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Abforstung für Autobahn in FrankfurtÖkologischer Sündenfall

Grüne Spitzenpolitiker hätten die Rodung im Fechenheimer Wald verhindern sollen. Es nicht vehementer versucht zu haben, könnte sich rächen.

Bleibt ein Wunsch:Im Fechenheimer Wald Foto: Boris Roessler/dpa

D er Riederwaldtunnel ist finales Symbol einer Politik, die viel zu lange die Vorzeichen der Klimakatastrophe ignoriert hat. Dieses Monstrum, das ein Wohngebiet in Frankfurt am Main zerteilt, war zuletzt wohl nicht mehr zu verhindern. Die Pisten am Autobahndreieck, das die A 661 vierspurig mit dem Tunnel an die A 66 anbinden soll, sind bereits in Beton und Asphalt gegossen. Er fehlt „nur“ noch der Tunnel selbst und ein 1 Kilometer langes Autobahnstück.

Die Weichen für dieses irrsinnige Projekt wurden vor Jahrzehnten gestellt. Am Ende, nach geschätzt 10 Jahren Bauzeit, werden rund 10-mal mehr Autos durch den Stadtteil fahren. Anwohner leben zum Teil schon jetzt hinter riesigen, blickdichten Schallschutzwänden. Weil es weniger Staus geben werde, sei eine „minimale Entlastung“ von Abgasen und CO2 zu erwarten, so das tröstliche Versprechen.

Allein der Tunnel und seine Anbindung kosten mindestens 600 Millionen Euro. Dass nun auch die Grünen für den ökologischen Sündenfall haftbar gemacht werden, mögen sie als ungerecht empfinden. Der Kampf gegen das Autobahnmonstrum in Frankfurt gehörte zur DNA ihrer Partei­gründung. Wie im Konflikt um den Dannenröder Forst haben sie ihre reale Macht nicht genutzt, als diese aus der Zeit gefallenen Autobahnprojekte noch zu verhindern gewesen wären.

Beim Dannenröder Forst setzten die hessischen Grünen auf die Hoffnung, das Projekt sei nicht zu finanzieren. Die Frankfurter Grünen machten ihren Frieden mit dem Riederwaldtunnel, als Preis für die erste schwarz-grüne Stadtregierung. In den sieben Jahren, in denen die Grünen im Bund mit der SPD regierten, hätten sie ihrem damaligen Koalitionspartner eine ökologische und ökonomische Neubewertung des Bundesverkehrswegeplans abringen müssen.

Doch das Thema war den Führungskräften offenbar nicht wichtig genug. Der Frankfurter Flughafen bekam seine neue Landebahn und Terminal 3. Für die Autobahnen im Dannenröder Forst und im Fechenheimer Wald durfte mit Tarek Al Wazir nun ausgerechnet ein grüner Verkehrsminister den Weg ebnen. Jetzt wenigstens müssen die regierenden Grünen in Bund und Land dafür sorgen, dass die Autobahnprojekte, für die noch keine Bäume gefallen sind, neu bewertet werden.

Das dürfte nicht leicht werden, denn Koalitionspartner FDP hat auf Autopilot geschaltet. Für die Grünen geht es um viel. Al Wazir kandidiert bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober für das Amt des Ministerpräsidenten. Wenn die Grünen ihre Bindung an die Ökobewegung dauerhaft verlieren, werden sie das auch bei Wahlen zu spüren bekommen – nicht nur in Hessen.

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Christoph Schmidt-Lunau
Autor
Von 2016 bis 2024 taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Davor u.a. Moderator, Reporter und CvD bei SWF3 sowie Programmdirektor von radioffn, 15 Jahre lang Landtagskorrespondent für den Hörfunk von hr und ARD, gleichzeitig Autor für den Tagesspiegel 1980 Dipl.Soz. und Wiss. Mitarbeiter Goethe Uni Frankfurt
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25 Kommentare

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  • Tarek Al Wazir ist ein grüner Karrierepolitiker und Totengräber des 1,5 Gradziels.



    Hier zählt vor allem der Flughafenausbau, aber auch die Ignorierung der ökonomischen und ökologischen Neuwertung des Bundesverkehrsplans für die A66.



    Al Wazir kämpfte gegen die A 49 und genehmigte sie. Was für ein Widerspruch, mit dem er weiter Karriere machte.



