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Aktiv gegen den RechtsruckWas tun, damit die Nazis nicht gewinnen?

Ein bedeutender Teil der trägen Mehrheitsgesellschaft politisiert sich, demonstriert oder tritt in Parteien ein. Das kann uns Hoffnung machen.

Über 160.000 Menschen versammelten sich in Berlin unter dem Motto „Aufstand der Anständigen – Wir sind die Brandmauer“ Foto: Hami Rosha/imago

V or einem Jahr begann die erste Runde der Massendemonstrationen gegen die Deportationspläne der AfD. Im Nachhinein kann man sagen: Einfluss auf die Umfragen hatten sie kaum. Oft stand der Vorwurf im Raum, es handele sich um die üblichen Verdächtigen, die sonst auch demonstrieren, für Klimaschutz, für Seenotrettung und eben auch gegen rechts. Und heute erklimmen Rechtsextreme vor unseren Augen die Logen der Macht. Queere Menschen stehen einer Menge an Gewalt und staatlicher Repression gegenüber, die mir Angst macht.

Ist also alles vergebens? All die Ausrufungen von „Widerstand“, die Lobpreisungen der Demos gegen Rechts und die verzweifelten Hilferufe in sozialen Medien? Nein. Es gibt vieles, was mir politisch gerade Hoffnung macht.

Jetzt gibt es erneut Demos. Diesmal gegen die Union und ihre Pläne, mit der AfD im Bundestag zu stimmen. Dass Friedrich Merz zumindest mit seinem Gesetzvorhaben am Ende scheiterte, ist der direkte Erfolg einer lauten Zivilgesellschaft. Vielleicht nur ein Etappensieg, aber immerhin ein Sieg.

Neulich fragte mich meine Schwester: Was kann ich tun, damit die Nazis nicht gewinnen?

Es scheint, als politisiere sich gerade ein bedeutender Teil der bisher trägen Mehrheitsgesellschaft. Besonders eindrücklich sieht man das an den Zuwächsen, die Parteien erhalten. In den Tagen nach dem Schulterschluss von CDU und AfD im Bundestag traten der Linken und den Grünen jeweils tausende Menschen bei.

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Das Private wird politisch

Mehr Mitgliedsbeiträge und ein paar Demos retten nicht die Demokratie. Das denkt hoffentlich auch niemand. Aber eine Parteimitgliedschaft ist auch mehr, als mal was bei einer Onlinepetition zu unterzeichnen. Insofern halte ich diese Zahlen für vergleichsweise gute Mess­instrumente. Und die Messung sagt: Es bewegt sich ein Teil unserer Gesellschaft vom Unpolitischen hin ins Politische. Neue Leute begeben sich in politische Kämpfe und progressive Kräfte scheinen dabei wieder attraktiv zu werden.

Das bemerke ich in meinem unmittelbaren Freun­d*in­nen­kreis und selbst in meiner Familie. Neulich fragte mich meine Schwester: In welcher Partei soll ich mich jetzt engagieren? Was kann ich tun, damit die Nazis nicht gewinnen? Zwei Freun­d*in­nen streben ein kom­munalpolitisches Mandat an. Auch das macht mir Mut. Immer mehr Menschen beginnen zu begreifen, was auf dem Spiel steht. Das Private wird politisch, und diesmal nicht nur in den Köpfen derjenigen, die das schon immer gesagt haben. All das macht den Faschismus nicht zu einer geringeren Bedrohung, aber es ist die Grundlage, die wir brauchen werden, wenn wir gewinnen wollen. Und ich will gewinnen!

Man könnte erwidern: Was nützen uns dreimal so viele Basismitglieder in irgendwelchen Parteien? Oder was können fleißige Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r*in­nen schon ausrichten? Was interessiert das die Faschisten? Aber ich glaube durchaus, dass es sie interessieren wird. Das politische Angebot der Rechtsextremen ist ja geradezu das Gegenteil der politischen Arbeit, wie sie in Demokratien üblich ist.

