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Abstimmung über SPD-VorsitzDie Legende von der linken Basis

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Groko-Frage ist für die Stichwahl zum SPD-Vorsitz im November wichtig, aber keineswegs alles. Die SPD-Basis hat mittiger abgestimmt als vermutet.

Gesucht: neue Ideen für die SPD, die Applaus verdient haben Foto: Jörg Carstensen/dpa

B eim Votum der SPD-Basis über ihren Parteivorsitz ging es nicht nur um links gegen rechts, um Groko oder Opposition. Es ging um viele verschiedene Kriterien: um Performance, Argumente, und Alter. Deswegen gibt es keine haushohen Sieger. Nur 8 Prozentpunkte liegen zwischen dem Team Scholz/Geywitz und den Fünftplatzierten. Die Entscheidung, ob die SPD mehr nach links will oder in der Mitte bleibt, wird erst beim Duell Scholz/Geywitz gegen Esken/Walter-Borjans fallen.

Über die SPD-Basis hält sich eine hartnäckige Legende: Im Grunde tickt sie sehr links, nur kommt das nie so recht zum Vorschein. Die SPD-Basis hat zwei Mal über die Groko abgestimmt – und beide Male dafür votiert. Eigentlich aber, so die Legende, hätte sie gerne „Nein“ gesagt. Doch weil ein Basis-Nein die Parteispitze, die ja komplett für die Groko war, hinweggefegt hätte, fügten sich die GenossInnen missmutig. Denn ihre Führung arbeitslos machen – so etwas tun SozialdemokratInnen nicht. Eigentlich aber sehnt sich die SPD-Basis nach einer schwungvollen Wende nach links.

Das ist, wie man nun sieht, eher nicht so. Die Wahl der SPD-Vorsitzenden ist frei von zentnerschwerer staatspolitischer Verantwortung. Ein deutliches Votum gegen Vizekanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz wäre zwar nicht schön für die SPD-MinisterInnen gewesen. Aber das sofortige Aus für die Groko hätte es auch nicht bedeutet. 22 Prozent haben Scholz/Geywitz gewählt, nicht weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Die SPD-Basis ist mittiger, konsensorientierter als vermutet. Kevin Kühnert hat das vorab ziemlich klar gesehen: Eine Figur wie der Traditionslinke Jeremy Corbyn sei bei der SPD nicht vorstellbar. So ist es.

Scholz hat taktisch clever agiert, sich bei der Roadshow keine arroganten Auftritte geleistet und sanft nach links geblinkt. Er ist für 12 Euro Mindestlohn und gegen eine weitere Groko 2021. Allerdings ist beides gratis. Wo es politisch etwas kosten würde, etwa beim Abschied vom Schwarze-Null-Fetisch, endet der Linksschwenk des Finanzministers abrupt.

Die Groko ist nicht alles

Entschieden ist nichts. Wenn Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans geschickt sind, werden sie die Stimmen des eher linken Lagers bündeln. Der zweite Irrtum ist, neben der Basis-Legende, dass dies vor allem eine Abstimmung über die Groko war. Nur 15 Prozent haben für Karl Lauterbach und Nina Scheer gestimmt, die alles auf die Sofort-raus-aus-der-Groko-Karte setzten.

Die meisten ausgeschiedenen Teams waren in der Groko-Frage eher diffus – und der linke Norbert Walter-Borjans hält sich da realpolitisch ein Türchen offen. Auch viele SPD-Linke, die 2018 energisch gegen die Groko kämpften, halten die Frage, ob man die Koalition bald oder später beendet, für eine taktische, keine strategisch zentrale mehr.

