Afghanistan bekämpft Opiumanbau: Einst blühende Mohnlandschaften
Die Taliban haben den Drogenanbau verboten. So erreichen sie, woran die Staatengemeinschaft gescheitert ist. Die Produktion ist stark gesunken.
![Ein afghanischer Junge pflückt auf einem Feld mit einer Schaufel Schlafmohn, aus dem Opium gewonnen wird Ein afghanischer Junge pflückt auf einem Feld mit einer Schaufel Schlafmohn, aus dem Opium gewonnen wird](https://taz.de/picture/6361178/14/33073919-1.jpeg)
Als Hebatullah im April 2022 den Mohnanbau sowohl zur Herstellung von Opium wie generell den Gebrauch, Transport und Handel aller illegalen Narkotika unter Strafe stellte, herrschte Skepsis: Meinte er es wirklich ernst? Immerhin gehörten viele Opiumbauern und -händler sowie in den Handel verwickelte Transportunternehmer zu den Hauptstützen der Islamisten während ihres Aufstands gegen den US-geführten Afghanistan-Einsatz seit 2001.
Hebatullah machte auch fast sofort schon einen Rückzieher: Da gerade die Mohnernte begonnen hatte, gewährten er den Bauern noch einmal zwei Monate Aufschub. Damit konnten sie diese Ernte noch ungestört einbringen.
Laut UNO waren das 6.200 Tonnen, 80 Prozent der Weltopiumproduktion und die drittgrößte Menge seit Beginn ihrer Erhebungen 1995 und zugleich ein Drittel mehr als im Vorjahr. Daraus wurden 95 Prozent des Heroins auf den Europas Märkten gekocht.
Bald war klar: Das Mohnanbauverbot gilt wirklich
Im vergangenen Sommer erneuerte der Talibanchef das Verbot. Zur Bekräftigung schickte er seine Kämpfer zu Bauern, die – ebenfalls im Zweifel ob seiner Pläne – wieder Opiummohn anpflanzten. Zunächst gab es Widerstand, aber nachdem die Taliban einige Pflanzer töteten, wurde klar: Das Verbot gilt.
Viele erinnerten sich, dass die Taliban während ihrer ersten Herrschaft 2001 mit denselben Methoden die Produktion fast auf null gedrückt hatten.
Zum Ende der Sommeraussaat 2022 gab es „nur noch kleine Inseln des Mohnanbaus“, sagt David Mansfield, ein führender Drogenexperte zu Afghanistan. Die Opiumproduktion sei auf ein Niveau gesunken, „das man seit 2001 nicht mehr gesehen hat“.
In der Südprovinz Helmand, woher etwa die Hälfte des afghanischen Opiums stammt, fiel die dafür genutzte Fläche von 120.000 auf unter 1.000 Hektar. Vor dem UN-Sicherheitsrat sagte die UN-Sondergesandte für Afghanistan, Kirgistans Ex-Präsidentin Rosa Otunbajewa, Mitte Juni, Hebatullahs Dekret sei „effektiv durchgesetzt“ worden.
Die USA waren selbst mit Druglords verbündet
Die Taliban erreichten, was sich die internationale Staatengemeinschaft während ihres zwanzigjährigen Einsatzes in Afghanistan vorgenommen, aber nicht geschafft hat.
Im Gegenteil: Unter ihren Augen stieg Afghanistans Opiumproduktion auf zeitweise über 9.000 Tonnen im Jahr, obwohl allein die USA zwischen 2002 und 2017 8,62 Milliarden Dollar zur angeblichen Bekämpfung der dortigen Drogenwirtschaft ausgaben.
Doch tolerierten sie zugleich, dass vieler ihrer afghanischen Verbündeten – von den notorischen Warlords bis zur Familie des langjährigen Präsidenten Hamid Karsai – den Großteil der afghanischen Drogenprofite einsteckten. Gleichzeitig verwiesen sie wider besseres Wissen ausschließlich auf die Taliban, die als Juniorpartner auch daran partizipierten.
Der „Test für die Antidrogenpolitik der Taliban“ werde erst ab 2024 kommen, schreiben Jelena Bjelica und Fabrizio Foschini vom Thinktank Afghanistan Analysts Network. Vor allem werde die krisenhafte Wirtschaft dadurch weiter schrumpfen. Müsste das Verbot gewaltsam gegen weiterverarmende Afghan*innen durchgesetzt werden, könnte das die Stabilität des Taliban-Regimes untergraben.
Transparenzhinweis: Der Autor ist Mitbegründer von AAN, war an der zitierten Studie aber nicht beteiligt.
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