Affäre bei der Ippen-Mediengruppe: Bedrohte Glaubwürdigkeit
Verleger Dirk Ippen blockierte eine Enthüllung seiner Journalist*innen über die „Bild“. Der Eindruck: Ein Medienmogul hackt anderen kein Auge aus.
I n Zeitungsverlagen gilt, dass Redaktion und Verlag strikt getrennt arbeiten. Nur so kann eine Redaktion unabhängig berichten.
Was sich gerade im Regionalzeitungsverlag Ippen (Münchner Merkur, Frankfurter Rundschau) abspielt, ist ein massiver Bruch dieses Prinzips. Das Investigativteam hatte monatelang in einem anderen Verlag recherchiert, bei Axel Springer. Der nun freigestellte Bild-Chefredakteur Julian Reichelt soll gegenüber Mitarbeiter*innen seine Macht missbraucht haben. Doch kurz bevor der Artikel erscheinen sollte, wurde er gekippt, offenbar von Altverleger Dirk Ippen persönlich.
Zur Begründung sagte ein Ippen-Sprecher, man habe nicht den Anschein erwecken wollen, einem Konkurrenten wirtschaftlich schaden zu wollen. Das ist absurd. Die Ippen-Gruppe mag für einen Regionalverlag groß sein, für den Milliardenkonzern Springer ist sie trotzdem keine Konkurrenz. Der Eindruck, der hier vielmehr entsteht, ist, dass ein Medienmogul dem anderen kein Auge aushackt. Springer-Chef Mathias Döpfner ist immerhin auch Präsident des Verlegerverbands BDZV, also Cheflobbyist der Branche. Und Dirk Ippen lässt in einer seiner Druckereien auch eine Teilauflage der Bild drucken.
Als die Ippen-Geschäftsführung das Investigativteam im vergangenen Jahr dem US-Medienhaus Buzzfeed abkaufte, rühmte sie sich als Kämpferin für Pressefreiheit. Unabhängiger Journalismus sei nicht verhandelbar, hieß es in einer Mitteilung. Investigativer Journalismus dürfe nicht der wirtschaftlichen Schwäche von Medienhäusern zum Opfer fallen. Die Springer-Recherche, so scheint es, ist zwar nicht der wirtschaftlichen, dafür aber der moralischen Schwäche seines Verlegers zum Opfer gefallen.
Viele Medien haben in den vergangenen Jahren ihre Investigativteams ausgebaut. Das ist wichtig und richtig. Falsch ist aber zu glauben, Missstände gehörten überall aufgedeckt, nur nicht in der eigenen Branche. Investigative würden sich unglaubwürdig machen, wenn sie nicht auch unter Kolleg*innen recherchieren würden. Das sollte jedem Verleger bewusst sein, der sich mit einem Investigativteam schmückt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten