29-Euro-Ticket gefordert: Grüne für ÖPNV-Preiserhöhung
Die Berliner Grünen schlagen ein 29-Euro-Ticket vor. Das 9-Euro-Ticket werten sie als Erfolg. Der VDV sieht’s weniger positiv.
Klar ist: Das als Ausgleich für Preissteigerungen von der Ampelregierung geschaffene 9-Euro-Ticket ist eine populäre Maßnahme. Ebenso offenbart das Angebot die Schwachstellen des ÖPNVs: vernachlässigter Ausbau, Überlastung, Verspätungen, Mangel an Personal und Fahrzeugen.
Die Berliner Grünen sprechen unterm Strich neben einer Entlastung für die Bürger*innen von einem „erfolgreichen Test“, wie Oda Hassepaß aus dem Abgeordnetenhaus der taz sagte. Sie fordert, aus dem befristeten 9-Euro-Ticket ein dauerhaftes 29-Euro-Ticket zu machen. Nach ihren Berechnungen sei dies durch einen erwartbaren Zuwachs an Nutzer*innen finanzierbar.
„Das Ticket soll deutschlandweit im Nahverkehr gültig sein, damit es kein Tarifchaos gibt. Das 9-Euro-Ticket kommt gut an und ist einfach – diesen Moment verstreichen zu lassen und kein Anschlusskonzept für die Menschen anzubieten, wäre ein massiver Rückschritt.“ Höhere Kosten von 29 Euro würden bei der Gegenfinanzierung helfen, so Hassepaß.
Querfinanzierung zulasten des Autos
Zudem brauche es weitere Investitionen in den ÖPNV durch Querfinanzierungen durch andere Prioritätensetzungen in der Verkehrspolitik: Etwa höhere Parkgebühren, Abschaffung von Dienstwagen-Subventionen, den Wegfall der E-Auto-Prämie und Einführung von Citymauts. Die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch bekräftigte die Forderungen: Auch sie erwarte vom Bund dauerhaft vergünstigte Nahverkehrsangebote nach dem 9-Euro-Ticket.
Erste Auswertungen legen unterdessen nahe, dass das bis Ende August befristete Billig-Monatsticket den Verkehr von der Straße auf die Schiene nur in leichtem Umfang verlagert hat, wie das Statistische Bundesamt festgestellt hat. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sowie die Bahn haben in einer Befragung festgestellt, dass nur 6 Prozent von anderen Verkehrsmitteln auf die Bahn umgestiegen seien, die Hälfte davon vom Auto. Immerhin soll das Ticket auch für etwas weniger Stau in den Städten gesorgt haben.
Die Nachfrage ist indes ungebrochen groß: Rund 31 Millionen Menschen (Berlin: über 1,7 Millionen) nutzen das 9-Euro-Ticket im Juni, und laut der VDV-Befragung ist die Nachfrage für den Juli ähnlich. In Berlin wurden zudem bei gleich vielen Kontrollen nur ein Sechstel so viele Schwarzfahrende erwischt.
Ebenso zeigt sich: Viele Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket sind zusätzliche Fahrten. So sagt der VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff zwar, dass es „sehr erfreulich“ sei, dass ein Fünftel der Käufer*innen angebe, den ÖPNV zuvor nicht genutzt zu haben. Allerdings sei jede vierte Fahrt ohne das Ticket gar nicht erst unternommen worden, so Wolff: „Diese deutliche Erhöhung der Nachfrage ist mit Blick auf den Klimaschutz und die Belastungen des Systems kritisch zu hinterfragen.“ Der VDV mahnt daher zunächst die Kompensation von Preisanstiegen bei etwa Energiekosten an – „sonst drohen deutliche Tarifsteigerungen“ oder gar Einschränkungen von Linienangeboten.
Das 9-Euro-Ticket wird insgesamt mit 2,5 Milliarde Euro subventioniert. Auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte es einen „fulminanten Erfolg“, den man im Herbst zunächst mal auswerten wolle.
Länger in der Diskussion sind bereits Jahres-Abotickets für 365 Euro, das in Berlin schon länger von der SPD versprochen wurde. Die Linke fordert gar einen kostenlosen ÖPNV. Der würde rund 15 Milliarden Euro jährlich kosten. Zum Vergleich: Die kürzlich beschlossene umfassende Aufrüstung der Bundeswehr durch ein sogenanntes Sondervermögen sollte 100 Milliarden Euro betragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid