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Aktivistin über EU-Agrarministertreffen„Wir sind unschuldig am Höfesterben“

Am Sonntag wollen Umweltschützer beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister demonstrieren. Ihnen geht es um eine Agrarwende, sagt die Organisatorin Saskia Richartz.

Ernte auf einem Biobauernhof bei Berlin Foto: Santiago Engelhardt
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Frau Richartz, Ihr „Wir haben es satt“-Bündnis demonstriert am Sonntag anlässlich der EU-Agrarministerkonferenz in Koblenz. Warum?

Saskia Richartz: Wir demonstrieren für eine nachhaltige und sozial gerechte Landwirtschaft, weil die Minister sich treffen, um die EU-Agrarreform zu diskutieren. Wir fordern eine Umverteilung dieser künftig jährlich 55 Milliarden Euro Subventionen.

Nick Jaussi
Im Interview: Saskia Richartz

43, ist Leiterin des „Wir haben es satt“-Teams, das auch die gleichnamige Demo zur Agrarmesse „Grüne Woche“ im Januar in Berlin organisiert.

Worin soll das Geld fließen?

Wir müssen weg von Flächensubventionen, die per Gießkannensystem einfach auf die Hektare verteilt werden. Stattdessen sollte die EU in den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie durchaus auch in gute Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und den Erhalt von Bauernhöfen investieren. Auch Covid 19 hat gezeigt, dass wir für unsere Ernährungssouveränität gerade diese bäuerliche Landwirtschaft brauchen, die vielfältige Produkte regional erzeugt.

In Koblenz wird auch die Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV) protestieren. Sie macht Leute wie Sie, die strengere Umwelt- und Tierschutzauflagen fordern, für das Höfesterben verantwortlich. Zu recht?

Nein. Ich kann verstehen, dass es nicht leicht ist, diesen Anforderungen auf den Höfen gerecht zu werden. Aber das liegt an der Politik, die die Höfe nicht dabei unterstützt, zu investieren, um diese Anforderungen zu erfüllen. Stattdessen haben die Spitzen des Bauernverbands, Agrarministerin Julia Klöckner und ihre Amtsvorgänger von der Union dieses schrecklich „Wachse oder weiche“-Dogma gefördert: Also, wenn du bei der Billigproduktion nicht mithältst und nicht mehr Land besitzt, dann musst du halt vom Acker. Daran sind nicht wir oder der Umwelt- und Naturschutz schuld.

Werden Sie in Koblenz mit Land schafft Verbindung reden?

Wir haben LsV ein Gespräch angeboten, aber noch keine Antwort erhalten. Wir fordern aber auch, dass sich jede Initiative, die sich mit uns an einen Tisch setzt, klar gegen Rechts abgrenzt. Da muss LsV als relativ junge Bewegung noch nachjustieren.

Warum?

Weil sie sehr wohl Mitläufer aus dem rechtsextremen Bereich hat. Es kann natürlich immer passieren, dass bei Demos solche Leute dabei sind. Aber dann muss man sich davon ganz klar distanzieren. Auch innerhalb der Bewegung ist ja die Position nicht immer ganz klar. Manche LsV-Anhänger haben zum Beispiel das Symbol der Landvolk-Bewegung genutzt, die in den 1920er Jahren Anschläge verübte und von der die NSDAP profitierte.

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15 Kommentare

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  • Das Höfe aufgeben hat vielfältige Gründe, die Förderung hat keinerlei Relevanz. Der Hauptgrund ist der technische Fortschritt, Maschinen werden zu teuer für kleine Betriebe und weil große Betriebe einen Zwang zum noch größer werden haben, schließlich müssen die teuren Maschinen Ausgelastet werden, steigen die Pachtpreise. Das ist weiterer Grund seinen Hof aufzugeben, Verpachten ist auch schön. Die Demografie ist auch ein Grund, viele Höfe haben niemanden in der Familie der oder die weitermacht. Die außerlandwirtschaftlichen Möglichkeiten spielen auch eine Rolle bei der Hofaufgabe. Die allerwenigsten Höfe haben übrigens aus Geldmangel aufgegeben.

  • vielen Dank für diese Darstellung. Man sieht hier das es nur eine Neid Debatte ist. Eine Umverteilung wird den Strukturwandel nicht aufhalten. Wie wollen Sie umverteilen? Kleine und mittlere Betriebe bekommen dann möglicherweise 20 % mehr EU Prämie - das wird diesen Betrieb nicht retten. Die meisten Familienbetriebe arbeiten doch jetzt für einen Lohn für den sich jeder Harz 4 Empfänger nicht mal hinterm Ohr kratzen würde. Und darum heizt das "Wir haben es satt" Bündnis sehr wohl den Strukturwandel an. Flächendeckende Landwirtschaft mit kleinen Familienbetrieben wird so sicher nicht mehr möglich sein.