    Al Wazir sagte im Interview mit der Zeit allen Ernstes er sei nicht Trump und hätte die A 49 aufgrund der Rechtslage genehmigen müssen, was, wie er selbst sagt, eine Parallele zu Lützerath sei.



    Klimaschützer redeten gegen eine Betonfraktion aus Grünen und CDU in Hessen an. Denn Jahr um Jahr wurden finanziell Rekordmittel für die Sanierung und den Ausbau von Straßen ausgegeben.



    Der Ausbau der A 49 und der A 66 und der Flughafenausbau werden in nur wenigen Jahren als große Sünde in die Geschichte des Scheiterns des deutschen 1,5 Gradziels eingehen.



    Klimaexperten wissen, dass das eigentlich nicht geht, aber andere Interessen, vor allem aber die Belange der Autofahrer, waren den Grünen viel wichtiger, als ehrlicher Klimaschutz.



    Gäbe es ein ehrliches deutsches CO2-Budget müssten Al Wazir und Wissing sofort im Klimaschutz im Verkehr in Hessen liefern und die A 66 dürfte nicht fertig gebaut werden. Aber was heißt schon Ehrlichkeit im Klimaschutz.

    Mit Ehrlichkeit im Klimaschutz ist es spätestens seit dem RWE-Grünen-Klimabetrug von Lützerath vorbei.



    Die Grünen werden es hoffentlich bei der Wahl in Hessen spüren!



    Und vielleicht gründet sich bald eine ehrliche Klimapartei aus der Klimabewegung!

  • Die Grünen haben es aber auch nicht leicht, mit einem Koalitionspartner wie der FDP. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will den Ausbau von Autobahnen und Bundesfernstraßen nämlich weiterhin vorantreiben.Für Autobahnen ist anscheinend immer noch genug Geld da, damit der deutsche Asphaltcowboy mit seinem PS-starken "Stahlpferd" noch mehr CO2 für den Klimawandel erzeugen kann. Rund 30 Milliarden Euro sind bis 2030 allein für den Aus- und Neubau neuer Autobahnen vorgesehen: insgesamt 1741 Kilometer - und da sind neue Straßen in Städten noch gar nicht mit eingerechnet. Nach einem Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 ihren Höhepunkt erreichen, und ab da wird ein sich selbst verstärkender Klimawandel ausgelöst. Das passt doch zeitlich gut, denn bis 2030 sind die neuen Autobahnen auch fertig. Der Klimawandel bedankt sich schon mal bei der Politik und der Autolobby.

  • Jaaah..

    Lasst uns noch viel mehr Autobahnen bauen, damit sich dann jeder ein Auto anschafft..



    Lasst uns die Städte so mit Autos zusch%€#n, dass es von 7h bis 23h nur noch Dauerstau gibt.



    Lasst uns sämtliche Grünanlagen und Gehwege zuparken...



    (Satire).

    Aber mal im ernst, manchmal denke ich, genau diese Vorgehensweise könnte die einzige sein, damit es auch den eingefleischten Auto-Protzern/Ideologen/Posern irgendwann klar wird, wohin diese Politik führt..

    Das ist bestimmt das Ziel der Grünen...die sind einfach zu schlau für uns... (Satire)..

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Das Planfeststellungsverfahren begann vor über 30 Jahren. In dieser Woche wurde beklagt, dass Deutschland als Investitionsstandort den Anschluss verliert. Es könnte da einen Zusammenhang geben.

    Es werden 2,7 Hektar gerodet, aber an verschiedenen Stellen 4,5 Hektar aufgeforstet. Und das sind nur ein paar der Ausgleichsmassnahmen. Langfristig kommt die Baumassnahme dem fließenden Verkehr und damit der Reduzierung von Umweltbelastungen zugute.

    Wegen eines obskuren Käfers müssen allerdings zusätzliche Baustraßen entstehen.

  • Eine Freigabe der neuen Autobahn nur für Elektrofahrzeuge wäre ein innovative Idee, leider mit der FDP und Buschmann nicht zu machen. Selbst dann nicht, wenn man Autos einbeziehen würde, die nur mit E-Fuels fahren.

