-Kreis habe eine „populistische Wirkung“, sagte Kruppa dem MDR.
Vier Tage bis zum Mindestlohn
Der Thüringer CDU-Generalsekretär Christian Herrgott ist seit drei Wochen Landrat im Saale-Orla-Kreis, nachdem er im Januar gegen den AfD-Politiker Uwe Thrum mit 52,4 Prozent die Stichwahl gewann. Zwar fiel Herrgott schon in seiner Kampagne mit rechten Thesen auf: „Bürgergeld abschaffen. Konsequent abschieben.“ Doch Geflüchtete zu Arbeit zu verpflichteten, die Idee stammt nicht von ihm, sondern steht so im Asylbewerberleistungsgesetz.
Dort steht: Geflüchteten sollten „Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden“ – allerdings nur arbeitsfähigen Geflüchteten, ohne Verpflichtungen, etwa einen regulären Job.
Laut einem Sprecher des Saale-Orla-Kreises treffe das im Kreis auf 150 der insgesamt 480 Geflüchteten zu. Etwa 50 von ihnen hätten schon Angebote angenommen. Für sie sei die Arbeit „sinnstiftend“, sie führe zudem „zu einer höheren Akzeptanz für Geflüchtete in der Bevölkerung“. Wichtig sei, dass diese Arbeitsgelegenheiten keine regulären Arbeitsplätze gefährdeten.
Ähnlich sieht das auch Bayerns Integrationsminister Joachim Herrmann (CSU). Die Verpflichtung zur Arbeit schaffe eine „Win-win-Situation“ für Gesellschaft und Geflüchtete. In einer Mitteilung ließ er verkünden, die Leistungskürzung sei „zumutbar, zumal es um ein paar Stunden am Tag und leicht erfüllbare Aufgaben ohne großes Vorwissen wie etwa die Pflege von Gartenanlagen oder Übersetzertätigkeiten geht.“
Die Vorsitzende der Partei die Linken, Janine Wissler, äußerte hingegen Bedenken gegenüber der Lohnentwicklung. „Geflüchtete für 80 Cent pro Stunde zur Arbeit verpflichten, ist genauso verwerflich wie Ein-Euro-Jobs oder Niedriglöhne in Behindertenwerkstätten und Ausnahmen beim Mindestlohn für Langzeitarbeitslose.“ Das verdränge reguläre Jobs und unterlaufe Tarifverträge, warnt Wissler.
Am Tag dürfen die Arbeitsangelegenheiten der Geflüchteten nicht länger als vier Stunden dauern. Bei einem Stundensatz von 80 Cent ergeben sich bei fünf Arbeitstagen in der Woche maximal 64 Euro im Monat. Die bekommen die Geflüchteten über ihre Bezahlkarten. Um den Betrag des derzeitigen Stundenlohns von 12,41 Euro pro Stunde zu bekommen, müssen die Geflüchteten fast vier Tage arbeiten.
Ist das Ausbeutung? Christian Herrgott sagt dazu ganz klar: Nein. Der Sprecher des Saale-Orla-Kreises weist darauf hin, man könne als Landkreis den rechtlichen Rahmen nicht sprengen. Dafür sei der Bund verantwortlich.
Der Thüringer Flüchtlingsrat kritisiert, das Vorgehen diskreditiere Geflüchtete und weist darauf hin, dass ein schnellerer Zugang zu Sprachkursen besser für die Integration sei. Ähnlich äußert dazu auch die Sprecherin für Migration der Linken im Thüringer Landtag, Katharina König-Preuss: „Integration bedeutet mehr als bloße Beschäftigung; sie erfordert Zugang zu Bildung, Spracherwerb und fairer Arbeit.“
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