  • Vielleicht wäre es einfach kool Blumenwiesen zu haben statt Güllefelder. Subventioniert wird sowieso.

    • @Ansgar Reb:

      vielleicht wäre es cool sich von Blüten zu ernähren - oder?

  • Nachtrag :



    wenn jeder Deutsche pro Tag 1,00 € für die Erhaltung der Natur ausgäbe, was es jedem eigentlich Wert sein müsste, hätten wir ca. 30,3 Milliarden € zur Verfügung, damit könnte man sofort Flächen aus der Produktzion nehmen und stilllegen, und Landwirte könnten gerecht für ihre Wahre bezahlt werden.

    • @Günter Witte:

      Als ob die Abgabenlast in D nicht schon hoch genug ist...



      Jetzt mal im Ernst: Die Autofahrer bringen dem Staat jährlich über 60 Mrd € ein. Das BMVI hat ein Budget von ca. 30 Mrd €. Somit könnten die 30 Mrd € aus dem restlichen Autofahrergeld finanziert werden, als es anderswo zu verpulvern.

  • 55 Milliarden € als Ausgleichzahlung für die Europäische Landwirtschaft hört sich gewaltig an und ist ein beliebtes Mittel um Neid zu schüren. Umgerechnet bei 450 Mill. Einwohnern ( G27 ) sind das rund 120,00 € pro Person und Jahr ( oder ca. 33 Cent / Tag ) für ???? genau, billiges Essen. Welcher Verbraucher möchte wie früher, vor den Ausgleichzahlungen, die hälfte seines Lohnes für Lebensmittel ausgeben ?



    Für Deutschland sieht die Rechnung nochmals anders aus : Deutschland bekommt von der EU für die erste Säule, genau das was Frau Reicharzt ändern möchte, 4,85 Milliarden €, das sind bei 83 Millionen Einwohnern ca. 60,00 € / Jahr pro Person ( oder ca. 16 Cent / Tag ). Soviel ist uns die Arbeit unserer Landwirte wert.

    • @Günter Witte:

      Die Höhe der Subventionen ist doch hier gar nicht das Thema. Sondern wie sie verteilt werden. Welchen Nutzen und welchen Schaden sie bringen.

      • @Francesco:

        Natürlich ist die Summe der Ausgleichzahlungen ein Thema !



        Es ist eines der beliebtesten Totschlag-Argumente gegen die Landwirtschaft. 40% der Einkünfte unserer Landwirte sind Ausgleichszahlungen, bei Bio-Betrieben noch mehr. Es ist scheinheilig wenn Greenpeace Mitarbeiter wie Frau Reichartz, für Organisationen welche von den Grünen ( Heinrich Böll Stiftung ) gefördert werden, behaupten, keinen Idiologischen Kampf für Bio gegen Konventionell zu führen. Warum haben wir nicht mehr Bio ??? weil der Markt nicht mehr verlangt. Außerdem ist Bio in Europa nicht überall mit Deutschen Standards gleichzusetzen, genauso wie Konventionell nur zu verteufeln ist.

        • @Günter Witte:

          Ausgleichszahlungen? Ausgleich wofür?

          • @Francesco:

            Als Ausgleich dafür das die Erzeuger heute teilweise weniger führ ihre Wahre bekommen als vor 40-50 Jahren.



            Als Ausgleich dafür das die Verbraucher billigste Wahre auf höchstem Niveau zu Spottpreisen bekommen, und so mehr Geld für anderen Konsum ausgegeben können.



            Als Druckmittel für die Landwirte, weil nur wer sich an die Vorgaben hält, Geld bekommt.

    • @Günter Witte:

      DE mach landwirtschaftlich das Geld mit den Massenkulturen. Die Knochen-Arbeit bei der Pflanzung und Ernte von Obst und Gemüse wird anderen Ländern überlassen.

    • @Günter Witte:

      Die Deutschen wollen nicht so viel fürs Essen zahlen, weil sie immer höhere Mieten zu finanzieren haben. Da kann man mal sehen, wie der "freie Markt" so seine überragende Weisheit spielen lässt. Also unbedingt auch die Subventionen ganz weglassen. Dann regelt der das noch viel besser.

      • @Karl Kraus:

        "Die Deutschen wollen nicht so viel fürs Essen zahlen"

        Der Großteil der Zahlungen geht in Deutschland an Chemiekonzerne, Düngerhersteller und Großgrundbesitzer, das hat mit dem Essen eher wenig zu tun. Die LdV-Bewegung macht bewusst oder unbewusst alles dafür, dass die ungerechte Mittelverteilung so bleibt.