Afghanische Ortskräfte der Bundeswehr: Zum Schämen
Die Bundesregierung überlässt die afghanischen Ortskräfte den Taliban. Das ist unmenschlich und feige.

E s passiert nicht jeden Tag, dass sich Bundestagsabgeordnete der Regierungsfraktionen öffentlich über die Bundesregierung empören. Im Fall der afghanischen Ortskräfte, die seit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ohne Arbeit und Schutz sind, ist das gerade so. Man sei fassungslos und beschämt. Solche Adjektive hört man auch aus der SPD und von Christdemokraten.
Die Regierung kann sich darüber nicht wundern. Denn beim Thema afghanische Ortskräfte zeigt sie ihr unmenschliches Gesicht. Erst lässt sie hopplahopp die Bundeswehrsoldaten ausfliegen – und die Ortskräfte einfach zurück. Selbst Zehntausende Liter Bier hatten bei der Rettung vor den Bomben der Taliban Priorität. Und nun, da die Truppen der Taliban jeden Tag Gebiete erobern und schon vor den Städten stehen, in denen die zurückgelassenen Dolmetscher:innen und Bürokräfte um ihr Leben fürchten, tut die Regierung – nichts.
Sie hat zwar 2.400 Visa für die Betroffenen und ihre Familien in Aussicht gestellt. Die meisten Ortskräfte werden aber nie kommen, selbst wenn Deutschland sie einreisen lässt. Das weiß die Bundesregierung ganz genau. Denn ihren Flug müssen die Afghan:innen selbst organisieren und bezahlen. Das ist zynisch. Doch es kommt noch schlimmer.
Denn während die Bundesregierung so tut, als gehe sie der Hindukusch, an dem sie früher mal die Sicherheit des Westens verteidigen wollte, plötzlich nichts mehr an, will sie eine Verbindung nach Kabul bloß nicht kappen: und zwar die Abschiebeflüge. Trotz der Bitte aus Kabul, die Abschiebungen auszusetzen. Trotz des Vormarsches der Taliban. Trotz der Erfahrungsberichte der abgeschobenen Afghanen über Gewalt und Unsicherheit.
Empfohlener externer Inhalt
Die Bundesregierung sollte sich besinnen und endlich – Wahlkampf hin oder her – verantwortungsbewusst handeln. Sie sollte alle Ortskräfte samt ihren Angehörigen umgehend nach Deutschland und damit in Sicherheit bringen. Die Abschiebungen nach Afghanistan muss sie stoppen. Das gebietet die Lage vor Ort. Und die Menschlichkeit.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin