Aktivismus gegen Abtreibungen: Ganz rechts

Mit Mahnwachen machen rechte Gruppen vor einer Gynäkologiepraxis in München und einer Beratungsstelle in Passau mobil. Auch ein AfD-Mann mischt mit.

Abtreibungsgegner:innen beim „Marsch für das Leben“ 2019 in Berlin Foto: Christian Mang

MÜNCHEN taz | Die beiden Frauen gehen an einem kleinen Platz vor der Praxis von Friedrich Stapf in München-Freiham hin und her. Sie tragen Plakate, auf denen steht: „Entscheide dich für das Leben“ oder „Jedes Leben ist wertvoll“. Um die 30 Jahre sind sie alt, heißen mit Vornamen Steffi und Zorica und wollen sich nicht fotografieren lassen. „Wir beten“, sagen sie. „Der liebe Gott wird die Abtreibungsklinik schließen.“ Dann halten sie Rosenkränze in die Luft und murmeln religiöse Sprüche.

Friedrich Stapf ist ein in Bayern bekannter Gynäkologe, der viele Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Von morgens bis abends stehen nun durchgehend meist zwei Leute vor seiner Praxis. „40 Tage für das Leben“ heißt die Aktion der radikalen AbtreibungsgegnerInnen. Sie dauert von Aschermittwoch bis Karfreitag. Frauen in Notlagen, die einen Abbruch vornehmen lassen, müssen an ihnen vorbeilaufen und die Vorwürfe per Plakat und Gebet ertragen. Stapf hat extra 15 Tiefgaragenparkplätze angemietet, damit man von dort aus auch direkt seine Praxis erreicht.

In München gehen die „Mahnwachen“ wesentlich von der erzkonservativen kroatischen Kirchengemeinde aus. Ähnliche Szenen spielen sich derzeit auch in Passau ab. Ziel dort ist die Pro-Familia-Beratungsstelle. Diese bietet unter anderem die Schwangerschaftskonfliktberatung an, welche laut Gesetz für einen Abbruch nötig ist.

An der Passauer Leopoldstraße steht regelmäßig ein Mann namens Andreas Eimannsberger, wie Pro-Familia-Geschäftsführer Thoralf Fricke berichtet. Der Demonstrant präsentiert Plakate mit der Aufschrift: „Frauen­recht auch für Ungeborene“.

Aktivist fantasiert von Höcke als nächstem Kaiser

Eimannsberger ist aber nicht nur in der „Lebensschützer“-Szene bei der Organisation „Pro Life“ aktiv, sondern auch in der rechtsextremen: Auf der Liste der AfD kandidiert er bei der bayerischen Kommunalwahl am 15. März für den Passauer Kreistag. Auf der Facebook-Seite des Kreisverbands wirbt er mit seinem Konterfei, Listenplatz 8. „Je nach AfD-Ergebnis könnte er reinkommen“, glaubt Fricke.

Der antifaschistische „Infoticker Passau“, der über rechte Aktivitäten in der Region recherchiert, fragte denn auch schon im Oktober 2019 über eine gleiche Aktion von Eimannsberger bei Pro Familia: „Harmloser christlicher Fundamentalist oder Bindeglied in die gewaltbereite extrem rechte Szene?“

Der Mann kommentierte laut „Infoticker“ ein Video des AfD-Faschisten Björn Höcke mit: „Dieser Mann wird unser Kaiser werden, des neuen Deutschen Reiches.“ Auch verfolge Eimannsberger im Internet verschwörungstheoretische Veröffentlichungen. Der „Infoticker“ sieht eine Verbindung zwischen „Lebensschutzbewegung, AfD und verschwörungstheoretischem Reichsbürgertum“.

Über die Pro-Familia-Arbeit in Passau sagt Fricke: „Zu unseren Beratungen kommen Frauen in schwierigen Situationen, Menschen mit Migrationshintergrund, junge Leute mit LGBT-Orientierung, die auf der Suche sind.“ Es könne nicht sein, dass KlientInnen durch die Anwesenheit des Mannes am Eingang bedrängt werden. Er nennt das „Belagerung“.

Massive Gegenwehr der Zivilgesellschaft

In Passau ist auch sonst eine Menge los in der rechten und christlich-fundamentalistischen Szene. Bei einer früheren „Mahnwache“-Aktion im Herbst vergangenen Jahres hatte Fricke auch Mitglieder der rechtskonservativen Studentenverbindung „Oeno Danubia“ gesichtet. Als dies öffentlich verbreitet wurde, solidarisierte sich nicht nur die christdemokratische Studentengruppe RCDS Passau und schrieb von einer „völligen Entmenschlichung des politischen Gegners durch linke Gruppierungen“.

Auch Mitglieder der Studentenverbindung „Markomannia Wien zu Deg­gendorf“ unterstützten auf Facebook die Danubia-Leute. Der bayerische Verfassungsschutz verortet Markomannia in der rechtsextremistischen Szene und beobachtet die Gruppe.

Im vergangenen Herbst ließ die Universität Passau sowohl eine Hochschulgruppe von „Pro Life“ zu als auch die „Campus Alternative“ (CA), welcher große Nähe zur AfD nachgesagt wird. Doch vor allem gegen die CA wurde der Widerstand so groß, dass sich die Gruppe vor einem Monat wieder auflöste. „Die haben nicht mit einer solch massiven Gegenwehr der Zivilgesellschaft gerechnet“, sagt Fricke von Pro Familia.

„Pro Life“ allerdings ist an der Uni weiterhin gelistet. Auf Facebook sind fröhlich dreinblickende junge Frauen zu sehen mit Plakatsprüchen wie: „I stand for life“. Pro-Familia-Geschäftsführer Fricke geht davon aus, dass auch sie sich in den Wochen bis Ostern vor der Beratungsstelle postieren. Konkret verlangt er von der Stadt Passau Regelungen, wie sie in Frankfurt und Pforzheim gelten: Dort dürfen Gegner nicht in Sicht- und Hörweite von Pro Familia demonstrieren. So soll Frauen eine vertrauliche Beratung gewährleistet werden.

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