Parteien sind den faschistoiden Bros dieser Welt suspekt, sie nutzen sie maximal als Vehikel für ihre Pläne. Wenn wir also etwas anbieten wollen, muss das ein radikal demokratischer Gegenentwurf sein, der natürlich auf diesem Grundprinzip fußt. Und dabei geht es nicht mal um die Parteien als solche, sondern für das, was dahinter steht. Denn wenn man davon ausgeht, dass die Demokratie mobilisierbar ist, dann muss diese Mobilisierung wohl so aussehen. Ich bin ja immer noch Optimist*in.

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21 Kommentare

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  • Antwort: die himmelschreiende Vermögensungleichheit beseitigen, die existenzielle Unsicherheit der Menschen, die nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bezahlen, ihre Miete. Die nicht wissen, ob sie ihren Arbeitsplatz behalten oder nicht wissen, ob sie trotz andauernder Maloche in Altersarmut landen. Die nicht wissen, wie sie ihre Liebsten pflegen sollen oder selbst gepflegt werden könnte. Die nicht wissen, wie sie sich ein Gebiss leisten können.

    Dann werden sie sich nicht mehr einreden lassen, dass ihr Problem ein paar arme Schweine sind, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind, nur um dann hier als Asylanten generell als Mörder und Vergewaltiger angefeindet werden.

    Anfangen könnte man mit einem AfD Verbot und man könnte schon mal überlegen, wie man endlich ein CDU Verbot auf den Weg bringt.

  • "Was tun, damit die Nazis nicht gewinnen?"

    Simpel. Man macht es wie die Sozialdemokraten in Dänemark, die in wenigen Jahren die Rechtsextremen im Land von 21 auf 3 Prozent drücken konnten.

    Ein Interview des "Journal für Internationale Politik und Gesellschaft (ipg-journal)" mit Dänemarks Migrationsminister Dybvad Bek über Maßnahmen gegen Parallelgesellschaften, eine restriktive Migrationspolitik und die deutsche Debatte.

    Ein paar Vorschläge wie man die AfD schrumpft statt sie zu mästen.

    www.ipg-journal.de...itiert-viele-7636/

  • Ganz einfach sagt den Wählern was sie wählen sollen.



    Und hört ihnen zu, wenn sie euch sagen was sie nicht wollen.

  • "Was tun, damit die Nazis nicht gewinnen?"

    AfD-PARTEIVERBOT

    • @Ice-T:

      Habe ich auch unterschrieben. Allerdings kommt man der Nazimentalität damit nur teilweise bei.

    • @Ice-T:

      Vorschlag: Sie lesen Freud.

      Unterdrücken führt meistens dazu, dass die Dinge im Unterbewusstsein (sprich Untergrund) wachsen, gedeihen und pervertieren. Und viel stärker wieder nach außen treten.

      Direkte Konfrontation ist viel hilfreicher. Wunden heilen an der frischen Luft. Politische Maßnahmen, die der AfD den Wind aus den Segeln nehmen könnten helfen, Beispiel Dänemark.

  • "Dass Friedrich Merz zumindest mit seinem Gesetzvorhaben am Ende scheiterte, ist der direkte Erfolg einer lauten Zivilgesellschaft. "



    Widerspruch. Es lag an den fehlenden Stimmen von FDP und SPD, also an der Gewissensentscheidung dieser Abgeordneten.

    • @Hans Dampf:

      ... doch auch diese Gewissen biegen und wiegen sich in den gesellschaftlichen Winden ... ALLE können dazu beitragen, dass diese Winde wehen und sich vielleicht auch drehen: Das ist Demokratie.

    • @Hans Dampf:

      Manche in der FDP, alle in der SPD, alle bei den Grünen und alle bei den Linken. Nur der Genauigkeit halber.

      • @Jalella:

        Stimmt, so ist es genauer. Aber in jedem Fall war es nicht "der direkte Erfolg einer lauten Zivilgesellschaft.".

  • Viele Bürger & Wähler haben " in Treu und Glauben " an unsere Volksvertreter der " repräsentativen Demokratie " immer ihre Stimme abgegeben.



    Nun wird vielen Bewusst, die Einflußnahme der Lobbyisten auf unsere Volksvertreter ist ins unermessliche angestiegen und es wurde dadurch Jahrzehnte lang Politik am Wähler vorbei gemacht. Der Grundsatz eines loyalen und vertrauenswürdigen Verhalten von unseren Politikern gegenüber den Wählern - wurde, nicht nur von Lindner und Friedrich Merz, auf das Gröbste verletzt.



    Dieser Neoliberalismus der Regierung hat zuviele Bürger nicht mitgenommen und nun droht auch noch, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern international die Gefahr einer Machtübernahme von Rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien auch in Europa. Diese erschreckende Fehlentwicklung in unserer Regierung fordert alle Demokraten heraus- dieser menschenverachtenden, politischen , gesellschaftlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten und eine Rückkehr zur Einhaltung unser demokratischen Grundregeln - von unseren Politikern einzufordern.

  • Der Kulturkampf - pro/anti Migration - hilft der AfD! Jetzt schon die gesamte Ampelregierungszeit lang: 2021 10% versus 2025 22%.



    Materielle Themen STATT Kulturkampf: Wirtschaft, Sanktionen, Energiepreise, Inflation, Löhne und Preisdeckel - Themen, die die Ampel vermeidet.

  • Ich an ihrer Stelle hätte ihre Schwester erklärt was Nazis sind und das der Vergleich mit der AFD nicht passt und warum nicht. Alle Vergleiche die getroffen werden mit Beginn des zweiten Weltkrieg und heute passen alle nicht,

    • @Cello:

      In Bezug auf Reportation, Deportation, Menschenverachtung und Menschen verblenden - halten AfD und die Nationalisten jeden Vergleich stand.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Das seh ich absolut anders.

        • @Cello:

          Nun ja, leider schon klar. Die Menschheit kann nicht jedem helfen.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Nationalsozialisten haben ja ihre Ausgangsposition im Nationalismus.



        Nationalsozialisten, wie schon unter Hitler - waren und sind das Ende einer jeden Demokratie !

  • "Was tun, damit die Nazis nicht gewinnen?"

    Zuerst sollte man mal aufhören, Menschen die sich Sorgen wegen der grossen Migration machen, pauschal als Nazis zu bezeichnen. Damit würde die Diskussion schon mal in eine gute Richtung gehen.

    Danach sollte man die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, ebenso die Probleme mit den fehlenden Ressourcen für die Eingewanderten Menschen. Hier helfen nämlich die Demos gegen Rechts kein bisschen..

    • @Micha.Khn:

      Ich frage mich ob das nicht mehr über einen selbst aussagt, sich "pauschal" als Nazi angesprochen zu fühlen. Zumindest sind allzu viele auf die rassistische Erzählung des grossen Austauschs reingefallen. Migration ist nur ein Problem, wenn man es dazu macht. Und es gibt ohne Zweifel dringendere Probleme, auch kurzfristig, um die sich der Wahlkampf drehen könnte, tut er nur leider nicht.

      • @TV:

        Ich bin selber Migrant, habe aber ansonsten gar nichts am Hut mit der Migration und zum Thema weder positive noch negative Gefühle, beschäftigt mich einfach zu wenig. Was aber m. E. nicht geht, dass von linker Seite her alle kritischen Stimmen zur Migration in die rechte, radikale Ecke geschoben wird. Kritische Stimmen sind durchaus berechtigt. Siehe nur z.B. die teilweise völlig überlasteten Komunen mit allen schlimmen Folgen (fehlende Integration, fehlende Betreuung, miserable Unterkünfte etc.). Die Probleme mit der Migration beschäftigt die Bevölkerung, gem. Unfragen wünscht sich mehr als die Hälfte strengere Regeln bei der Einwanderung von Asylsuchenden. Alles Nazis?

        • @Micha.Khn:

          Dann fragen Sie sich doch mal, wie es dazu kam, daß "mehr als die Hälfte" keine anderen Sorgen haben soll.

          Zumindest keine, die ihren Alltag beeinträchtigen: Es gibt genügend Wohnungen zu erschwinglichen Mieten, alle Kinder können am Ort in Kindergarten und Schule gehen, wo der Putz nicht von der Wand bröckelt, wer einen Facharzt braucht, kann am nächsten Tag in die Praxis kommen, alle gehen mit Begeisterung zur Arbeit, es fehlt nirgends an Personal, am wenigsten bei Krankenpflegern und Lehrern ...