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Ärger mit Servicetelefon und UmbuchungenDanke für nichts, Deutsche Bahn

Mit der Deutschen Bahn das Klima retten ist schwer: Warum unser Autor stundenlang am Servicetelefon warten und trotz Onlineticket ins Reisezentrum musste.

Dass unser Autor für sein Ticket nicht noch im Headquarter vorstellig werden musste, verwundert fast Foto: Christian Spicker/imago

K ollege L. provoziert mich Öko-Redakteur gern, indem er bei Facebook seinen mit Billigfleisch vollgepackten Grill postet. Der Mann ist aber ein netter und eigentlich auch vernünftiger Mensch. Wenn ich schreibe, dass man aus Klimaschutzgründen lieber die Bahn als das Flugzeug nehmen sollte, dann denkt er darüber nach. Doch nach dem, was ich mit der Deutschen Bahn AG bei meinem Frankreich-Urlaub erlebt habe, grübele ich doch, ob ich den Konzern noch empfehlen kann.

Wochenlang war bei bahn.de der gewünschte Zug von Karlsruhe nach Paris zunächst als buchbar angezeigt. Wenn man dann aber zuschlagen wollte und mühselig alle Daten eingegeben hatte, klappte das nicht – weil die Sitzplätze sich noch nicht reservieren ließen, das aber in Fernzügen nach Frankreich obligatorisch ist. Erst nach diversen Nachfragen schaffte es die Bahn, dieses Problem in der Fahrplanübersicht anzuzeigen. Und erst nach x weiteren Versuchen konnte ich buchen. Ist schon mühseliger als bei Easyjet.

Eine Woche vor Abfahrt schickte die Bahn mir eine Mail, dass sich „Fahrplanänderungen ergeben“ hätten. Doch die waren im Reiseplan zu meinem Onlineticket in der Bahn-App „DB Navigator“ nicht zu erkennen. Bei der Servicenummer der Bahn hörte ich dann nur DB-Mitarbeiter, die sich unterhielten, aber nicht bei mir meldeten und schließlich die Verbindung kappten. Zweiter Versuch: Eine Mitarbeiterin stellt mich durch zu den für Auslandsfahrten zuständigen Kollegen.

Erst nach ungefähr einer Stunde (!) meldet sich dort jemand und eröffnet mir: Mein Zug ist gestrichen. Obwohl ich ein Onlineticket habe, muss ich extra ins Reisezentrum, um umzubuchen. Als wenn ich knapp eine Woche vor Urlaubsbeginn nicht eh schon wenig Zeit hätte. Und warum buche ich eigentlich online? Aber das ist dem Mitarbeiter egal, er will mich auch nicht zu seinem Vorgesetzten durchstellen – und legt auf, ohne sich zu verabschieden.

„Keine Änderung in Sicht“

Eine Mitarbeiterin der Beschwerdestelle hört sich meine Odyssee an, sagt aber gelangweilt: „Ich bin nur für Nahverkehr zuständig“ und stellt mich durch. Nach 40 Minuten Warten meldet sich endlich eine Kollegin und verbindet mich weiter. Ich warte 10 Minuten, 20, 30. Nach einer Stunde bricht die Leitung ab. Keiner ruft zurück.

Umso peinlicher ist es mir nun, dass ich ständig für die Bahn trommele. Aber das Klima! Also schreibe ich dem Konzern eine Beschwerde, damit er besser wird. Doch die Leiterin des Kundendialogs, Maren Reinsch, schickt mir nur Textbausteine zurück wie „Ihre Schilderung werten wir intern aus“. Und was ist mit dem Problem, dass sich Tickets für reservierungspflichtige Züge wie den TGV nicht bei bahn.de umbuchen lassen? „Eine Änderung ist nicht in Sicht“, belehrt mich die angebliche Frau Reinsch, die in Wirklichkeit ein Mann ist und anders heißt (der Kollege hatte mir seine Mail telefonisch angekündigt.) Saftladen!

Kollege L. war übrigens auch in Frankreich. Mit dem Auto. „Wegen Corona darf man das jetzt ja wieder“, sagt er und grinst. Sorry, Deutsche Bahn, mit dir werde ich L. nie überzeugen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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17 Kommentare

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  • Lieber Jost Maurin, eine ganz ähnliche Geschichte hatten wir auch mit der DB, unter anderem mit der Empfehlung nach Köln zu fahren, wo es ein Thalys-Büro gäbe... Am Ende sind wir mit dem Auto nach Lille gefahren und haben es an einem Metro-Vorstadtbahnhof abgestellt und sind dann mit über sncf.fr gebuchten Zügen, inkl. zwei Nachtzügen, durch Frankreich gefahren... Hinterher sagte mir ein deutscher, in FR lebender Freund, ich hätte es auf der Seite der belgischen Bahn versuchen sollen. Meine Erfahrungen waren Ihren Erfahrungen leider sehr ähnlich... Es ist ein Jammer.

