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Abwasser von SchlachthöfenAntibiotikaresistente Keime im Bach – Behörden prüfen nicht

Wenn Schlachthöfe Abwasser mit antibiotikaresistenten Keimen in Flüsse einleiten, bleiben die Behörden meist untätig. Grund ist eine Gesetzeslücke.

Zu Lebzeiten vielleicht mit Antibiotika behandelt: geschlachtete Hühner am Haken Foto: Aleksei Isachenko/imago

Der Goldbach in der nordhessischen Stadt Gudensberg wirkt idyllisch – aber in dem kleinen Gewässer hat zumindest bis vor kurzem eine Gefahr gelauert: Der dortige Geflügelschlachthof Plukon leitete in den Bach geklärtes Abwasser mit bakteriellen Krankheitserregern ein, die gegen Antibiotika resistent sind.

Die Belastung weise auf ein „Risikopotential zur Kolonisierung bei Menschen im Falle von Kontakten mit den Wässern“ hin, steht in einem Bericht des Karlsruher Instituts für Technologie, das das Abwasser untersucht hat. Vermutlich gelangen die Keime durch Tiere in den Schlachthof, die im Stall mit Antibiotika behandelt worden sind.

Bekannt geworden ist die Kontamination der Schlachthofabwässer nur, weil der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling die Analyse in Auftrag gegeben hatte. Denn: „Aktuell wird das Abwasser in Deutschland noch nicht routinemäßig auf antibiotikaresistente Erreger bzw. Resistenzgene untersucht“, wie das Bundesgesundheitsministerium der taz mitteilt. „Es liegt kein gesetzlicher Auftrag vor“, schreibt der für Gudensberg zuständige Schwalm-Eder-Kreis.

Dabei sind krank machende Bakterien, die sich nicht mit Antibiotika bekämpfen lassen, ein großes Problem: Etwa 9.600 Menschen starben laut Robert-Koch-Institut 2019, da sie sich mit solchen Keimen angesteckt hatten. Besonders kritisch sind Infektionen mit Bakterien, die gegen Reserveantibiotika resistent sind. Diese Medikamente sind das letzte Mittel, wenn alle anderen Antibiotika nicht mehr wirken. Doch auch diese Bakterien stecken immer wieder Menschen an.

Starker Antibiotika-Einsatz in der Viehzucht

Die Bundesregierung setzt in ihrer Antibiotika-Resistenzstrategie vor allem darauf, beispielsweise durch Hygiene und Impfungen dafür zu sorgen, „dass weniger Infektionen auftreten und dadurch weniger Antibiotika eingesetzt werden müssen“. Sie will auch einen „verantwortungsvollen Einsatz“ von Antibiotika „zum Standard“ werden lassen.

Wir brauchen endlich eine echte Agrarwende hin zu Klasse statt Masse.

Martin Häusling, Grüne

Häusling fordert besonders, den Verbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung weiter zu senken. Denn in der EU wurden rund 60 Prozent der im Jahr 2021 bei Menschen und Tieren für die Lebensmittelproduktion verbrauchten Antibiotika mehreren europäischen Fachbehörden zufolge beim Vieh eingesetzt.

Es könne nicht sein, dass in der Hühnermast die meisten Tiere solche Medikamente erhalten, so Häusling. „In der Mast sollten keine Reserveantibiotika eingesetzt werden“, ergänzt der Hesse, der selbst Biobauer ist. Die Behörden müssten regelmäßig und flächendeckend das Abwasser von Hotspots wie Schlachthöfen und Krankenhäusern auf Antibiotikaresistenzen überprüfen. Das Abwasser solle von den Keimen gereinigt werden.

Und er sagt: „Wir brauchen endlich eine echte Agrarwende hin zu Klasse statt Masse: weniger Tiere, bessere Haltungsbedingungen, robuste Rassen, Züchtung auf Gesundheit und eine Tierbetreuung, die ohne den massiven Einsatz von Antibiotika auskommt“.

Aber würde das nicht zum Beispiel Fleisch verteuern? „Ist uns das billige Hähnchen steigende Gesundheitskosten und Leid von Patienten wert?“, entgegnet Häusling.

Die Bundesregierung hat durch schärfere Regeln bereits erreicht, dass Landwirte weniger Antibiotika verbrauchen. Das dem Agrarministerium unterstellte Bundesinstitut für Risikobewertung hat in seinem jüngsten Bericht für die wichtigsten Nutztierarten zwar „positive Entwicklungen in einigen Bereichen“ festgestellt. Der Einsatz von Antibiotika sei „aber nach wie vor in Teilen der Masttierpopulationen sehr hoch“. Dass manche Höfe die Medikamente viel häufiger einsetzten als andere Betriebe, weise „auf weiteres Verbesserungspotential hin“.

Immerhin werde das Abwasser großer Kläranlagen künftig routinemäßig auf antibiotikaresistente Erreger untersucht, kündigt das Gesundheitsministerium an. Das sehe die EU-Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser vor, die Deutschland bis Ende Juli 2027 in nationales Recht umsetzen müsse.

Abhilfe durch Ozonanlage?

Der Geflügelschlachthof in Gudensberg hat zum Beispiel Ende Oktober im Hessischen Rundfunk versprochen, sein Abwasser künftig mit einer Ozonierungsanlage so zu reinigen, dass die Keime zerstört oder zumindest stark reduziert werden. Bereits Mitte November sollte das Abwasser von Plukon so sauberer werden. Ob das Unternehmen das geschafft hat? Eine Bitte der taz um Stellungnahme ließ es bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Das Regierungspräsidium Kassel bestätigte der taz jedoch, dass die Firma ihm den Einbau der Ozonierungsanlage Anfang November offiziell angezeigt habe. In jedem Fall leite das Unternehmen ab Mitte des Monats „keine industriellen Abwässer mehr in den Goldbach“ ein. Stattdessen gingen diese nun durch eine Leitung des Schlachthofs in den Fluss Eder. „Die Eder führt wesentlich mehr Wasser mit einer dadurch deutlich höheren natürlichen Reinigungskraft, sodass Abwässer hier schneller verdünnt werden“, so die Behörde.

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2 Kommentare

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  • Mit einer Verbesserung der Situation dürfte bei der gegenwärtigen Bundesregierung kaum zu rechnen sein. Dass Massentierhaltung und Intensivlandwirtschaft große Gesundheitsgefahren für die Konsumenten der so erzeugten Lebensmittel und auch den Rest der Bevölkerung beinhalten ist hinreichend bekannt. Ansonsten gilt: Die Gewinne werden privatisiert, die Kosten sozialisiert. Im Zweifel zahlt mensch eben mit dem eigenen Leben.

  • Meine Meinung dazu ist, dass der Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Tierzucht grundsätzlich verboten gehört, denn das gefährdet Menschenleben. Man fragt sich, wer überhaupt auf eine solche abstruse Idee gekommen ist.