  • Wenns die Grünen machen, wirds schon Sinn ergeben..ich habe vollstes Vertrauen in die Öko- und Friedesnpartei

    • @Ungehorsam Bleiben:

      Ironie? Den Spitzenpolitikern der Grünen geht es vordringlich um die Macht. Das ist in jeder Partei so. Lieber schlecht regieren, als gar nicht regieren. Die Grünen sind nicht mehr Grün, die FDP macht Schulden



      und nennt das Sondervermögen und Sozialdemokraten sind schon seit Schröder nicht mehr sozial und die Parität ist weniger wichtig als der Parteienproporz. Das kommt dabei heraus, wenn der Souverän die Verbindung zur Realität verloren hat und aus seinen Wohlstandsträumen nicht geweckt werden will. Die Folgen trägt vor allem die junge Generation. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Dass die Grünen die (angesichts der Klima-Katastrophe, die uns droht) irrwitzigen Rodungen im Fechenheimer nicht vehement verhindert hat, könnte sich rächen, schreibt der Autor.



    Ich hoffe sehr, dass diese Konjunktiv-Prognose genau so eintritt.



    Die Grünen entsrgen mit einer unfassbaren Arroganz all ihre Prinzipien im poliitischen Alltag.



    Wo sie (mit) an der REgeirung sind, handeln sie keinen Deut anders, als oft zurecht für ihre anti-ökoöogische Politik geschmähte FDP.



    Das gilt für Baden-Württemberg, für Heesen, (mit Abstrichen) für Berlin, für NRW, vor allem für den Bund und auch für ein paar Kleinstaaten wie Hamburg etc.



    Gelegenheit für die Wähler, den Grünen zu zeigen, was sie von deren schnodderingen haltung gegenüber ihnen (den Wählern) halten, bietet sich demnächst in Berlin.



    PS: Und dort solle natürlich auch die SPD einen gehörgen Denkzettel bekommen. Die hat sich unter Frau Giffey zur Lobbyorganistion der Vermögenden und Immobilien-Mogule gemacht.)

  • Wer mit der CDU koaliert, hat es ins System geschafft. Endlich anerkannt, allerdings gibts auch da Grenzen.



    Frag den Ramelow, wo die Grenzen liegen.



    Aber man ist drin, in den sachlichen "Zwängen".



    Wir können überall sehen, wohin die sachlichen Zwänge führen.



    Sogar zum Lehrermangel. Weil das Geld halt woanders gebraucht wird.



    Also, wer will, das alles so bleibt, quasi konservativ, grün wählen.

  • @FRAUKE Z.

    Sie klingen ja... fast wie die Autolobby.

  • In einer Republik aus Automobilist_innen fehlt für andere Politik einfach noch die Mehrheit. Das ist ein dickes Brett, was wir da bohren müssen.

  • Wenn ist wohl der kapitalistische Normalvollzug ein "Sündenfall". Dieser befeuert u.a. durch Wachstum Flächenfraß und Umweltzerstörung und damit das sechste Massenausterben der Tiere. Zusammen mit den Treibhausgasemissionen sind "wir" dabei, "uns" immer weiter unserer Lebensgrundlagen zu berauben. Im globalen Süden leiden und sterben bereits viele Menschen. Aber wer sind die schon? Auch hier sterben bereits Menschen - bspw. an Hitzeschlag im Sommer und recht viele auf einmal aufgrund der Flutkatastrophe im Ahrtal. Aber wer sind die ...



    "Am Ende, nach geschätzt 10 Jahren Bauzeit, werden rund 10-mal mehr Autos durch den Stadtteil fahren."



    Nanu? Ob das womöglich der Knackpunkt ist? Wie wäre es mit weniger Autos, dann braucht es weniger Straßen, schmalere Straßen, weniger Schallschutzwände ... und es gäbe bessere Luft, mehr Platz für Einwohner*innen und Touris zum Entspannen, zum Spielen ...



    Warum eigentlich mit dem Riederwaltunnel bloß einen Tunnel bauen? Warum nicht alles oberirdisch plattmachen und 4-spurig pro Richtung durchplanieren? Dann könnten die Autofahrer*innen sich bei Durchfahrt am Panorama vom Stadtteil Riederwald erfreuen. Das dürfte auch die Autofans in Riederwald mit Stolz erfüllen. "Seht her, dieses schöne Riederwald!" Um einen unkomplizierten Besuch von Riederwald zu ermöglichen, die S-Bahnstationen Schäfflestraße und Gwinnerstraße durch Autobahnabfahrten anbinden. Am besten ohne Schallschutzwände, dann hätten die Riederwälder den vollen, authentischen Verkehrssoundgenuss. Und danach den Ausbau der B44, wie auch der B486 ab der A60 mindestens bis Langen zu vollwertigen Autobahnen! Wenn mensch gerade dabei ist, könnte mensch auch gleich weitere Landebahnen durch den Mönchbruch bauen. Also ich hätte da Zutrauen in den Autobahnminister Al Wazir, dass er dies schaffen könnte.

    • @Uranus:

      *"Anbinden"? "Ersetzen" wollte ich natürlich schreiben. Wer braucht ne S-Bahn, wenn mensch autofahren kann!?

  • Lasst uns die Republik endlich zubetonieren - ist auch besser für die schweren Panzerverbände Richtung Russland!

  • Tja, die Grünen mal wieder... der nächste Parteitag dürfte interessant werden, wenn die Basis mal langsam aufwacht.

  • Was soll man da noch sagen?

    "Ihr Autodidakten!"

    (Quelle taz - Tom)



    :)

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Ein Trauerspiel, das die zerstörerische Kraft des wirtschaftlichen und parlamentarischen Systems gegenüber bürgerschaftlichem und politischen Engagement illustriert. Der Marsch durch die Institutionen bedeutet wohl tatsächlich eher, das die Institutionen durchmarschieren.

  • "Sündenfall" - "verhindern müssen"



    Wenn ich fragen darf - warum genau?

    Ein kleines Stück Wald in Nähe des Großstadtmolochs klingt weder nach der größten Naturbedrohung aktuell in Deutschland noch nach etwas, was man grundsätzlich für alle Zukunft ausschließen würde.

    Dagegen stehen das Interesse an einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur und Vertrauensschutz nach 10 Jahren Bauzeit. Aus meiner Sicht eine ziemlich klare Sache.

    • @Frauke Z:

      Scheint erstmal ein kleiner Lückenschluß. Aber in Verbindung mit Tunnel Neuhof auf der A66, Ausbau vom Hanauer Kreuz etc. wird die Stadtautobahn A661 dann eine ABkürzung zu A5/A3 - in Frankfurter Wohnvierteln. Konkret: A3 von Süden bis Dreieck Weiskirchen, dann A45 Bis Kreuz Hanau, A66 bis Dreieck Riederwald, A661 bis Bad Homburger Kreuz. A3 und A5 sind in dem Bereich 3- oder 4spurig, die anderen zweispurig, aber grob gepeilt 20-30km weniger.



      Erwartetes Ergebnis: Mehr Verkehrslärm in den Frankfurter Stadtteilen an der A661, Stau bei Hanau usw. Ein regionaler Zubringer wird integraler Bestandteil des Fernverkehrsnetzes.

      PS: Von Wiesbaden aus sieht man Frankfurt so schlecht. Ich bin 2004 in die Gegend gekommen, da hat man schon an der Einhausung A661 und den Rampen zum Riederwaldtunnel gebaut - also eher 20 als 10 Jahre.

  • dass grüne eine autobahn verhindern wollen dafür gib es in berlin ein gutes beispiel .ich hoffe sie halten durch und verhindern die verlängerung der a100

  • "Weil es weniger Staus geben werde, sei eine 'minimale Entlastung' von Abgasen und CO2 zu erwarten"

    Das ist eine dummdreiste Lüge. Ohne deutliche Einschränkung des Autiverkehrs zieht jede Erleichterung nur noch mehr Verkehr nach sich.

    Ihr Grünen, wacht auf! Ihr macht doch nur die Politik, deren Ende Ihr versprochen habt!

  • "Wenn die Grünen ihre Bindung an die Ökobewegung dauerhaft verlieren, werden sie das auch bei Wahlen zu spüren bekommen – nicht nur in Hessen."



    Nach vielen Gesprächen, weche ich geführt habe, wird es so kommen!

    • @KielerSprotte:

      Womit der Zustand eintreten dürfte, dass sich überhaupt keiner mehr mit dem Thema Umwelt und Klimaerwärmung ernsthaft befasst.

      • @dator:

        Es muss egal sein, welche Parteien regieren. Der Druck auf die Politik, der Widerstand gegen solche Projekte muss so hoch und spürbar sein, dass es egal ist wer die Regierenden sind.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Jetzt steht es Spitz auf Knopf. Es muss nun jedes fossile Projekt erbittert bekämpft werden.