  • "Sorry, Deutsche Bahn, mit dir werde ich L. nie überzeugen."

    Die SNCF bietet seit einigen Jahren mit Oui die Möglichkeit, auf Deutsch und direkt bei ihr, sowohl Tickets für die Bahn, wie auch Kombipakete, Bahn+Hotel+Mietwagenzu oder ähnliches zu buchen buchen.

    de.oui.sncf/de/

    Das machen wir seit einigen Jahren und sind sehr zufrieden, auch bei unserer geplanten Reise im Mai nach Rennes, die dann nicht stattfinden konnte, haben wir innerhalb von 3 Tagen eine klare Antwort bekommen und in der nächsten Woche unser Geld zurück.

  • Je komplexer die Möglichkeiten desto leichter das Leben :-)



    Ist halt der Fortschritt und die treibende Kraft dahinter ist unsere eigene Bequemlichkeit. Und nein, es gilt nicht nur für die Bahn.



    Für diejenigen, die sich noch nicht so gut mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung auskennen, die das Leben noch viel einfacher machen soll, werden demnächst Kurse angeboten, die ihnen helfen sollen. Gegen ein Gebühr, versteht sich! Es muss halt Gewinner und Verlierer geben!







    Erinnert sich noch jemand an den "Internet-Führerschein", der in den 1990ern an VHS angeboten und mit dem Arbeitslose genervt wurden, die noch gar keinen PC hatten?



    Ist wie in der Mode, alles kommt einmal wieder!

  • Wie mir aus leidvoller Erfahrung beim Versuch eine Fahrt von München nach Lille zu buchen am Schalter mitgeteilt wurde, ist die Buchung für innerfranzösische Verbindungen seit Jahresbeginn erschwert bis unmöglich. (Ich habe dann über die NMBS/SNCB gebucht, die das scheinbar problemlos auch Online kann).

    Schlecht war es ja vorher schon: Reservierungen im TGV, die man über die DB vorgenommen hat, waren nicht umtauschbar. Über die SNCF gebuchte Reservierungen lassen sich Online oder am Automaten umbuchen.

    Für den Thalys kann man über die DB gar nicht buchen.

    Ein großes Problem scheint zu sein, dass die Bahnen und deren Tochterunternehmen sich spinnefeind sind und sich über Vertriebsprovisionen nicht einigen können. Und das auf dem Rücken der Fahrgäste austragen.

    Leider sind die umfangreichen Fahrgastrechte, die die EU im europaweiten Verkehr durchgesetzt hat, unter Beschuss. Es sieht nicht so aus, als ob die EU aktuell Erweiterungen derselben durchsetzen könnte. Dabei wäre ein Zwang zum wechselseitigen Fahrkartenvertrieb eine notwendige Erweiterung.

    Das gilt wachsend auch in Deutschland selbst, wo jeder Betreiber eigene Vertriebssysteme aufsetzt und man plötzlich mit einem Tarifwirrwarr wie aus Kleinstaatzeiten konfrontiert ist.

  • Ich bin ja auch bekennender Bahnfan, Aber man muss bisweilen schon sehr tolerant sein, um das zu bleiben. Dringend verbesserungsbedürftig ist auch die Fahrradmitnahme, vor allem ins Ausland. Klar sollen wir unseren Radurlaub in Deutschland machen, aber doch nicht jeden und nicht in alle Ewigkeit!

  • weill es diese traurige geschichte in 100.000 facher version gibt, ohne zu uebertreiben kann man sagen, millionenfach, ist es ein skandal. und da dies seit jahrzehnten so ist, umso mehr. und da wir im jahr 2020 leben, und wir privatfahrzeuge haben, die automatisch einparken und alle technologien und sofwareentwickler haben, ist es eine bankrotterklaerung. und da kommt der punkt, wo ich ueberzeugt bin: das ist so gewollt. wer leitet die bahn? wer hat das sagen in d? wer macht den dicken reibach? welche industrie ist too big to fail? das auto, das auto, das auto. gerade erst 6 monate wieder von frueh bis spaet durchgekaut. warum wird der elektroantrieb seit 10 jahren aktiv unterdrueckt? der verbrenner, die autoindustrie, unser lebenselixier, die zulieferer, unser wohlstand. bei den geschwadern an wirtschaftsexperten und bilanzprofis kann sich jeder bwler im erstsemester an einer hand abzaehlen, das dieses ganze system genauso gesteuert ist, und die bahn und der ganze oeffentliche verkehr nicht einfach so zufaellig komplett unterentwickelt ist.