Und nun? Die Groko-Frage ist für die Stichwahl wichtig, aber keineswegs alles. Vielleicht sogar relevanter ist, wer eine Idee für die kriselnde Partei hat. Das ist die Schwäche von Olaf Scholz, der Visionen – wie sein Vorbild Helmut Schmidt – für einen Fall für den Arzt hält. Mehr als „weiter so“ hat Scholz nicht im Angebot. Und das ist die Chance von Esken und Walter-Borjans.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Jetzt gilt es noch einmal alles zu geben. ein Kurswechsel der SPD ist möglich. Natürlich #Eskabolation sind auch nur traditionelle SPD-Mitglieder. Doch bereits Martin Schulz hat angedeutet, NWR tickt anders als die Politiker-Riege aus Hannover. Andrea Nahles hat zu sehr die katholische Arbeiterjugend durchscheinen lassen. Mit Norbert Walter-Borjans könnte jetzt ein anderes Kaliber kommen. Einer, der sich nicht so leicht in Bockshorn jagen lässt. Natürlich hat der politische Gegner auch gegen ihm eine Akte, mit der gekübelt wird, sobald es sich anbietet. Esken und Borjans brauchen gar nicht viel zu ändern. Es würde reichen, der Partei etwas mehr Luft zu lassen. Dem rechten Flügel aus dem Ruhrgebiet ist das klar. Dort meldet sich sofort eine nervöse Gegenbewegung, die schon gegen Schulz die unterste Schublade gezogen hat. Immerhin gibt es schon Zahlen. Der Spiegel hat nachgefragt:



    www.spiegel.de/pol...nde-a-1293837.html

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Meine Interessen beschränken sich nicht darauf, ob die Basis der SPD "links tickt".

    Wer jemals eine Affinität zu den Sozen hatte, ist es gewohnt, dass diese Nähe auf harte Bewährungs- und Belastungsproben gestellt wird. Ältere unter uns wissen - oder ahnen - wovon ich hier schreibe.

    Mir gehen die letzten zwanzig Jahre deutscher Politik gehörig auf den Zeiger. Waren schon Kohl/ Genscher keine Offenbarung, so wurde dies von Schröder/ Fischer und danach von Merkel plus Anhängsel an Qualität unterboten.

    Wie immer stellt sich für mich auch die Frage nach eigenen Interessen. Genügt es mir, vom - mehr oder weniger - bequemen Sessel des Schreiberlings Recht zu bekommen und über die Versäumnisse der SPD zu wehklagen? Da empfiehlt sich die Variante 'Balkonrede' von Jan Böhmermann. Absolut gekonnt.

    Für Menschen, die etwas mehr wollen, zum Beispiel Gestaltung der Realität in dem zur Verfügung stehenden (äußerst bescheidenen) Rahmen, kann es das allein nicht gewesen sein.

    Mir ist es nicht einerlei, wer von den beiden zur Wahl stehenden Duos gewinnt. Ein "Oil of Olaf plus" mit Abstinenz von Charisma und Inhalt jenseits des NeoLibs ganz gewiss nicht. Esken und Borjans machen mir eher Hoffnung auf ein linkes Projekt in der Nach-Merkel-Ära.

    Epilog: HartzIV und die Folgen hat im Übrigen nicht allein die SPD zu verantworten. Dass Die Grünen hier nonchalant geschont werden, halte ich für unverdient. Sie haben HartzIV geichermaßen verbrochen. Herrn Fischer sei Dank.

  • Sie stellen in Ihrem Artikel die These auf, es gebe das Gerücht die Basis ticke eher links. Woher soll das angebliche Gerücht denn kommen??? Jeder der die SPD nur ein bisschen kennt weiss, das etwa 1/3 links und 2/3 eher konservativ - im Sinne von: Veränderungen scheuend - tickt. Somit ist für mich die einzige -und dabei sehr positive - Überraschung, dass das Ergebnis für Olaf Scholz nicht besser ausgefallen ist. Eine absurde These selber aufstellen und dann schlaumeierisch dagegen argumentieren...prachtvoll.

  • Sehr wohl tickt die Basis im Grunde links.Nur wenn man die Wählerbasis dabei nicht mitnehmen kann, also mit seinen linken Ideen (eigentlich gern noch linkeren, wenn man das mal so pauschal sagen kann), nicht auf 20% kommt, dann langt das nicht für mehr als für Groko. Das Problem ist nicht, dass die SPD keine linke Politik machen will, sondern dass es ihr nicht gelingt, Wähler zu finden, die ihr das ermöglichen.

    • @Jogu:

      Ach wissen Sie, eine SPD, die seit 50 Jahren vor Wahlen immer tönt, sie wolle jetzt „linke Politik“ machen und dann nach der Wahl aus diesen oder jenen Gründen davon dann doch lieber Abstand nimmt, obwohl es im Bundestag und anderswo in vielen Sachfragen durchaus entsprechende Mehrheiten gibt, dann kann man nicht erwarten, dass die Wähler so eine Partei überhaupt noch für voll nehmen. Wenn es stimmt, dass Politik „die Kunst des Machbaren“ ist, dann geht es doch bei dieser Partei einfach seit Jahrzehnten um alles Mögliche und Unmögliche, aber gerade nicht um Politik und schon gar nicht um „linke Politik“.

  • Ich sach's mal so - die Erzählung von der „linken SPD“ war tatsächlich nie mehr als eine Zeitungsente. Bemerkenswert ist daran nur, dass sich diese Falschmeldung bis heute insbesondere in Pressekreisen so lange halten konnte, obwohl sich dafür im Alltag doch praktisch überhaupt keine Anhaltspunkte finden ließen.

    btw.: Im Willy-Brandt-Haus „gab es keine Polizeigewalt“.

  • taz: "Die Entscheidung, ob die SPD mehr nach links will oder in der Mitte bleibt, wird erst beim Duell Scholz/Geywitz gegen Esken/Walter-Borjans fallen."

    Der SPD ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Jan Böhmermann hat in seiner "Rede" zusammengefasst, was mit dieser Partei alles nicht stimmt - aber die SPD macht mit ihrer eigenen Demontage immer weiter.

    **SPD: Proklamation der überfälligen Entschuldigung vom Balkon des Reichstags durch Jan Böhmermann** www.youtube.com/watch?v=imVqF8Wrpk0

  • Die Überschrift hätte auch lauten können: "Die Legende von der Bedeutung der Vorsitzenden"

    Die Wahlbeteiligung von rund 50% der Mitglieder der mitgliederstärksten Partei, bei einem von der Basis geforderten Beteiligungsverfahren, ist schon sehr bemerkenswert. Ein "nur" mit "!" ist durchaus angebracht. Sind nicht die Hälfte aller SPD Mitglieder in irgendwelchen Funktionen? Vom Ortsvorsitzenden über den Gemeinderat bis zum Außenminister?

    Für fast die Hälfte der Parteimitglieder ist die Frage des/der Vorsitzeden so nebensächlich, dass sie sich nicht einmal die "Mühe" machen einen Stimmzettel auszufüllen. Zu ähnlich ist die in der Partei übliche Sprache, sind die Floskeln, Sprachbilder und Witzchen. Und natürlich dominiert das traditionelle Dogma, sich niemals politische Fehler der Vergangenheit einzugestehen, sich klar und deutlich neu zu positionieren und die für die Fehler Verantwortlichen klar und deutlich zu benennen.

    Eines ist zusätzlich bemerkenswert: Sigmar Gabiel hat offenbar seine Pflicht erfüllt, Andrea Nahles aus dem Amt zu ätzen. Nun wird er dafür belohnt und in Kürze Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Scholz ist sein Favorit. Die alten, von Schröder geknüpften Seilschaften des Neoliberalimus, bestehen und bestimmen immer noch die Richtung der SPD.

    Die schlechte Wahlbeteiligung ist also keine Überraschung. Die Konzentration auf die Frage Große Koalition sofort raus oder bleiben, hat davon sehr gut abgelenkt. Das Desinteresse der Basis an den künftigen Vorsitzenden und die "Spaltung" der Partei - über den nächsten Wahlgang hinaus - ist damit bereits vorprogrammiert.

    • RS
      Ria Sauter
      @Drabiniok Dieter:

      Kann mich Ihren Worten nur anschliessen.

    • @Drabiniok Dieter:

      Liggers - anschließe mich.

      kurz - als ich die Überschrift las - 😱 😆



      “Söchst du Wuust in‘n‘n Hunnstall?!“



      (“Suchst du 🌭 im 🐕 Stall?!“ für Spracharme;)(



      &



      Mit Oskar hat das nur bedingt zu tun.



      Spätestens ab Neue Heimat - da darfste im Ruhrpott niemanden drauf ansprechen - gehen die alten wie die jungen SPDler - selten bis nich zur Wahl.



      & Accelerando - worauf du einen lassen kannst.