    • @the real günni:

      Da kann ich leider nur sekundieren.

      Die Bahn wird als Geldspender für die Bau- und Immobilienwirtschaft gerne missbraucht (z.B. Stuttgart 21, Hamburg Diebsteich) und alles was seit der Ära Mehdorn neu geplant wurde scheint zwangsweie auf minimalen Nutzen beschnitten worden zu sein, so das alle Beteiligten profitieren, nur nicht der Verkehrsträger Bahn.

  • Mit einem Ticket für einen gestrichenen/ausgefallenen Zug darf man jeden x-beliebigen anderen benutzen. Das gilt in ganz Europa und nennt sich Fahrgastrechte. Ist wirklich so! Für evtl. entstehende Verspätung gibt es bis zu 50% zurück. In dem kolumnisierten Fall wäre losfahren statt telefonieren einfacher gewesen.

    • @kommentomat:

      Das ist nach meiner Erfahrung so nicht richtig. Im TGV gilt im innerfranzösischen Verkehr Reservierungspflicht. Und die Reservierung muss man selber umbuchen (was aber mit Reservierungen, die die SNCF erteilt hat auch problemlos geht).

      Steigt man aber ohne Reservierung in einen TGV ein, wird eine Strafgebühr fällig. Ist mir mit einer nicht umbuchbaren Reservierung der DB nach wegen Verspätung verpasstem Anschluss passiert. Ich hatte zwar vorher probiert, das am Schalter zu machen, aber die wollten mir nur einen neuen Fahrschein verkaufen. Und der Schaffner hatte angeblich keinen Spielraum...

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Helmut Fuchs:

        Genauso ist es. Das gilt übrigens nicht für den TGV, sondern auch für ICE, die nach Frankreich fahren

  • Ich buche meine Auslandsverbindungen immer auf den jeweils nationalen Bahnseiten. Das geht schneller auch wenn man mehrere Laender durchquert und selbst nach passenden Anschlüssen suchen muss. Vorteil ist auch dass man bei Verspaetungen oder Zugausfaellen dann auch Rückerstattungen und vorallem aktuelle Verspaetungswarnungen bekommt.

    • @Nina Janovich:

      Mache ich auch und bei der SNCF gibt es auch Sonderkonditionen für Menschen über 60 und eine günstige Ausfallversicherung für Spartickets. Man kann bis zu 3 Monaten im Voraus buchen und für nicht-frankophone gibt es die Seite auch in DE und ENG. Ausserdem findet man leichter Züge, bei denen man in Paris nicht den Bahnhof wechseln muss.

      Wer sich auf die DB verlässt, ist verlassen.

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Adele Walter:

        Dann bekommen Sie nicht den Bahncard-Rabatt

        • @Jost Maurin:

          Den gibts m. W. nur auf den Normaltarif. Die Sonderangebote der SNCF sind oft günstiger.

        • @Jost Maurin:

          Stimmt. Da empfehle ich Bahnreisebüros. z.B. für Berliner:innen



          www.kopfbahnhof.info/



          Soweit mir bekannt kann dann das Reisebüro ausgefallene Züge ebenfalls umbuchen und hat da einen direkteren Zugang als das "Service" Telefon.

  • Beim Finanzamt werden Kunden zuvorkommender behandelt als bei der Deutschen Bahn

  • Europa ist für alle Bahngesellschaften eine Herausforderung.

    Wenn man den Thalys über die SNCB bucht, klappt die Rückabwicklung nicht.



    Die hölländische NS kennt keine Auswahl bei den Reservierungen.



    Frankreich bucht man am besten bei der SNCF direkt.



    Und so weiter.

    Ach ja, man kann auch in allen Systemen schauen, wo es den gerade günstigsten Tarif gibt. Dauert Stunden.

    Es lebe die EU, die auf der Schiene einen fragmentierten Wettbewerb fördert. Das soll angeblich so effizient sein.