      (Erinner an Hans Koschnick - „…gab immer die Hälfte meines Salärs an die Partei - was wäre ich ohne die. Aber - die Villen in der Toscana - ab da war das vorbei.“



      Conclusio - “Alles selbst serviert“ 👹



      &



      Jungspunde - wissen halt nicht viel.



      Ok. Kann ja noch kommen. But. 👻 -



      I‘m still waiting.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Ohha.

    220.000 Mitglieder von 450.000 Mitglieder stimmten ab. Die Halbe Torte stimmt über die Ganze Torte ab. Und Teller und Tisch bleiben aussen vor,

    Die SPD wollte doch innehalten statt Dummheit zu verwalten. Gestalten? Nie. Grundhaft erneuern?



    Nie.

    Soziale Demokratie? Nie.

    Ciao Bella



    Bella Ciao

    Wenn die Kandidaten Zeit hatten für eine Tour währende eines Öffentlichen Amtes. Wurde dann das Amt genutzt?

    • @07400 (Profil gelöscht):

      Ist schon traurig, wie wenige abgestimmt haben. Wenn sich schon viele Mitglieder einer Partei nicht beteiligen...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        …aber erwartbar.

        SPD - “Hier könn Familien Kaffee kochen!“ - Tuchos Spott - selbst der - ist lange lange Legende.



        "Wundern?“ - Ah Geh •

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    "Die Legende von der linken Basis"

    Die linke Basis ist 2005 mit Oskar Lafontaine zur WASG abgehauen.

  • Statt die Basis mal nach Sachthemen zu befragen und das dann auch umzusetzen fragt man lieber nach einem Führungsduo. Das sit sehr billig, wird die SPD aber auch nicht aus dem Tief herausreißen. Gefragt ist richtig linke Politik, wie in Portugal.

  • Wenn das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nicht die Stichwahl gewinnen, hat es die SPD wirklich nicht verdient mehr als 5% bei der nächsten BT Wahl zu bekommen.

    Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hätten wirklich mal wieder Sozialdemokraten den Parteivorsitz.

  • Von 100% sind 22% quasi ein fünftel. Auf dem Parteitag hat Scholz bei der Vorstandswahl 36% bekommebn - das schlechteste aller Vorstandsmitglieder. Und jetzt hat er doch noch schlechter abgeschnitten.Und da sich die linken DUO´s zusammenschließen, ist eigentlich jetzt schon das "AUS" für Scholz klar wie Kloßbrühe. Und ohne die UNISONO-Kampagne aller relevanten Medien für Scholz, verbunden mit der permanenten Angstmache vor Neuwahlen wäre Scholz un d seine lahme Ente doch bei 10% gelandet. Man sollte nicht unterschätzen, dass die anderen DUO´s jetzt nicht mehr schweigen brauchen und sich für Walter-Borjans ins Zeug legen werden. Da hilft dem guten Scholz keine Medienkampagne mehr.

    • @SUDEK:

      Das kann man nicht so sagen. Denn Scholz tritt als Duo an. Vielleicht ist auch auch Geywitz, die bei der SPD-Basis nicht zieht.

      • @Nicolai Nikitin:

        “… Denn Scholz tritt als Duo an…“ Shure

        0 0 - Das! Steht zu befürchten. Liggers.



        Oil of Olaf I. van HH zude G2O



        &



        De Gröfimaz II. vande swatte Doppel 0 0

        unterm—-servíce -



        HAMBURGER GITTER - Der G20 Gipfel als "Schaufenster moderner Polizeiarbeit" -



        www.youtube.com/watch?v=6sTJChDG9Rw

        Gern&Dannichfür 👹

    • @SUDEK:

      Ja. Ist schon seltsam, dass 22% beim Autor die Mehrheit sind. Pisa?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das Wort "Mehrheit" ist im Kontext von Abstimmungen nicht eindeutig. Eine "relative Mehrheit" gibt es ja durchaus - und die haben Scholz/Geywitz nunmal.

        • @njorg:

          In Bezug auf die Überschrift denke ich schon, dass der Autor die absolute Überschrift meint.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es ist eine relative Mehrheit - Sie sprechen die absolute Mehrheit an, glaube ich. Beides sind gängige Begriffe.